Work in Progress: Michiel Frielink steht hier in einem Atelier vor seinem aktuellen Projekt, das eine ganze Wand seines Ateliers einnimmt. An dieser Auftragsarbeit malt er bereits seit Februar. Bis Oktober möchte er es fertigstellen. Foto: André Kempner

Leipzig. Was in einer Künstlerseele vor sich geht, ist zuweilen so geheimnisvoll wie das Werk selbst. Was Künstler tun, ist meistens einfacher zu beschreiben. Mit breitem Lächeln und offenen Armen begrüßt Michiel Frielink den SachsenSonntag in seinem Leutzscher Atelier – einem lichtdurchfluteten Raum, der vollgestopft ist mit Gemälden, Büchern, Malutensilien sowie Kleidung, Spielzeug, Brettern und vielem mehr. Und sprechen wir auch über den Elefanten im Raum: Die enorme Leinwand, die die gesamte Fläche einer der vier Atelierwände einnimmt. Darauf zu sehen ist eine farbenfrohe Inszenierung, die wie Malerei aus der Barockzeit anmutet. Die Menschen auf dem Gemälde holen den Betrachtenden jedoch schnell in die Gegenwart zurück, sind sie doch mit Jeanshose und Piloten-Overall bekleidet.

Der Weg in die Malerei

Der gebürtige Niederländer Michiel Frielink kam nach Leipzig, um hier mit seiner Malerei Fuß zu fassen. Ein schwieriges Unterfangen, wie er sagt: „Ich bin schon irgendwie ein Außenseiter. Wenn man so wie ich nicht hier studiert hat, dauert es lange, bis man seinen Platz findet.“ Sein Weg nach Leipzig und sein Werdegang als Künstler sind eng mit einander verwoben.Mit 27 beschloss er, sein bisheriges Leben komplett umzukrempeln.

Bis zu dem Zeitpunkt hatte sich die Geschichte von Michiel Frielink in dessen Geburtsort Enschede abgespielt, einer Stadt in den östlichen Niederlanden. 1979 kommt er dort zur Welt, wächst hier auf. Nach der Schule absolviert er ein Studium in den Bereichen Office-IT und Multimedia. Anschließend arbeitet er für eine Werbeagentur als Layouter, bis ihm der Computerbildschirm als Leinwand zu klein wird. „Ich fand es toll, am Computer zu designen, zum Beispiel für Videospiele. Aber man hat immer diesen kleinen Kasten vor sich“, sagt Michiel Frielink und zeichnet dabei mit beiden Zeigefingern ein Rechteck in die Luft.

So begann sein Weg in die Malerei. Schon als Kind kam er bei zahlreichen Museumsbesuchen mit seiner Mutter in den Kontakt mit Gemälden Alter Meister. Zwar malte und zeichnete er schon von klein auf gern und viel, aber Michiel Frielink kam zunächst nicht auf den Gedanken, dass man heutzutage noch von der Malerei leben könnte. „Doch dann sah ich eine Ausstellung des Künstlers Matthias Weischer, der nur wenige Jahre älter ist als ich“, so Frielink. Dieser Aha-Moment verändert alles.

2007 meldet Michiel Frielink sich an der Kunstakademie in seinem Heimatort an. „Aber dort habe ich leider nicht viel gelernt“, sagt er und fügt mit leicht zynischem Unterton hinzu: „Es war eine sehr ’freie’ Art von Akademie“. Die Malerei, so wie er sie zu dieser Zeit praktiziert, empfindet er als „nicht gut genug“. Darum eignet er sich im Selbststudium weiteres Wissen an anhand des Buches „Malmaterial und seine Verwendung im Bilde“ von Max Doerner, einem Professor für Maltechnik. Darin werden Maltechniken Alter Meister behandelt. Schließlich findet er sich stilistisch und technisch bei Rembrandt wieder, dem bekannten niederländischen Künstler des Barock. Doch nicht nur dessen Stil hat großen Einfluss auf den Jungkünstler. Auch das eigentümliche Malmittel mischt er nach Rembrandtschen Rezept zusammen. Mehr dazu später.

Der Künstler aus Enschede zieht einige Jahre nach seinem Studium an den Bodensee, ist von dem Ort aber schnell gelangweilt: „Im Sommer ist dort alles voller Touristen, im Winter sind alle weg und es ist nur noch neblig.“

Verzaubert von Leipzig

Im Jahr 2014 dann verschlägt es ihn im Rahmen einer Künstlerresidenz bei der Pilotenküche nach Leipzig. Michiel ist sofort verzaubert. In dem Jahr ist viel passiert. „Es gab viele Ausstellungen in Offspaces und Partys“, erinnert er sich. Und wie geht es heute in der Kunst-Party-Szene zu? „Das weiß ich nicht, ich gehe nicht mehr oft zu Partys, seit ich Kinder habe“, antwortet er lachend. Fakt ist, Michiel Frielink hat vor, in Leipzig zu bleiben, nicht nur wegen seiner Familie. Inzwischen habe er sich ein Netzwerk aufgebaut. Auch gefalle ihm die Ästhetik des Unfertigen in der Messestadt. „Schon als Kind fand ich Ruinen toll, und im Leipziger Westen gibt es noch viele davon. In den Niederlanden gibt es sowas nicht. Da ist alles bebaut, jeder Baum gepflanzt, die Straßen gefegt.“ Und auch wenn es anfangs schwer für ihn war, seinen Platz zu finden, so wisse er Leipzig als Wirkungsstätte sehr zu schätzen. „Leipzig ist einer der wenigen Orte auf der Welt, wo figurative Kunst einen Markt hat“, ist Michiel Frielinks Einschätzung.

Der Selbstkritische Workaholik

Inzwischen kann er von seiner Kunst leben, aber zu Beginn seiner Karriere stellt er wenige seiner Werke aus. „Ich musste mich erst selbst finden. Inzwischen bin ich zufrieden.“ Der Künstler aus den Niederlanden ist übrigens ein richtiger Workaholik. Pro Woche verbringt er 40 bis 50 Stunden im Atelier. Seine Arbeitswoche beginnt mit einer Bestandsaufnahme. Er zeigt auf das große Gemälde an der Wand und sagt: „Zum Beispiel bei dem Bild schaue ich, was ich wie gemacht habe und was noch zu tun ist.“ So müsse er an dem Löwen noch arbeiten, dessen Proportionen ihm noch nicht ganz zusagten. Dann schweift sein Blick zu der Schlange weiter oben auf der Leinwand. Diese habe er, anders als den Löwen, aus seiner Fantasie heraus gemalt. Bei der Betrachtung seines unvollendeten Werks stellt er fest: „Die Figuren, die ich mir selbst ausdenke, sehen am Ende oft realistischer aus, als die, die ich abmale.“

Malen mit „Mayonnaise“

Und dann lüftet Michiel Frielink das Geheimnis um sein Malmittel, das er von Rembrandt übernommen hat. Er geht in die Küche und holt einen Topf aus dem Kühlschrank. Darin befindet sich eine dickflüssige gelbliche Paste, die er mit einem Spachtel auf einen Teller aufträgt. Gemischt wird diese aus Leinsamöl und Eigelb und nennt sich Tempera Grassa. „Im Prinzip ist es eine Art Mayonnaise“, erklärt Michiel Frielink. Diese wird anschließend mit Pigmenten oder Ölfarbe koloriert. Dann springt der Künstler zum Fensterbrett und kommt mit einem weiteren Teller zurück. Darauf befindet sich eine zähe Flüssigkeit. „Das ist das Leinsamen-öl“, sagt er. Dieses dickt ein, wenn es dem Sonnenlicht ausgesetzt wird. „Dadurch wird die Farbe schön glänzend“. Und dann bückt er sich und greift in einen Beutel voller Sand, ein Prise davon landet auf der bereits angemischten Farbpaste und wird ebenfalls mit dem Spachtel untergehoben. „Das ist ganz feiner Sand, den habe ich aus meinem Urlaub auf Norderney mitgebracht. Den nutze ich, wenn ich der Farbe Struktur geben möchte.“

Barock und Jugendstil

Während Michiel Frielink erläutert, wie er arbeitet, ist er voll in seinem Element. Die Leidenschaft für seine Arbeit ist im ganzen Raum zu spüren. Aber auch wenn Rembrandt großen Einfluss auf Ihn hat, so ist dieser Alte Meister nicht seine einzige Inspirationsquelle. Er nennt auch Caravaggio, einen berühmten Maler des italienischen Frühbarock, und den Schweizer Jugendstil-Maler Ferdinand Hodler. „Meinen Stil nenne ich: Eingefrorenes Theater. Der Hintergrund ist in meinen Bildern eher Kulisse und im Vordergrund spielt sich das Geschehen ab“, resümiert er. „Diese Komposition habe ich von Hodler übernommen. Von Caravaggio habe ich das Spiel von Licht und Schatten.“

Thematisch malt er vor allem auf Geschichte basierende Bilder. Er male selten Zeitgeschichte, denn es sei „zu wenig Distanz da“. Ein Großteil der Bilder fänden sich inhaltlich kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wieder. Spannend daran findet er dabei die Betrachtung des Übergangs „von Krieg zu Frieden als Grauzone zwischen Schrecken und Hoffnung“.

Ausstellungen und Wünsche

Apropos Hoffnung – auf die Frage, welche Träume er sich im Leben erfüllen möchte, antwortet er: „Ich habe keine großen Träume. Wobei, ich würde gern eine Künstlerresidenz in Rom machen und natürlich würde ich gern mal in einem Museum ausstellen.“ Und was waren die Höhepunkte seiner Karriere? „Jede Ausstellung meiner Bilder ist ein Höhepunkt.“ Die meisten seiner großen Bilder seien aus Platzgründen aufgerollt. Darum sei es schön, bei einer Schau wieder alle Werke zusammen sehen zu können. Pauline Szyltowski

Wer die Bilder von Michiel Frielink sehen möchte, kann sie vom 30. September bis 2. Oktober beim Lindenow Festival in Leipzig betrachten oder ab 4. November in der Galerie Artae in Gohlis. Mehr Infos unter: www.michielfrielink.de

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