Sachsen. Es ist still geworden in den Stadien und auf den Fußballplätzen im Freistaat Sachsen – der Sächsische Fußball-Verband (SFV) hat die laufende Spielzeit unterbrochen und dies in allen Altersklassen. Eine Entscheidung, die nicht allerorts auf Gegenliebe gestoßen ist, bestätigen sowohl SFV-Präsident Hermann Winkler als auch Verbandssprecher Alexander Rabe.
Es ist der eher ungeliebte Platz zwischen den Stühlen, auf dem sich der SFV in diesen Tagen wiederfand – zwischen den (strengen) Pandemie-Vorgaben der Landes- und Bundespolitik und den Interessen der sächsischen Fußballvereine. Und es war gerade die Entscheidung, auch in den Nachwuchs-Altersklassen unterhalb der Grenze von 16 Jahren die Spielzeit zu unterbrechen, die auch schon mal für Unverständnis sorgte – dem Buchstaben der entsprechenden Verordnungen nach wäre dies nicht zwingend notwendig gewesen. Aber sowohl Präsident als auch Sprecher machen deutlich: Man habe eigentlich keine Alternative gesehen. Mit einer großen Gruppe Kindern im Bus oder Pkw quer durch Sachsen zu fahren, dazu noch den Trainer- und Betreuerstab – für Hermann Winkler in den aktuellen Corona-Zeiten eigentlich kaum vorstellbar.
Und Alexander Rabe macht noch auf einen weiteren Punkt aufmerksam: „Sicherlich gibt es in Sachsen Vereine, die immer spielen können und die auch immer Spiele ausrichten können. Aber es gibt auch Vereine, die nicht in der Lage sind, den aktuellen Aufwand für die Gewährleistung eines Spielbetriebs im Nachwuchs zu stemmen.“ Die entsprechende Liste der notwendigen Maßnahmen ist stattlich, die zu lösenden Probleme hören bei der Frage „geimpft – ungeimpft“ noch lange nicht auf. Die Folgen aus Sicht des Verbands: Die Zahl der Spielabsetzungen dürfte damit auch in den Nachwuchsligen noch weiter zunehmen – was wiederum dem erklärten Ziel des Sächsischen Fußballverbands entgegensteht. „Wir wollen in den jeweiligen Spielklassen auch eine gewisse Vergleichbarkeit“, erklärte der SFV-Sprecher – mal ganz abgesehen von dem Problem, neue Termine für Nachholspiele zu finden.
Dann lieber die große Lösung, die Einstellung des gesamten Spielbetriebs auf Landesebene und zwar erst einmal bis Jahresende – auch wenn dies hinter den Verbandskulissen eine Menge Arbeit beschert. Schon jetzt sitzt man in den spielleitenden Ausschüssen zusammen und bastelt an flexiblen Lösungen. Etwa für eine 20 Mannschaften starke Landesliga bei den Herren, aber auch für die Nachwuchsligen. Mit einer klaren Maßgabe: Für eine reguläre Wertung der Spielzeit 2021/2022 sollten schon 50 Prozent der regulären Spiele absolviert werden. Eine machbare Angelegenheit, findet Alexander Rabe: „Inzwischen haben die Entscheider im Verband eine gewisse Pandemie-Erfahrung gesammelt.“ Was beispielsweise dazu führte, dass man sich in den jeweiligen Spielordnungen die passenden Hintertürchen für die angedeuteten flexiblen Lösungen offengelassen hat – die Chancen stehen also ganz gut, dass man in allen SFV-Fußballligen zu einem verwertbaren Saisonergebnis kommen wird.
Eine gewisse Sorge um den Fußball im Freistaat ist dennoch beinahe mit Händen zu greifen. „Die zwei Jahre Pandemie haben unsere Vereine müde gemacht“, berichtet der SFV-Sprecher von der Basis. Die Befürchtung: Ein (signifikanter) Mitgliederschwund sei aus Sicht des Verbands durchaus vorstellbar. Und dies gerade im Nachwuchsbereich: „Gerade bei den Kindern, die in diesen Zeiten angefangen haben, Fußball zu spielen, steht schon die Frage, ob sie auch wiederkommen. Und andererseits geht es auch um die Ehrenamtlichen, ohne die es im Verein nun mal nicht geht.“ Nach der Sorge kommt dann auch schon mal die Enttäuschung. Die Enttäuschung darüber, mit den eigenen Argumenten in politischen Entscheidungen nicht ausreichend wahrgenommen zu werden.
Da ist er wieder, der Platz zwischen den Stühlen. Denn SFV-Präsident Hermann Winkler weist auch ausdrücklich darauf, dass man als Sportverband nur begrenzte Mittel habe bei den (landes-)politischen Entscheidungen. Konflikte liegen da auf der Hand – etwa zur Einschätzung nicht nur des Verbands, sondern auch von der Sportwissenschaft, dass Fußball nicht als Pandemietreiber in Erscheinung getreten sei. „Von Anfang an hatten die Vereine entsprechende Hygienekonzepte vorgelegt“, ergänzt Alexander Rabe: „Sport sehen wir eher als Teil der Lösung – gerade beim Nachwuchs, der im goldenen Alter keinen Sport mehr treiben könnte.“ Immerhin hat der SFV es geschafft, hier einen wichtigen Kompromiss zu erreichen: Auch wenn der Landesspielbetrieb in den Altersklassen unter 16 pausiert, ist ein Trainingsbetrieb in den Vereinen durchaus noch möglich. Dies, so der SFV-Sprecher, nehme man unbedingt als Erfolg.
Denn der Ball kann damit immerhin noch ein bisschen rollen – bei allen Problemen und Schwierigkeiten, die damit einhergehen. Was kann man im Winter tun, wenn die Rasenplätze gesperrt werden müssen? Wie geht man mit Quarantäneregelungen um? Und so weiter und so fort … aber am Ende steht eine wichtige Erkenntnis aus dem täglichen Alltag. „Das erlebe auch ich immer wieder: Die Kinder wollen spielen“, erzählt Alexander Rabe: „Und es ist im Training dann zu spüren, wie sie den Alltag vergessen.“
Der Ist-Zustand – sprich die Aussetzung des gesamten Liga-Spielbetriebs im Sächsischen Fußballverband – ist zunächst bis zum 31. Dezember 2021 festgezurrt. Wie es danach weitergeht? Gute Frage. „Klassisches Durchwursteln“, meint der SFV-Sprecher mit einem Schulterzucken: „Dies hängt vom Infektionsgeschehen in Sachsen ab.“ Unausgesprochen schwingt in allen Gesprächen die Sorge mit, dass sich an diesem zum genannten Stichtag noch nicht so viel geändert haben könnte. Und (fußballerische) Einschränkungen bis ins Frühjahr 2022 denkbar sind.
Dennoch – keine Schwarzmalerei, findet Alexander Rabe. Der Fußball in Sachsen werde auch diesen Rückschlag verkraften. Und der SFV will seinen Teil beisteuern. So hat der Verband schnell reagiert, beispielsweise die Fortbildungskurse für Trainerinnen und Trainer, auch für ehrenamtlich Engagierte umgehend in Online-Schulungen umgewandelt. „Wir können und wir werden den Vereinen die richtigen Werkzeuge liefern, damit sie auch weiterhin funktionieren können“, so lautet das klare SFV-Versprechen. Jens Wagner