Leipzig. Ein Modellprojekt soll Leipzigs Kultur neuen Schwung verleihen: Noch bis 27. Juni werden an neun Orten wieder echte Veranstaltungen stattfinden. Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen der Leipziger Universität, vom Amt für Statistik und Wahlen, dem Max-Planck-Institut und dem Klinikum Sankt Georg begleiten die Öffnung. Sie hoffen auf neue Erkenntnisse über den Einfluss von Kulturveranstaltungen auf das Infektionsgeschehen.
„Das ist eine großartige Gemeinschaftsleistung“, lobt Leipzigs Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke das Projekt. Die Kooperation wurde seit März geplant. Da lag die Inzidenz in der Stadt noch über 100. „ Es war noch nicht absehbar war, dass wir jetzt in Größenordnungen öffnen können“, ergänzt sie. Sinnlos sei das Modellprojekt deshalb nicht. Es sei wichtig zu schauen, ob „die Annahmen, die wir treffen“, auch tatsächlich stimmen.
Mit dem so genannten Reallabor sollen Erkenntnisse darüber gesammelt werden, welchen Einfluss Kulturveranstaltungen mit einem Hygienekonzept auf das Infektionsgeschehen haben, um Grundlagen zu schaffen, wie die Öffnung in Zukunft funktionieren kann. Konkret geht es dabei vor allem um eins: das Testen. Aktuell folgt das Projekt der sächsischen Coronaschutzverordnung. Damit ist ein Test des Publikums und der Akteure auf der Bühne ohnehin obligatorisch. Sollte die Inzidenz in Leipzig weiter sinken, wäre eine Testung aber nicht mehr nötig. „In diesem Fall bitten wir alle darum, sich testen zu lassen – Gäste, Personal und Künstler“, betont Tobias Loy, Projektkoordinator und Vorstand des Vereins „Kreatives Leipzig“, der bei der Aktion federführend ist. Eine Woche später sollen sich alle erneut auf das Virus testen lassen. Dadurch ergebe sich eine Vergleich mit dem Bevölkerungsdurchschnitt. „Die Auswirkungen der Öffnung werden dadurch sichtbar“, so Loy. An der Aktion beteiligen sich die Academixer, die Cammerspiele, die Villa, der Kulturhof Gohlis, die Moritzbastei, die Distillery, das Schauspiel Leipzig, der Thomanerchor sowie das Werk 2.
Die Kulturbranche wurde von der Pandemie hart getroffen. Seit über einem Jahr herrscht in den genannten Häusern Totentanz. Nun soll es hier wieder Konzerte, Kabarett, Theater, Quizshows, Chorkonzerte und Open-Stage-Veranstaltungen geben.
Die zweite Stufe des Projekts geht noch einen Schritt weiter: Die Distillery lädt im Juni zu Tanzkonzerten ein, für die sich alle Beteiligten plus Publikum zweimal testen lassen müssen. Erst wer einen Schnelltest und einen PCR-Test mit negativem Ergebnis hat, darf in den Club – und dann mal wieder „tanzen und singen“, sagt Tobias Loy. Für die Auswertung der PCR-Tests ist das Leipziger Klinikum sankt Georg zuständig. „Wir haben ein stabiles Tool für diese Testung“, erklärt Stephan Borte, Immunologe am Klinikum. Statt eines Stäbchens, das tief in die Nase eingeführt werden muss, wird Rachenspülwasser genutzt. Damit entfällt das unangenehme Bohren in der Nase. „Das Ganze ist ein Schritt in Richtung Normalität im Kulturalltag“, sagt Borte und betont: „Wir bereiten uns jetzt auf den Herbst vor.“ Mit solchen sicheren Testverfahren sei es möglich, den Kulturbetrieb auch in der kalten Jahreszeit offen zu halten – sollte sich die Corona-Lage wieder zuspitzen.
Distillery-Chef Steffen Kache betont, dass das Projekt bundesweit einzigartig sei. „Es ist eine echte Perspektive für die Clubs.“ Abstände und Masken tragen – das sei hier schließlich nicht möglich. Stufe 2 des Modellprojekts muss das Land Sachsen allerdings noch absegnen. 30.000 Euro hat die Stadt für die Aktion zur Verfügung gestellt. „Wir werden das Budget aber nicht ausschöpfen“, sagt Projektkoordinator Tobias Loy. Gina Apitz
Karten sind nur im Vorverkauf erhältlich, eine Abendkasse gibt es nicht. Infos unter www.modellprojekt.dasistleipzig.de