Leipzig. Eigentlich wollten die Spieler des Rugbyclubs Leipzig (RCL) in diesen Tagen gegen den Berliner RC endlich wieder um Bundesligapunkte kämpfen. Doch daraus wurde nichts.
Wegen der aktuellen Corona-Pandemie werden in diesem Jahr keine Bundesligaspiele mehr stattfinden. Im Rahmen der letzten Bundesligaausschusssitzung wurde der Bundesligasaisonstart auf März 2021 verschoben. „Das ist natürlich schade. Schließlich war das gesamte Training auf das Spiel gegen den Berliner RC ausgerichtet. Jetzt schauen wir einfach nach vorn“, erklärt Trainer Andreas Kuntze: „Die Absage der Bundesliga war für das Team ein ganz schöner Motivationsschock. Der ist nun aber überwunden.“
Und anstatt dem verschobenen Bundesligastart lange hinterherzutrauern, ist man auf der Suche nach einem hochkarätigen Wettkampf fündig geworden. „Wir werden in diesem Jahr in der Berliner Bundesliga um Punkte kämpfen. Der Wettkampf wurde durch den Berliner Rugby Verband ins Leben gerufen. Dabei spielen wir gegen die Berliner Erstligisten Berliner Rugby Club, RK03 Berlin und RC Berlin Grizzlies – jeweils ein Heim- und ein Auswärtsspiel“, blickt der Coach voraus: „Wir sind sehr froh, dass uns die drei Vereine für diesen Wettbewerb aufgenommen haben.“ Dadurch kommt es bereits am kommenden Samstag, 19. September, auf dem heimischen Platz in der Stahmelner Straße zum anvisierten Duell mit dem Berliner RC. Es wird der erste Wettkampf seit November 2019 für die Leipziger Rugbyspieler. „Die Unsicherheit in den letzten Monaten war wirklich schwer. Aber das Verständnis der Spieler hat überwogen“, freut sich Andreas Kuntze.
Von den knapp 40 Spielern aus dem Kader der ersten und zweiten Mannschaft habe tatsächlich kein Einziger das Team verlassen. Dazu konnten noch zwei georgische Spieler verpflichtet werden. Außerdem sollen noch drei südafrikanische Gastspieler aus der All Stars Rugby Academie in Pretoria zum Team stoßen. Allerdings ist hier noch Geduld gefragt. Schließlich stellt die deutsche Botschaft aktuell keine Visa aus. Und auch die Sponsoren haben dem Verein in der schweren Corona-Zeit die Treue gehalten, freut sich Vereinspräsident Karsten Heine. Damit steht fest, dass Andreas Kuntze auch in der kommenden Spielzeit auf eine starke Mannschaft mit Akteuren aus insgesamt sieben Ländern bauen kann. Auch sein australischer Co-Trainer Gordan Chiu, der seit Juli 2018 in Leipzig ist, ist froh, dass endlich wieder gespielt wird: „Als ich jung war, wollte ich am liebsten jede Woche spielen. Rugby ist einfach ein toller Sport, der auf der ganzen Welt ein unglaublich hohes Ansehen genießt. Mit Rugby-Fans ist man auf der ganzen Welt immer willkommen – und das Niveau in Deutschland ist wirklich gut.“
Die Mannschaft um Kapitän Franz Beck, die sich seit 2016 schrittweise in der Bundesliga etabliert hat, will trotz der aktuellen Bundesliga-Zwangspause auch in den kommenden Jahren ihren Weg an die deutsche Spitze fortführen. Im Frühjahr waren die Messestädter in Nord/Ost-Staffel der Bundesliga auf dem zweiten Tabellenplatz und damit auf dem besten Weg in das Halbfinale um die Deutsche Meisterschaft. „Das war unser Ziel. Dann kam leider Corona dazwischen und damit der Abbruch der Saison“, erinnert sich Andreas Kuntze. Zuvor hatte das Leipziger Team bereits den Pokalwettbewerb gewonnen. Das Maß aller Rugby-Dinge in Deutschland ist derzeit übrigens Heidelberg, das derzeit mit vier Mannschaften in den 1. Bundesliga Süd/West vertreten ist. Drei Mannschaften schickte die Hauptstadt Berlin ins Rennen der Bundesliga Nord/Ost. Im Gegensatz zu Heidelberg und Berlin „verirren“ sich in Leipzig nur wenige Studenten zum Rugby. Vorrangig sind das Erasmus-Studenten aus den verschiedensten Ländern. „Da würde ich mir noch ein bisschen mehr wünschen“, verrät der Coach.
Nicht nur bei den Männern, auch im Nachwuchs tut sich beim RC Leipzig einiges. Etwa 60 Kinder und Jugendliche jagen derzeit auf der Anlage an der Stahmelner Straße dem Ei hinterher – die Tendenz ist steigend. Dabei sind ab der U6 alle Nachwuchs-Altersklassen besetzt. Dass Rugby nicht nur ein Sport für Jungs ist, wird beim Blick auf die unterschiedlichen Teams schnell deutlich. „Bis zur U14 sind erstaunlich viele Mädchen dabei, immerhin drei bis vier Mädels pro Altersklasse“, freut sich Andreas Kuntze. So brauch weder den Männern noch den Bundesliga-Frauen des RC Leipzig vor der Zukunft bange sein. Und die nächste Vision des Vereins, den Rugbysport in Leipzig noch bekannter zu machen, steht bereits. „Wir wollen versuchen, einen Rugby-Kindergarten aufzubauen“, verrät der Coach. Außerdem will man beim RCL mittelfristig ein Leistungszentrum eröffnen. Von denen gibt es derzeit nur zwei in ganz Deutschland – eines in Heidelberg und eines in Hannover. Ein drittes ist aktuell in Berlin geplant. „Das wird für uns die nächste große Herausforderung. Wir wollen als Verein niemals stillstehen“, wirft Andreas Kuntze einen optimistischen Blick in die Zukunft. Interessenten sind übrigens jederzeit gern gesehen. Wer Lust hat, Rugby einmal auszuprobieren, kann sich unter www.leipzig-rugby.de informieren und sich melden. Andreas Neustadt