Meuselwitz. Dass es ihn eines Tages ins 10.000-Einwohner-Städtchen Meuselwitz verschlägt, um den ZFC zu trainieren, hätte Koray Gökkurt zum Zeitpunkt der deutschen Wiedervereinigung vor 30 Jahren wohl nicht gedacht. Wie sollte er auch. Schließlich war der gebürtige Flensburger damals gerade einmal sieben Jahre.
Da waren die Gedanken an die berufliche Zukunft natürlich noch weit weg. Die Geschehnisse des 3. Oktober 1990 sind für den in Hamburg aufgewachsenen Koray Gökkurt dennoch immer noch präsent. „Wir waren an diesem Tag in Berlin, als die Mauer gebröckelt ist. Ich habe damals schon gemerkt, dass da etwas ganz Besonderes passiert“, erinnert sich der neue ZFC-Trainer: „Meine Mutter hat damals einen Stein der Mauer mitgenommen, den sie immer noch hat. Sie erzählt immer noch Geschichten aus dieser Zeit, die für uns alle prägend war.“
Nun, 30 Jahre später, verschlug es den leidenschaftlichen Fußballlehrer zum ZFC Meuselwitz in die Regionalliga Nordost. Hier erlebt er seine erste Station als Cheftrainer im Männerbereich. Bislang war er vor allem im Nachwuchsbereich aktiv, zuletzt sechs Jahre in der Metropole Köln (fünf Jahre bei Fortuna und ein Jahr bei Viktoria). Im Sommer war für ihn der richtige Zeitpunkt, in Meuselwitz den Sprung in den Erwachsenenbereich zu wagen. „Ich habe mich schon in den letzten Jahren mit der Regionalliga Nordost beschäftigt. Jetzt, im Sommer hat es einfach gepasst“, erklärt der 37-Jährige, der mit seiner Familie in Leipzig wohnt und in Meuselwitz mit offenen Armen empfangen wurde: „Die Menschen in Meuselwitz sind unglaublich offen und gastfreundlich. Das ist wie in Köln. Ich bin hier privat und sportlich absolut zufrieden. Hier passt wirklich alles.“
Abseits des „grünen Rasens“ hat Koray Gökkurt von seiner neuen Wahlheimat übrigens noch nicht viel gesehen. „Zum Sightseeing war noch nicht viel Zeit, da geht auf jeden Fall noch mehr“, lacht der selbsternannte Workaholic: „Viel freie Zeit hatte ich in den letzten Monaten noch nicht. Diese Freizeit muss man sich verdienen.“ Und wenn er dann doch mal ein paar Stunden zur freien Verfügung hat, stehen seine Kinder im Fokus. „Wir sind zum Beispiel schon über den Karl-Heine-Kanal gepaddelt. Das war richtig schön.“
Nach einem erfolgreichen Saisonauftakt mit zwei Siegen zahlte sein Team in den vergangenen Wochen jede Menge Lehrgeld und blieb sieben Partien ohne „Dreier“. Zuletzt ergatterten die Meuselwitzer beim 1:1 gegen Halberstadt wenigstens einen Zähler. Für den Coach kommt die aktuelle Schwächephase nicht überraschend. „Wir haben ein junges Team und mitten im Umbruch, da sind Schwankungen ganz normal. Schließlich mussten wir zehn neue Spieler ins Team einbauen. Und wenn dann auch noch erfahrene Leistungsträger ausfallen, wird es schwer“, erklärt er: „Wir haben auch bei den Niederlagen gegen Chemie Leipzig oder Auerbach viele Chancen gehabt, haben sie aber leider nicht genutzt. Da hat uns auch ein bisschen das Spielglück gefehlt, das wir zum Beispiel bei unserem Sieg gegen Cottbus auf unserer Seite hatten.“
Um die zuletzt doch ganz schön anfällige Defensive noch weiter zu stärken, schlugen die Meuselwitzer Ende September gleich doppelt auf dem Transfermarkt zu. Mit Felix Müller kehrte ein Spieler vom Ligarivalen FC Carl Zeiss Jena auf Leihbasis zurück. Außerdem wurde mit dem 25-jährigen Firat Tuncer, der zuletzt beim Regionalligisten SC Fortuna Köln spielte, ein weiterer erfahrener Abwehrspieler verpflichtet. Die Idee ist klar: Einfach weniger Gegentore kassieren, wenn es am kommenden Wochenende mit dem zehnten Spieltag in der Regionalliga Nordost weitergeht – dann muss man am Freitagabend, 16. Oktober, zu Babelsberg 03. Und das mit den bis dato 17 Gegentreffern ist schon eine Baustelle …
Nach den punktemäßig wenig ergiebigen vergangenen Wochen gilt es jetzt „endlich wieder zu ernten“, blickt Koray Gökkurt auf die kommenden Wochen voraus. Und er ist davon überzeugt, dass sich sein Team in den kommenden Wochen auch für seine guten Leistungen belohnen wird. „Wir haben unglaublich viel Mentalität auf dem Platz. Jetzt muss sich das Spielerische entwickeln. Das ist ein Prozess. Unser Ziel ist es, die jungen Spieler besser zu machen.“
Schon die ersten Monate hätten gezeigt, dass alle Mannschaften mit Leistungsschwankungen zu kämpfen haben. Da sei seine Mannschaft keine Ausnahme. „Die Liga wird bis zum Schluss eng bleiben. Unser Traum ist es, am Ende auf Platz 9 anzukommen.“ Die nächsten Punkte auf dem Weg zum angepeilten einstelligen Tabellenplatz sollen am Freitag, 16. Oktober, beim SV 03 Babelsberg eingefahren werden. Wegen der Länderspielpause ist an diesem Wochenende spielfrei. Vielleicht bleibt für Koray Gökkurt an diesem Tagen etwas Zeit, die fußballfreien Seiten seiner neuen Wahlheimat etwas näher kennenzulernen. Andreas Neustadt