Rund 50 Jahre ist es her, dass Schlagersänger Ingo Graf mehrere Schallplatten herausbrachte. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Er war der Rex Gildo des Ostens: Ingo Graf (79). Jahrelang sang er sich zum Beispiel mit „Bravo Bambina“ in den Goldenen Schlager-Sechzigern und -Siebzigern in die Herzen der Fans. Heute bevorzugt er private Wohnzimmerkonzerte. In wenigen Tagen feiert die Leipziger Musikerlegende ihren 80. Geburtstag.

70 Treppen (und kein Fahrstuhl) führen hinauf in sein Wohlfühlnest unter dem Dach eines Bürgerhauses im Leipziger Musikviertel. Auch mit knapp 80 steckt der singende Senior sie noch locker weg. Täglich. Stillsitzen ist nicht so sein Ding. Der Rhythmus in seinem Blut treibt ihn an, hält ihn jung.

Gern schmettert er im Wohnzimmer Schlager für seine Monika (68), mit denen er berühmt wurde. Dann singt er eigene Titel, wie „Versuch’s noch mal mit mir“ oder „Allein wirst du das Glück nicht finden“. Doch auch Chansons, Jazz und Filmmusiken gibt er für seine Beste zum Besten, mit der er seit knapp 40 Jahren glücklich zusammenlebt.

Die Schlagerkarriere kennt sie nur noch aus seinen Erzählungen. Denn sie begann bereits Mitte der 1960er-Jahre. Da trat Hartwig Runge, wie er im richtigen Leben heißt, in der legendä­ren Fernsehtalente-Show „Herzklopfen kostenlos“ auf und begeisterte das Publikum.

Der Mathelehrer ließ daraufhin Zahlen und Formeln sein und besang lieber die Liebe. Er wurde vor allem von den Frauen als Rex Gildo des Ostens vergöttert. Die Schallplattenfirma AMIGA hatte deshalb den Hit „Bravo Bambina“ des West-Schmusesängers sogar neu für Ingo Graf produziert. 1967 erhielt er eine eigene Schlagershow im DDR-Fernsehen.

Drei Jahre moderierte und sang er sich durch die Sendung, die jeden Monat in einer anderen Stadt zu Gast war. „Dann wollte man sie ins Studio verlegen und als Hitparade starten lassen“, erinnert sich der Schlagersänger, der zugleich immer ein Schöngeist war. „Ich wollte kein Marktschreier auf der Mattscheibe sein und gab deshalb die Sendung ab“, begründet er das TV-Aus. Danach konzentrierte er sich auf Auslandsgastspiele. „Ich reiste mit dem Orchester Alfons Wonneberg durch 25 Länder auf vier Kontinenten“, denkt Ingo Graf zurück.

Auf dem Höhepunkt seiner Karriere entschied er sich Mitte der 1970er-Jahre für den Ausstieg aus dem Schlagergeschäft und wurde wieder Lehrer. „Man soll ja gehen, wenn es am schönsten ist“, meint er und hat den Schritt bis heute nicht bereut.

Einmal im Jahr trifft er sich mit dem harten Kern ostdeutscher Schlagersänger und schwelgt mit ihnen gemeinsam in Erinnerungen. Die werden auch beim 80. Geburtstag eine große Rolle spielen. Dann erzählt der Sänger mit seiner für ihn typischen kalauernden Art im Bayerischen Bahnhof Geschichten aus dem Leben. Und jeder der rund 40 Gäste bekommt eine eigene „Ingografie“ unter dem Titel „Ein Jahr ist ein Hauch“ mit auf den Weg. So, wie einer der erfolgreichsten Hits von Ingo Graf heißt, wovon er auch als altgedienter Lehrer und Philosoph so manches Lied singen kann.

Thomas Gillmeister

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