Eine angepasste Geschwindigkeit ist das wirksamste Mittel gegen Wildunfälle in der dunklen Jahreszeit.Foto: Kapuhs/Deutscher Jagdverband

REGION. Alle zweieinhalb Minuten kollidiert in Deutschland ein Reh, Wildschwein oder Hirsch mit einem Fahrzeug. Und die Zahl der Wildunfälle nimmt weiter zu. Im vergangenen Jahr wurden in Sachsen nach Angaben des Statistischen Landesamtes in Kamenz 12.689 Zusammenstöße und damit 580 mehr als im Jahr zuvor registriert.

Spätestens mit dem Zurückstellen der Uhren am vergangenen Wochenende ist es bereits im Berufsverkehr zappenduster auf den Straßen. Allein schon dieser Umstand lässt bei einer Fahrt über Land und insbesondere durch Waldgebiete das Risiko, in einen Wildunfall verwickelt zu werden, um ein Vielfaches ansteigen. Doch es kommen weitere Faktoren hinzu, die es Kraftfahrern in diesen Tagen angeraten lassen, im eigenen Interesse besonders gefühlvoll mit dem Gaspedal zu hantieren. „Im Colditzer Forst etwa, der im Bereich der Wildunfälle aufgrund seiner Waldkompaktheit einen besonderen Schwerpunkt bildet, läuft derzeit die Damwildbrunft auf Hochtouren, was mit einer zusätzlichen Aktivität der Tiere verbunden ist“, erklärt Olaf Kroggel, Vize im Kreisjagdverband Muldental. „Hinzu kommt, dass das Wild nach dem Einbringen der Ernte kein Futter mehr auf den Feldern findet und sich in den Wäldern verstärkt auf Nahrungssuche begibt.“
Der Bennewitzer Jäger legt Kraftfahrern wärmstens ans Herz, das Tempo in der dunklen Jahreszeit zu reduzieren, wenngleich er nach eigener Aussage wenig Hoffnung hat, dass dieser sein Appell auf allzu viele offene Ohren stößt. „Hinter dem Steuer kommt bei nicht wenigen das Gefühl auf, ein kleiner Schumi zu sein. Dass die damit verbundene erhöhte Gefahr bei einer durchschnittlich zu fahrenden Strecke in keinem Verhältnis zum Zeitgewinn steht, wird darüber leider nur allzu oft ausgeblendet. Hinzu kommt, dass der Mensch dazu neigt sich einzureden, dass Wild-Unfälle eh nur anderen passieren“, so der 46-jährige Waidmann. Dabei brauche man sich nur die Wirkung des Aufpralls eines vergleichsweise kleinen Körpers wie der einer Ente oder eines Waschbären bei Tempo 100 vor Augen zu halten, um sich die Folgen eines Unfalls mit einem Reh oder einem Schwarzwild auszumalen. Eine reduzierte Geschwindigkeit in der dunklen Jahreszeit sei jedoch darüber hinaus auch deshalb angeraten, weil auf diese Weise das Scannen der Randbereiche während der Fahrt erleichtert werde. „In diesem Zusammenhang macht unter Umständen auch eine Justierung der Scheinwerfer Sinn, um den rechten Fahrbahnrand optimal ausleuchten zu können“, rät Olaf Kroggel.
Apropos Technik: Selbige wird von den Waidmännern auch präventiv zum Einsatz gebracht, um das Wild vom Überqueren der Straßen abzuhalten. Entgegen einer aktuellen Studie, die die Sinnhaftigkeit blauer Wildwarn-Reflektoren an Straßenleitpfosten in Zweifel zieht, ist der Muldentaler Jagdverbands-Vize von deren Wirkung überzeugt. „Blau ist nachgewiesenermaßen die Schreckfarbe schlechthin für Reh-, Hirsch- und Schwarzwild, die demgegenüber Rot und Grün nur als Grautöne wahrnehmen“, erläutert Kroggel, der sich im Praxistest von der Wirksamkeit der blauen Reflektoren hat überzeugen lassen. „Auf der
B 107 im Bereich zwischen Schmölen und Pausitz hat sich vor der Montage alljährlich ein gutes halbes Dutzend Wildunfälle ereignet, danach kein einziger in den vergangenen beiden Jahren mehr, dafür aber einer zehn Meter hinter dem letzten Reflektor.“
Von einer flächendeckenden Ausrüstung sei man im Landkreis Leipzig allerdings noch weit entfernt. „Das ist schließlich auch ein finanzielles Problem“, gibt Olaf Kroggel zu bedenken. „Ein ganzes Stück weiter in diesem Bereich wären wir, wenn sich die Versicherungswirtschaft, die ein großes Interesse an der Reduzierung von Wildunfällen haben sollte, an den Kosten beteiligen würde, die in der Regel mit Stand heute zu 100 Prozent von den Jägern und den Jagdgenossenschaften getragen werden“, so der Bennewitzer Waidmann, der Kraftfahrern noch einen letzten Tipp mit auf den Weg gibt. Denn weit verbreitet sei die Annahme, dass das Wild insbesondere bei hohem Verkehrsaufkommen aufgeschreckt und zum Überqueren der Straße animiert werde. Dabei sei eher das Gegenteil der Fall. „Die Gefahr beim Durchfahren von Waldgebieten ist für Kraftfahrer bei Dunkelheit besonders hoch auf gering befahrenen sowie zu später Stunde auf tagsüber stark frequentierten Straßen.“ Roger Dietze

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