Leipzig. Normalerweise wäre in diesen Tagen richtig was los im Museumsbahnhof Leipzig-Lindenau: Mit dem Frühling heißt es „Freie Fahrt“ für die Züge des Vereins Museumsfeldbahn und dies auf der Strecke hin zu den Schönauer Lachen. In Zeiten der Corona-Pandemie ist daran aber nicht zu denken, was nun aber nicht heißt, dass man die Hände in den Schoss legt.
Zu tun gibt es immer irgendwas – eine alte Weisheit, die noch einmal an Tragweite und Relevanz gewinnt, wenn man 19 Lokomotiven, gute sechs Dutzend Waggons, einen Eimerkettenbagger und einen kompletten Bahnhof inklusive Lokschuppen und Werkstatt sein eigen nennen kann. Deshalb steht Joachim Faber an der gewaltigen Presse und prüft mit genauen Blicken die Ergebnisse seiner Arbeit am zentimeterdicken Stahlblech. Nein, so ganz stimmt die Rundung noch nicht, so der kritische Kommentar. Ein paar Arbeitsgänge später wird klar, was damit gemeint ist: Die beiden echt stabilen und mithin ganz schön schweren Teile sollen Platz finden an der Kupplung der altehrwürdigen Dampflok GMH aus dem Hause Hanomag, eins vorne, eins hinten. Ein Vorgang, der einiges aussagt über die tiefe Leidenschaft der Vereinsmitstreiter, wenn es um das Thema Feldbahn geht – eigentlich waren ja ähnliche Teile schon dran an der Lok, „aber die sehen doch nach nichts aus“. Wenn schon, denn schon …
Man macht im Museumsbahnhof Leipzig-Lindenau aus der Not eine Tugend. Gezwungenermaßen. An Fahrten von Lindenau zu den Schönauer Lachen, auf den historischen Spuren von Karl Heine und der einstigen Kiesbahn, ist derzeit nicht zu denken. Planungen liegen dementsprechend auch auf Eis, was nun aber nicht bedeutet, dass die Feldbahner nicht startklar wären: Gibt es grünes Licht von der Politik, werden die Züge auch umgehend wieder rollen – wenn die Gleise wieder liegen.
Denn wie schon gesagt: Die erzwungene Pause wird genutzt, gleich hinter der Werkstatt findet sich eine große Baustelle. Mit der Unterstützung der Auszubildenden der Firma Strabag-Rail werden Gleisbett und Schwellen erneuert. Wie dies dann aussieht, zeigt Joachim Faber (der ohnehin als „Greenkeeper“ des Vereins gegen den Pflanzenwuchs im Gleisbett angeht) gleich neben der Werkstatt – fein in Reih und Glied liegen die erneuerten Bahnschwellen, die aus dem großen, vereinseigenen Bestand kommen, fein gebettet in frischen Schotter. Wie aus dem Bilderbuch. Mit einem versonnenen Lächeln überlegt er: „So viel wie in den letzten Monaten haben wir lange nicht mehr gemacht.“ Nächstes Beispiel: Der Personenwagen aus der Gießerei Bern, Baujahr 1906, einst unterwegs auf der Wengernalpbahn und zwischenzeitlich sogar mal als Hühnerstall gebraucht, wurde aufgemöbelt, nun fehlen nur noch einige Fenster und Türen.
Wenn dann noch Zeit bleibt, wird die gern in die erwähnte Hanomag gesteckt und dies schon seit zwei Jahren. „Das war mal eine echte Schnapsidee zu Himmelfahrt“, erzählt Joachim Faber. Runde 25 Jahre stand die Dampflok aus dem Jahr 1928 einfach rum – nach einer durchaus bewegten Geschichte. Gebaut wurde das Modell mit seiner spartanischen und geradezu rudimentären Ausstattung als „Arbeitstier“ auf kürzesten Strecken – in diesem speziellen Fall im Stahlwerk Georgsmarienhütte, Nummer 3, um ganz genau zu sein. Schlackefahren. Ein harter Job auch für eine Lok, berichtet er: „Wenn was auf dem Gleis lag, stand die Lok auch schon mal quer.“ Und er zeigt auf jene Beulen und Dellen, die diese Zeit an der Hanomag hinterlassen hatte. Immerhin – als Ausgleich durfte sie in den 80-er Jahren auch einige Zeit als Denkmal reüssieren, vor der Hanomag-Verwaltung in Hannover-Linden.
Inzwischen sieht man dies alles der Dampflok kaum noch an. Oder um es mal mit Joachim Faber zu sagen: „Früher hatten wir mal drei Kisten Zeug von der Lok, jetzt ist es nur noch eine.“ Der Rest hat seinen angestammten Platz gefunden. Und was noch fehlte, wurde kurzerhand nachgebaut – ja, der Alltag im Museumsbahnhof dürfte jeder Schrauberin, jedem Schrauber das Herz erwärmen. Selbst einen kleinen filmischen Scherz konnte man schon erlauben: Kurzerhand wurde in der Lok ein kleines Feuerchen entfacht und mit ein paar angehängten Wagen auf die vereinseigene Strecke geschoben. Das Video mit der Hanomag unter Dampf schlug unter Bahn-Fans hohe Wellen, erzählt der Lok-Schrauber lächelnd: „Die wollten alle wissen, ob sie jetzt wieder fahren kann.“
Kann sie? Nein, da kommt ein Kopfschütteln. Den Kessel, naja, den könne man schon noch hinbekommen zur Not, „aber das Fahrwerk ist das Problem“. Was aber nichts an der Genauigkeit ändert, mit der man an dem guten Stück schraubt: Immerhin ist die Hanomag schon irgendwie das schicke Aushängeschild des Vereins, Exot unter all den kleinsten, kleineren und etwas größeren Dieselloks. Die aber dann am Ende des Tages doch Arbeit machen an den Fahrtagen (die ja hoffentlich mal wieder kommen werden) und deshalb ebenfalls ihre Aufmerksamkeit haben wollen: „Mal geht der Tank kaputt und der Sprit läuft aus, mal ist was mit der Bremse und mal streikt der Anlasser. Und das alles an einem Tag.“ Dem Lachen, mit dem Joachim Faber dies quittiert, kann man eines entnehmen – eigentlich schön, dass es immer wieder was zu tun gibt …
Jens Wagner
Infos: www.museumsfeldbahn.de