Altenburg. Den meisten Skatstädtern ist es wohl bekannt – das Paul-Gustavus-Haus in der Altenburger Wallstraße, jenes architektonisch so auffällige Gebäude, dessen beeindruckende Fassade sich am besten von der Ringstraße aus in der Draufsicht inspizieren lässt. Und manch älterer Bewohner der Stadt erinnert sich womöglich sogar noch an seine letzten Einkäufe hier, als das Erdgeschoss bis ins Jahr 2001 hinein ein damals bekanntes Fachgeschäft für Farben, Lacke und Tapeten beherbergte.
Seit diesen Zeiten hat sich viel verändert, zunächst aber zog gespenstische Ruhe ein. Doch auf einen längeren und beklagenswerten Leerstand folgte nahezu ein kleines – oder muss man eher sagen: sogar ein größeres – Wunder. Im Herbst 2009 war das bereits seit 1980, also noch zu DDR-Zeiten unter Denkmalschutz stehende Gebäude im Rahmen der vielgestaltigen Angebote Altenburgs zum damaligen „Tag des offenen Denkmals“ erstmals für Interessierte zugänglich.
Und das Interesse, ja das Erstaunen bei einigen der Besucher war derart groß, dass sich noch im selben Jahr ein Verein gründete, der sich die Rettung und Wiederbelebung des 1904/1905 erbauten Hauses und damit eine sinnvolle Neunutzung auf die Fahnen geschrieben hatte.
Seitdem also existiert jener Förderverein Zukunftswerkstatt Paul-Gustavus-Haus e. V. – und hat sich in den zurückliegenden mehr als zehn Jahren seines Wirkens einen derart klangvollen Namen in der Stadt und längst auch weit darüber hinaus erworben, dass man mittlerweile getrost davon ausgehen kann: das Paul-Gustavus-Haus ist in der Gegenwart nicht nur als prägendes Baudenkmal in der Wallstraße bekannt, sondern (vor allem) als ein Treffpunkt, als ein Ort der Kommunikation und des Miteinanders – und vor allem auch als ein wichtiges Veranstaltungszentrum der Skatstadt, in das regelmäßig sehr breit gefächerte Offerten von Kunst, Kultur, Literatur und Musik hineinlocken.
Dass das Paul-Gustavus-Haus inzwischen viel mehr als „nur“ ein Geheimtipp ist, davon zeugt auch das Interesse und tätige Engagement der Thüringer Staatskanzlei, die mit der Förderung der ersten hauptamtlichen Stelle an diesem Ort das mannigfache ehrenamtliche Wirken der hier seit Jahren tätigen Aktiven anerkennt und damit gleichermaßen ihren Beitrag leistet für den Erhalt und die kulturelle Belebung des stadtbildprägenden Kulturdenkmals, das auf dem besten Weg ist, sich zu einem soziokulturellen Zentrum zu entwickeln beziehungsweise diesen Charakter weiter auszubauen.
Constance Böhme heißt die junge Frau, die eben jene vom Land geförderte Stelle als Projektmanagerin beim Förderverein seit März inne hat und sich seitdem in einen arbeitsintensiven Alltag zwischen Vereins- und Projektorganisation, Fördermittelakquise, Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit gestürzt hat. Ihr großer Vorteil dabei: Freunde des Hauses kennen Constance Böhme seit Langem als ambitioniertes Vereinsmitglied – und eigentlich kann man die heute 42-Jährige getrost (mit) als „Frau der ersten Stunde“ bezeichnen.
Nach der hier bereits erwähnten Initialzündung im Nachklang des „Tages des offenen Denkmals“ 2009 und der nachfolgenden Vereinsgründung ging das Haus 2010 dank intensiver Vermittlung und Unterstützung der in Sachen Denkmalschutz so verdienstvollen Altenburgerin Maria Kühl ins Eigentum des Vereins über, die eigentliche Arbeit begann.
Constance Böhme wurde bereits 2011 Vereinsmitglied, arbeitete später bis 2019 im Vorstand mit. Und begleitete das nun seinen Weg nehmende Schicksal des Gustavus-Hauses in diesen Jahren immer mit Herzblut, aber auch mit unterschiedlichsten Initiativen und Hilfestellungen.
Nach ihrem Abitur in der Skatstadt war die Skatstädterin nach Dresden gezogen, studierte dort Französisch, Ethik und Deutsch mit dem Ziel, später ins Lehramt zu gehen. Eine Absicht, die sie mit dem Staatsexamen verwarf und sich schließlich doch ihrem ursprünglich avisierten Berufsweg, nämlich Kulturmanagement zu studieren, zuwandte.
Im Verlauf ihrer Studienjahre in Dresden engagierte sich die immer schon kulturell Interessierte (während ihrer Altenburger Schulzeit hatte sie bis 1997 im Extrachor des Theaters mitgewirkt und gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Vereins „Narrenschiff“) bei vielerlei Veranstaltungen in der Elbestadt. „Ich hatte zahlreiche Kontakte zum Staatsschauspiel, zur Musikhochschule, zur Kulturszene der Dresdner Neustadt“, erinnert sie sich an jene Zeit.
Nach der gefällten Entscheidung, nicht Lehrerin werden zu wollen, ging sie in Festanstellung bei einer Dresdner Event-Agentur, kümmerte sich dort um Marketing, Konzeption und die Durchführung von Veranstaltungen und wagte 2011 mit der Gründung einer eigenen kleinen Agentur den Sprung in die Selbstständigkeit.
„Mit dieser betreute ich Musiker und Nachwuchs im Bereich Jazz, Rock und Pop – und diese damals entstandenen Kontakte kamen mir schließlich auch immer wieder zugute, wenn ich Künstler hier nach Altenburg in unser Paul-Gustavus-Haus vermitteln konnte. So unter anderem die Staidl-Combo, eine lustige Jazz-Polka-Comdedy-Gruppe“, benennt unsere Gesprächspartnerin ein Beispiel für solche geglückte Symbiose zwischen dem Wirken in Dresden und jenem in Altenburg, auf die sie mit einem besonderen Leuchten in ihren Augen zurückschaut.
Was sie in jener Zeit des Pendelns zwischen der Elbe- und der Skatstadt und im Rahmen ihres Sich-Einbringens in die Vereinsarbeit besonders merkt: „Neben jenen Veranstaltungen, von denen wir anrissweise hier gesprochen haben, war es vor allem so, dass ich mehr und mehr spürte, wie sehr mich die Öffentlichkeitsarbeit interessierte.“
Und so fügt es sich beinahe als Glücksfall, dass Constance Böhme diesem Faible in ihrer Stelle als Projektmanagerin nun ganz besonders intensiv nachgehen kann. Es juckt ihr förmlich in den Fingern, dass es nun – zumindest zaghaft – wieder losgehen kann mit dem öffentlichen Leben im Gustavus-Haus. Denn nur einen Tag vor dem offiziellen coronabedingten „Lockdown“ in Thüringen hatte ihr Arbeitsvertrag begonnen, mit der Folge, dass die Türen in der Wallstraße ab dato erst einmal verschlossen bleiben mussten, zumindest für jegliche Gäste und Besucher, für Künstler, Literaten, Schauspieler – für all jene also, die sich sonst bislang hier die Klinke in die Hand gaben, seitdem das Paul-Gustavus-Haus ein Ort der Kommunikation und für Veranstaltungen ist.
Hinter den Schaufensterscheiben, die über Wochen in ungewohnter Weise nur Aushänge mit der Bekanntgabe der demnächst ausfallenden Veranstaltungen zierten, saß über Wochen nahezu alleine Constance Böhme mit ihrem mobilen Büro, Laptop und Telefon – und arbeitete sich trotz aller höchst widrigen Umstände drumherum in ihre neue Stelle ein. Schmiedete gemeinsam mit dem Vereinsvorstand Pläne, orientierte sich in die verschiedensten Richtungen auf der Suche nach weiteren Fördermöglichkeiten, widmete sich intensiv so manchen Überlegungen zur fortschreitenden Digitalisierung, bereitete Veranstaltungen vor, die terminlich zu diesem Zeitpunkt und teils bis heute in noch ungewisser Zukunft liegen, denn niemand weiß bislang, wie sich die Pandemie entwickeln wird und welche Auflagen für Veranstaltungen möglicherweise wann wieder gelockert oder aufgehoben werden könnten.
„Kleinere Aktionen, wie beispielsweise jene beim Bündnis ‚Die Vielen‘ haben wir auch zu dieser Zeit mit begleitet, ich habe auch versucht, Onlineveranstaltungen zu organisieren und zu besuchen und unsere 106 Mitglieder und die Freunde und Partner des Gustavus-Hauses per Newsletter auf dem Laufenden – und damit bei uns – zu halten. Und habe bei vielen dieser ersten Aktivitäten in meinem neuen Status als Projektmanagerin auch gemerkt, dass es durchaus etwas anderes ist, statt als langjährige Ehrenamtliche wie zuvor plötzlich als Hauptamtliche Verantwortung zu tragen und auch Entscheidungen zu treffen.“
Nach diesen Wochen, Wochen, Wochen des beinahe „Einsam-Seins“ in den Mauern des Paul-Gustavus-Hauses, das bei Einheimischen und Freunden oftmals übrigens schlicht „PGH“ genannt wird, freute sich Constance Böhme vor allem über erste Lockerungen.
Seit Juni darf der wöchentliche sonntägliche Kaffeeklatsch zumindest wieder stattfinden, freilich unter strenger Einhaltung all der im selbst erarbeiteten Hygienekonzept aufgelisteten und allerorten aushängenden Corona-(Abstands-)Bestimmungen. Und ein Lichtblick für alle war das kürzlich veranstaltete, traditionelle Sommerfest, das zwar im Vergleich zu den zurückliegenden Auflagen deutlich bescheidener ausfallen musste (und folgerichtig das Motto „Pauls kurioser Maskenball – mit Abstand der Beste“ erhalten hatte), aber endlich für einen Nachmittag und Abend, wenn auch auf einige Distanz im Miteinander, all die Freunde und Anhänger des Gustavus-Hauses zueinander brachte.
Und so hofft Constance Böhme inständig darauf, dass bald wieder etwas mehr möglich sein könnte. „Wir machen in diesem Jahr keine richtige Sommerpause, sondern werden beispielsweise auch anno 2020, so wie seit Jahren, unsere Kooperation mit dem Weimarer „Yiddish Summer“ fortführen, für den wir im vierten Jahr in Folge als Außenspielstätte agieren. Eine Veranstaltung ist im August geplant.“
Weiterer Lichtblick in noch unsicheren Zeiten: Natürlich ist das „PGH“ auch in diesem Jahr erneut beim „Tag des offenen Denkmals“ am Sonntag, dem 13. September, mit dabei und öffnet seine Türen. Ehrensache! Denn schließlich schlug bei einem solchen Anlass die Geburtsstunde für das heutige soziokulturelle Zentrum der Skatstadt, das jedermann offen steht. Willkommen also im neuen Zeitalter der einstigen Malzkaffeefabrik! Ralf Miehle
Weitere Informationen unter www.gustavushaus-altenburg.de