
Der schmale Holzkahn schwankt bedenklich hin und her. In dem Bötchen sitzen Matilda und Experte Matthias Benn und sprechen über die Ernährung der Bewohner im Mittelalter. Die Zwölfjährige trägt ein gelbes Filzkleid und Lederpantoffeln, ist im Stil der Menschen von damals gekleidet. Matilda ist heute als Kinderreporterin im Einsatz. Der Beitrag, der im bayrischen Geschichtspark Bärnau-Tachov gedreht wird, ist später in der Sendung „1, 2 oder 3” im ZDF-Kinderfernsehen zu sehen.
Für Matilda ist der Dreh eine aufregende Sache. Immerhin schlüpft die Schülerin aus Großsteinberg bei Naunhof nicht jeden Tag in die Rolle einer Reporterin, muss sich Fragen überlegen und vor einer Kamera performen.

Matilda aus dem Muldental war für das ZDF als Reporterin im Geschichtspark Bärnau unterwegs.
Foto: privat
Als die Produktionsfirma Anfang des vergangenen Jahres bei ihr anklopfte, hatte sie zunächst Zweifel. „Am Anfang war ich mir nicht ganz sicher, ob ich das machen soll”, sagt sie. Auch Mama Alexandra war zu Beginn skeptisch. „Wir kennen unsere Tochter am besten und wissen, sie ist eher ruhig und zurückhaltend”, sagt sie. „Wir waren überrascht, als sie sagte, da habe sie Lust drauf.”
Dreh im Geschichtspark Bärnau-Tachov in Bayern
Zur Vorbereitung bekam die Siebtklässlerin ein Textbuch zugeschickt, das sie genau studieren sollte. An einem schulfreien Freitag im Oktober setzte sich die Familie zweieinhalb Stunden ins Auto und fuhr in den Geschichtspark an der deutsch-tschechischen Grenze. Vor Ort schaute sich Matilda zunächst um und lernte den Mittelalterexperten Matthias Benn kennen, den sie später interviewen sollte. Dann hieß es: Kamera ab! „Wir haben die Szenen durcheinander gedreht und nicht in einer bestimmten Reihenfolge”, so die Kinderreporterin.
Matilda sollte sich grob an den vorgegebenen Text halten, durfte aber auch ein bisschen davon abweichen, „damit es natürlicher wirkt”. Ihr mittelalterliches Outfit war für die herbstlichen Temperaturen nur bedingt geeignet. „Mir war kalt an den Füßen”, gibt sie zu. Auch die Szene in dem wackeligen Kahn war eine echte Herausforderung. „Es war nicht sehr gemütlich in dem Boot.”
„Wir haben die Szenen durcheinander gedreht und nicht in einer bestimmten Reihenfolge.”
Manche Szenen mussten wiederholt werden, weil Matilda oder der Mittelalter-Fachmann sich versprachen oder einer plötzlich anfing zu lachen. Das Ganze habe ihr aber trotzdem Spaß gemacht, sagt sie, obwohl sie im Vorfeld ordentlich Lampenfieber hatte. „Als wir die ersten paar Szenen gedreht hatten, ging es eigentlich.” Auch wenn sie kein besonderes Faible für das Mittelalter habe, sei es toll gewesen, „Leute kennenzulernen, die sich damit auskennen”. Ihr Wissen habe sich dadurch schließlich erweitert.
Fernsehfirma suchte Schüler in der Theater-AG
Für Matilda ist es bereits das zweite Mal, dass sie vor der Kamera steht. Einige Monate zuvor war sie in der Sendung „1, 2 oder 3” zu sehen, die sich um Fußball drehte. Die Gelegenheit dazu ergab sich, weil die Zwölfjährige Mitglied in der Theater-AG am Freien Gymnasium in Naunhof ist. Die Fernsehfirma, die die Sendung für das ZDF produziert, suchte nämlich genau dort nach neuen Talenten. Für die erste Anfrage des Teams wurden Schülerinnen und Schüler gewünscht, die auch sportlich aktiv sind. Matilda spielt Volleyball und trainiert Leichtathletik. Für Fußball hat sie zwar keine besondere Leidenschaft, aber die Freude am Sport allgemein genügte.

Und so fuhr sie im März 2024 für das ZDF zu einem Spiel von RB Leipzig gegen Darmstadt ins Stadion der Messestadt und begleitete dort Fernsehreporter Alexander Ruda bei seiner Arbeit. Matilda schaute sich das Spiel an und interviewte im Anschluss unter anderem den RB-Trainer Marco Rose. Bei den Dreharbeiten im Stadion waren auch ihre Eltern dabei: „Wir waren aufgeregter als Matilda”, sagt Mama Alexandra und lacht.
Matildas Eltern haben mit Fernsehen beruflich nicht viel am Hut. Der Vater ist Lehrer, die Mutter arbeitet im Online-Marketing und verkauft Metalldetektoren. Neulich wurde sie als Expertin für diese Detektoren mal Sat1-Frühstücksfernsehen interviewt, erzählt sie. Allzu wohl gefühlt habe sie sich dabei allerdings nicht.
Familie unterstützt die TV-Vorhaben
Die Familie, zu der auch noch eine neunjährige Schwester gehört, unterstützt Matilda bei ihren TV-Vorhaben. Die Eltern sind bei den Online-Meetings mit dem Fernsehteam dabei, fahren sie zu den Drehorten. Die 50 Euro Aufwandsentschädigung, die Matilda für ihren Einsatz bekommt, wandern auf ihr Sparkonto.

Als der erste Beitrag ausgestrahlt wurde, sahen viele ihrer Freunde und Mitschüler Matilda im Fernsehen. Einige schickten ihr Screenshots aus der Sendung, einmal wurde sie sogar im Freibad angesprochen. Bei der Aufzeichnung der ersten Sendung fuhr Matilda auch mit ins Studio nach München. „Wir haben eine Führung durch das Studio bekommen”, berichtet sie. Später traf sie auch den Kindersendungsmoderator Elton und nahm eine signierte Autogrammkarte als Erinnerung mit nach Hause.
Lieblingsfächer sind Kunst, Deutsch und Sport
Wenn sie nicht gerade fürs Fernsehen unterwegs ist, führt Matilda ein ganz normales Leben im beschaulichen Großsteinberg, wo die Familie vor drei Jahren ein Haus gebaut hat. Morgens fährt sie meist selbst mit dem Rad zu ihrer zweieinhalb Kilometer entfernten Schule in Naunhof. Ihre Lieblingsfächer sind Kunst, Deutsch und Sport. Auf die Frage, ob sie eine gute Schülerin sei, nickt Matilda etwas verschämt. Auf ihrem Zeugnis stehen bisher nur Einsen und Zweien. Dafür lerne sie aber auch viel. In ihrer Freizeit malt und bastelt sie gern.
Welcher Aufwand hinter einem Drei-Minuten-Beitrag für eine Fernsehsendung steckt, das weiß sie nun genau. Künftig will sie weiter als Kinderreporterin für verschiedene Themen im Einsatz sein. Ob sie später mal beruflich vor der Kamera stehen will, das weiß Matilda aber noch nicht so genau. Gina Apitz