Refendarin Emely Jonszta wurde mit dem Start-Trainingspreis für ihre Lehrmethoden ausgezeichnet.
Refendarin Emely Jonszta wurde mit dem Start-Trainingspreis für ihre Lehrmethoden ausgezeichnet.

Unterricht vorbereiten, Kindern Wissen vermitteln – und dabei ernst genommen werden. Für viele Lehramtsstudierende in Sachsen ist die Frage, ob sie wirklich vor einer Klasse stehen können und wollen anfangs nicht eindeutig zu beantworten. Die Praxisanteile im Studium beschränken sich auf wenige Wochen. Bei Emely Jonszta war das anders. Die angehende Lehrerin hat während des Studiums bereits regelmäßig unterrichtet, eine erste Klasse begleitete die 24-Jährige sogar ein ganzes Schuljahr hindurch.

Möglich wurde das durch das sogenannte Start-Training, über das Schulen Lehramtsstudierende über einen längeren Zeitraum beschäftigen können – als eine Art Co-Lehrer, der auch eigene Stunden vorbereitet. Das Zentrum für Lehrer:innenbildung und Schulforschung fördert innovative Konzepte – und prämiert einzelne Leistungen sogar.

Emely Jonszta mit ihrer Auszeichnung
Emely Jonszta mit ihrer Auszeichnung

Für ihr Projekt „Spielerisch zum Wortschatz” wurde Jonszta kürzlich gemeinsam mit anderen sächsischen Lehramtsstudierenden ausgezeichnet – eine zusätzliche Anerkennung für ihre Arbeit. Jonszta hat sich auf Förderschulpädagogik für die Grundschule spezialisiert. Ihr Training hat sie deshalb an der Förderschule „Käthe Kollwitz” angeboten, einer Grundschule im Leipziger Osten mit dem Förderschwerpunkt Sprache.

Erste Klasse wird ein Halbjahrlang begleitet

Zuletzt unterstützte sie die Lehrerin einer ersten Klasse ein Halbjahr lang, und zwar in einer sogenannten Dehnklasse. Dort wird den Schülern der Stoff der ersten Klasse auf zwei Schuljahre verteilt vermittelt, „damit sie am Ende der Klasse eins auch wirklich lesen und schreiben können”, erklärt Jonszta. In der Klasse sitzen deutsche Kinder mit Sprachdefiziten neben solchen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Eine bunte Mischung an Schülerinnen und Schüler, deren Wortschatz die junge Frau verbessern will. „Viele Schüler konnten sich ganz schwer ausdrücken”, hat Jonszta festgestellt. „Einige haben sowohl in ihrer Muttersprache als auch im Deutschen sprachliche Schwierigkeiten gezeigt.”

Um den Wortschatz der Erstklässler zu erweitern, gestaltete die Studentin wöchentlich eine Stunde, in der sie spielerisch vorging. „Es saßen hier Kinder, die noch Entwicklungsrückstände und einen großen Bewegungsdrang hatten”, erklärt sie. Viele Schüler konnten sich nur kurze Zeit konzentrieren, ihre Aufmerksamkeit ließ schnell nach. Jonszta griff auf Spiele zurück, die sie aus ihrer Zeit an einer deutschen Schule im Ausland kannte – und passte sie für ihre Zwecke an. Beim Wortschatzbingo etwa wurden saisonale Obst- und Gemüsesorten trainiert und dabei „Artikulation und Rezeption geschult”, erklärt die Studentin.

Feedback von der Lehrerin der Förderschule

Während der Stunde saß die Lehrerin mit im Raum, gab hinterher Feedback und Tipps, was noch verbessert werden könnte. Manche der Spiele wurden gemeinsam weiterentwickelt. „Der Austausch mit ihr war für mich sehr, sehr wichtig”, sagt Emely Jonszta. Auch die Kinder profitierten. Die meisten freuten sich über die Abwechslung und warteten jede Woche auf die nächste Stunde. „Es gab sehr viel positive Resonanz”, sagt sie und lächelt.

Referendarin Emely Jonszta in ihrem Klassenraum.
Referendarin Emely Jonszta in ihrem Klassenraum.

Was der Studentin besonders gut gefiel: „Ich konnte die Kinder über einen längeren Zeitraum hinweg begleiten.” Dadurch beobachtete sie kleine Erfolge bei ihren Schützlingen. Diese Erfahrung habe sie in ihrem Wunsch bestärkt, Lehrerin zu werden – und zwar an einer Förderschule. Doch ist das Frustrationspotenzial dort nicht um einiges höher als einer „normalen” Schule? Emely Jonszta überlegt und sagt dann, dass sie lieber individuell fördern möchte. „Wenn man etwas vielleicht zum vierten Mal erklärt und dann geht bei dem Kind ein Licht auf und seine Augen leuchten – das ist der schönste Moment.”

Das Projekt des Start-Trainings war also eine Art Blaupause, die ihr gezeigt hat, dass sie an einer Förderschule genau richtig ist. Das Training dauert ein Schulhalbjahr, kann aber, wie in ihrem Fall, verlängert werden. Emely Jonszta wertschätzt nicht nur die Erfahrung des Unterrichtens, sondern auch den engen Kontakt zu den Kindern. „Ich war neben der Lehrerin noch eine zweite Ansprechperson.” Schüler kamen mit ihren Problemen zu der Studentin, berichteten ihr teils von familiären Schwierigkeiten, etwa der Trennung der Eltern.

Reguläre Praktika sind zu kurzer Zeitraum

Während ihres Studiums absolvierte Jonszta bereits diverse Praktika an Schulen. Diese dauerten aber jeweils nur vier Wochen. „Eine zu kurze Zeit”, sagt sie klipp und klar. Das Start-Training war nun ihr erster richtiger Versuch, die Rolle als Lehrerin auszuprobieren – mit Erfolg.

Dass Jonszta irgendwann einmal vor einer Klasse stehen will, war ihr zu Schulzeiten noch nicht klar. Sie wächst in Chemnitz auf. Beide Großeltern sind Schulleiter und lieben ihren Job. „Durch sie wurde ich für den Beruf schon ein bisschen sensibilisiert”, sagt die Leipzigerin rückblickend. „Ich wusste aber lange nicht, ob ich vor der Klasse stehen kann und das auch mag.” Nach dem Abitur absolviert sie ein sechswöchiges Praktikum in einem deutschen Sprachcamp in Minnesota in den USA. „Dort habe ich 24 Stunden mit den Kindern verbracht und ihnen Deutsch beigebracht.” Im Ausland merkt sie: Das Unterrichten macht sowohl ihr Spaß als auch den Kindern und „es kommt etwas dabei herum”.

An der Förderschule „Käthe Kollwitz” im Leipziger Osten hat Emely Jonszta kürzlich ihr Referendariat begonnen.
An der Förderschule „Käthe Kollwitz” im Leipziger Osten hat Emely Jonszta kürzlich ihr Referendariat begonnen.

Studium Sonderpädagogik an der Uni Leipzig

Jonszta entscheidet sich dafür, Sonderpädagogik zu studieren, „um Kinder zu fördern, die andere Bedürfnisse haben”. Als sie aus den Staaten zurück ist, schreibt sie sich an der Uni Leipzig für das Lehramt Sonderpädagogik an Grundschulen ein mit dem Förderschwerpunkt Lernen, Sprache und Kommunikation. Als Grundschullehrerin unterrichtet sie künftig Deutsch, Mathe, Sachunterricht und Sport. Vor Kurzem hat sie ihr Studium abgeschlossen und hat nun – nach fünf Jahren – das erste Staatsexamen in der Tasche.

Mit dem Studium ist Jonszta rückblickend zufrieden. „Ich habe wichtige theoretische Grundlagen gelernt, die mir weiterhelfen.” Von Anfang an habe es Praxisanteile gegeben. „Man hätte schon zu Beginn feststellen können, das ist gar nichts für mich, ich muss nochmal wechseln.” Allerdings fielen durch die Corona-Pandemie einige Praktika weg. Emely Jonszta arbeitete deshalb freiwillig in einem Feriencamp und half bei der Hausaufgabenbetreuung, um praktische Erfahrungen zu sammeln.

Und als letzte Übung nun das Start-Training – ein „Idealfall, um die Theorie mit der Praxis zu verbinden”, sagt sie. Das Ganze sei eine tolle Möglichkeit, sich auszuprobieren. „Wenn es mal nicht läuft, ist es auch nicht schlimm.” Und: Es ist ein guter Nebenverdienst. Die Stunden werden honoriert.

„Wenn man etwas vielleicht zum vierten Mal erklärt und dann geht bei dem Kind ein Licht auf und seine Augen leuchten – das ist der schönste Moment.“

Obwohl Jonszta zuletzt viel in der Bibliothek büffelte, war sie trotzdem einmal pro Woche in der Schule. Ihre 60-seitige Examensarbeit hat sie inzwischen abgeben – und das Studium mit der Note 1,4 abgeschlossen. Im September hat ihr Referendariat begonnen. Was Emely Jonszta besonders freut: Sie darf den Vorbereitungsdienst an der Käthe-Kollwitz-Schule absolvieren, jener Einrichtung, die sie in den vergangenen Jahren bereits so gut kennengelernt hat. „Das war die schönste Überraschung”, sagt die junge Frau.

An einer Schule in Leipzig einen Platz fürs Referendariat zu bekommen, sei überaus schwierig. An ihrer Wunschschule gefallen ihr das Klima und das Miteinander der Lehrkräfte. „Es hat mir ein sehr gutes Gefühl gegeben.” Auch technisch sei die Einrichtung gut ausgestattet. Ein halbes Jahr lang wird Jonszta nun zunächst hospitieren, danach bekommt sie einen eigenen Lehrauftrag. Nebenher will sie ihr begonnenes Projekt mit dem Hausmeister der Schule fortsetzen. Mit ihm gemeinsam hat sie ihre Sprachspiele materiell weiterentwickelt. Zwei ihrer Ideen werden demnächst in einen Spielekoffer mitaufgenommen, der auch bei der Diagnostik des kognitiven Stands der Kinder eingesetzt wird.

Mit dem Rad zur Schule nach Reudnitz

Jonsztas Alltag hat sich mit Beginn des Schuljahres nun radikal geändert. Statt zu lernen, fährt sie nun täglich mit dem Rad oder der Straßenbahn aus ihrer WG im Norden in ihre Schule nach Reudnitz. Dort steht sie dann vor kleinen Klassen mit maximal zwölf Schülern. Was Jonszta bewusst ist: Einige Kinder haben einen problematischen sozialen Hintergrund. Auch damit müsse sie lernen, umgehen. Wenn man diesen kennt, sei es einfacher, sich einige Verhaltensweisen zu erklären, sagt sie. „Auf der anderen Seite soll jedes Kind auch so wahrgenommen werden, wie es ist und nicht mit dem Rucksack, den es zu Hause vielleicht zu tragen hat.” Sie gibt zu, dass das Ganze „ein Balanceakt und nicht immer einfach” sei.

Wenn die Schüler sprachlich aufholen, können sie an eine Regelschule wechseln. In den unteren Klassen gelinge dies häufig. „In sozialen Prozessen können wir schon unterstützend wirken, aber die Schule kann nicht alles richten”, ist sich Jonszta klar. Was in der Familie passiert, zähle doppelt hinein, glaubt sie. „Zumindest können wir einen Raum für Kinder schaffen, in dem sie sich ausleben können, weiterentwickeln und Stärken finden können.”

Nach dem Referendariat folgt das zweite Staatsexamen. Emely Jonszta will gern in Leipzig bleiben. „Wenn ich Glück habe, werde ich nach dem Referendariat an der Schule übernommen”, hofft sie. Wenn Emely Jonszta nicht im Klassenraum steht, ist sie übrigens eine begeisterte Tänzerin. Salsa und andere lateinamerikanische Tänze lernte sie in Spanien im Auslandssemester kennen – ihre zweite Leidenschaft neben der für die Kinder. Gina Apitz

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