Bernard Liebermann will dem Kabarett aus seinem angestaubten Image heraushelfen.
Bernard Liebermann will dem Kabarett aus seinem angestaubten Image heraushelfen.

Markus Söder, Gerhard Schröder, Philipp Amthor – sie alle bekommen ihr Fett weg, wenn Bernard Liebermann loslegt. Mit seinen 23 Jahren behauptet er, der jüngste Kabarettist Deutschlands zu sein. „Ich bin mir sehr sicher, dass es keinen jüngeren gibt.” Doch vor den alten Hasen muss sich der schlaksige Blondschopf keinesfalls ver­stecken.

Auf der Bühne wirkt der Wahlleipziger routiniert und professionell. So mancher Gag wartet mit einer guten Pointe auf. Seine Themen – die aktuelle Bundespolitik, der Klimawandel oder der Föderalismus – sind indes die gleichen, denen sich die Stars der Kabarettszene widmen.

Dass sein Publikum unentwegt in Lachsalven ausbricht, sei im Übrigen nicht sein Anspruch. Anders als klassische Comedians will Liebermann nicht einfach nur lustig sein, seine Themen sollen eine gewisse Relevanz haben. Deshalb verortet er sich auch im politisch-gesellschaftskritischen Kabarett.

Er wünscht er sich, dass die Zuschauer ihm zustimmen oder eben nicht, oder zumindest sagen: „Das hat mich aufgeregt.” Er hofft, dass sie über das Gesagte nachdenken und sein Auftritt eine Emotion in ihnen hervorruft. Wobei, ein paar Gags fürs Herz gehören schon dazu, findet auch Liebermann. „Wenn man jeden Abend den Saal voll haben will, kann man nicht nur hochintellektuelles Kabarett machen.”

Dem Kabarett ein besseres Image verpassen

Sein hehres Ziel: dieser Form der Kleinkunst aus ihrem angestaubten Image heraushelfen. „Es ist schlimm, dass dieser Ruf dem Kabarett anhaftet – und das oft auch zurecht”, sagt er. Dass Kabarett von vielen jungen Leuten als Altherrenveranstaltung abgetan wird, will Liebermann ändern. „Ich bin eine Jungherrenveranstaltung”, erwidert er lakonisch. Seine Aufgabe sieht er darin, junge Leute fürs Kabarett zu begeistern, „ohne das Stammpublikum zu vergraulen”. Ein Spagat, wie er selbst zugibt. Einer, den er fünf Jahre lang versucht hat – als Mitglied der Leipziger Pfeffermühle.

Der Weg dorthin war zwar gar nicht mal so schwer für den jungen Künstler, aber schon mit einigem Ehrgeiz verbunden. Ein Rückblick: Bernard ­Liebermann wächst in der Kleinstadt ­Meckenheim bei Bonn auf. Als Kind hört er CDs von Heinz Erhardt und Rüdiger Hoffmann – „eine ­Offenbarung”. Künstlerisch-kreativ ist in seiner Verwandtschaft niemand. „Ich komme aus einer Familie von Lehrern und Juristen.”

Seine Eltern beobachten die Interessen ihres Sohnes „leicht verwundert”, lassen ihn aber machen. Als Kind liebt er es, sich zu verkleiden, nicht nur zum Karneval. Für die Geburtstage seiner Oma bereitet er Jahr für Jahr eine Dreiviertelstunde Programm vor. Anfangs führt er alte Sketche von Otto und Heinz ­Erhardt auf, später präsentiert er eigene Texte. „Ich hatte schon immer den Drang dazu, mich ins Rampenlicht zu stellen.”

Eigene Theatergruppe ins Leben gerufen

An seinem Gymnasium gründet Liebermann als Jugendlicher eine eigene Theatergruppe und inszeniert mit 27 Mitschülern eine Adaption der Känguru-Chroniken. Er schreibt dem Autor Marc- Uwe Kling zuvor einen Brief, ob es okay wäre, seinen Text abzuändern. Etwas Eigenes zu präsentieren, ist Liebermann enorm wichtig. „Ich bin kein Schauspieler. Fremder Text ohne Bezug zum Publikum, das gibt mir nichts”, sagt er. Mit 16 entdeckt er seine Liebe zum Kabarett. Da hat er bereits sein Abitur in der Tasche.

„Ich bin eine Jungherrenveranstaltung.”

Während der Schulzeit überspringt Liebermann zwei Klassen und verlässt schon mit 15 Jahren die Schule. Aber das soll man bitte nicht so sehr hervorheben, betont er und grinst. Er formuliert es lieber so: „Ich bin ein bisschen früher aus der Schule rausgekommen und hatte deshalb viel Zeit.”

Denn die Eltern wollen den Sohn erst studieren lassen, wenn er volljährig ist. Also absolviert er erst einen Auslandsaufenthalt in Spanien („eine spannende Zeit”) und tüftelt dann an seinem ersten eigenen Programm mit dem Titel „Der Tag des jüngsten Gerichts”. Im Pantheon Theater in Bonn steht er das erste Mal mit seinen eigenen Texten auf der Bühne. Im Anschluss schreibt er allen Kleinkunstbühnen in Deutschland, dass er ein eigenes Programm auf die Beine gestellt hat und ob sie ihn auftreten lassen wollen. „Die meisten haben mir abgesagt oder gar nicht erst geantwortet”, erinnert er sich.

Die erste Tournee mit 16 Jahren

Doch zehn Theater geben dem Nachwuchs-Kabarettisten eine Chance. „Das war meine erste Tournee”. Der Chef der Leipziger Pfeffermühle antwortet dem damals 16-Jährigen sehr freundlich, dass es vielleicht etwas früh sei, in der Pfeffermühle aufzutreten, er aber gern mal vorbeikommen könne. Liebermann setzt sich also in den Zug nach Leipzig und absolviert drei Wochen lang eine Art Regie-Assistenz.

Dann wird er zur Weihnachtsfeier der Pfeffermühle eingeladen und bekommt kurz darauf das Angebot, ins Ensemble einzusteigen. Da ist er gerade mal 17 Jahre alt. „Meine Eltern sind dann nach Leipzig gefahren und haben für mich den Vertrag unterschrieben.”

In der Leipziger Pfeffermühle steht Bernard Liebermann unter anderem mit Sisi Forster und Meigl Hoffmann auf der Bühne.
In der Leipziger Pfeffermühle steht Bernard Liebermann unter anderem mit Sisi Forster und Meigl Hoffmann auf der Bühne.

Er erarbeitet mit dem Kabarettisten Meigl Hoffmann ein eigenes Stück. Dafür treffen sich die beiden regelmäßig auf einen Kaffee und besprechen Themen, die jeder zu Hause in Textform ausarbeitet und dem jeweils anderen schickt. „Es war eine sehr organische Zusammenarbeit”, sagt Liebermann rückblickend und gibt zu: „Wir haben sehr wenig geprobt.”

Denn gerade das Improvisieren auf der Bühne sei es, was das Live-Erlebnis ausmacht, findet der Künstler. Die kleinen Pannen oder Textpatzer erheitern das Publikum oft am meisten. Spontane Eingebungen gehörten dazu. „Oft schreibt man einen Text und es fällt einem wochenlang nichts Sinnvolles ein und auf der Bühne ergeben sich dann drei neue Pointen”, sagt Bernard ­Liebermann.

Manchmal Auftritte vor fünf Leuten

Doch natürlich sei es ein Riesenunterschied, vor wie vielen Zuschauern man am Abend spielt. Am Anfang habe er jeden Auftrag angenommen, den er kriegen konnte. „Manchmal bin ich durch die halbe Republik gereist und habe vor fünf Leuten gespielt.” Das habe sich auch finanziell kaum gelohnt. Doch es sei eine wichtige Erfahrung gewesen. „Vor einem vollen Saal kann jeder witzig sein”, sagt ­Liebermann. Aber einen Raum mit fünf Leuten so zu unterhalten, dass einige Gäste mit einem leichten Lächeln rausgehen, das sei hohe Kunst.

Im September hat Liebermann das Pfeffermühlen-Ensemble verlassen und konzentriert sich nun auf eigene Projekte. In Weimar hat er im Herbst ein Stadtkabarett gegründet. Das Motto „Urkomisch, musikalisch und hautnah” sei Programm. Neben klassischem Kabarett bringt er dort auch sein Musik-Comedy-Programm „Bla Bla Land” auf die Bühne, das er mit dem Pianisten Thierry Gelloz auf die Beine gestellt hat.

"Ich war schon immer eine Rampensau", sagt Kabarettist Bernard Liebermann.
„Ich war schon immer eine Rampensau“, sagt Kabarettist Bernard Liebermann.

Der kleine Saal fasst maximal 70 Plätze und war bisher stets ausverkauft. So pendelt Liebermann derzeit regelmäßig zwischen seiner Wahlheimat Leipzig und dem beschaulichen Weimar. Zu seinen Auftritten in der gesamten Republik fährt er stets mit dem Zug („Ich will kein Auto haben”) – auch wenn die Anreise gerade in kleinere Orte mitunter Stunden dauert.

Kabarettist-Sein ist seine Leidenschaft

Wenn er nicht gerade Texte schreibt oder auf der Bühne steht, geht Liebermann gern wandern oder macht längere Radtouren. Doch so ein richtiger Beruf sei das Kabarettist-Sein eigentlich nicht. Es vereine einfach seine Hauptinteressen und mache sehr viel Spaß, betont er. Da stört es ihn wenig, wenn die meisten Wochenenden komplett mit Auftritten ausgebucht sind.

Dafür sei es unter der Woche ruhiger. An seinen spielfreien Tagen schaut sich Liebermann gern Vorstellungen von Kollegen an, berufliche Weiterbildung sozusagen. Wenn man die Coronajahre ausklammert, kann der Kabarettist von seinen Auftritten inzwischen gut leben. Liebermanns Freund kümmert sich um das Management. „Wir kommen gut über die Runden.”

Auch wenn der Nachwuchskünstler zugibt: „Der Beruf ist der wilde Westen.” Er wisse nie, was in nächster Zeit kommt, wie sich die folgenden Wochen gestalten. Für das kommende Jahr plant er gleich vier neue Programme, mit denen er bundesweit unterwegs sein will. Das Ensemble in Weimar soll zudem vergrößert werden.

Im Theater, sagt der 23-Jährige, gibt die Metapher von der „vierten Wand“. In der Regel gibt es zwei Seitenwände, eine Rückwand und eine sogenannte „vierte Wand” – dort, wo die Zuschauer sitzen. Liebermann will diese Wand einreißen. Denn das sei das schließlich Schönste an seiner Profession – „auf der Bühne zu stehen und mit den Leuten zu reden.” Gina Apitz

www.bernard-liebermann.de

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