Ein gelber Backsteinbau, endlose Flure und jede Menge Türen. Hinter einer von ihnen, die noch den Charme der DDR-Zeit trägt, versteckt sich der Proberaum. Der Vorraum ist mit leeren Bierflaschen gefüllt, das Zimmer nebenan mit Instrumenten. Gitarre, Verstärker und Schlagzeug stehen dicht an dicht neben einer abgeschrammelten Couch. Der Blick aus dem Fenster geht auf die Bahngleise. Ein Ort, an dem sich Musiker wohlfühlen.
Die Mitglieder der Leipziger Band Squan teilen sich diesen Raum mit zwei weiteren Bands. Einmal pro Woche treffen sie sich hier, um gemeinsam ja was – zu rocken, zu rappen? Ganz klar definiert ist der Musikstil der vier nicht. Crossover würde man das Genre wohl nennen. Frontmann Momper – der mit bürgerlichem Namen Marcel Schröder heißt – rappt mal lauter, mal leiser ins Mikrofon.
Dazu schrammelt Christian Meißner auf der Gitarre, Isabel Wasserteurer – von allen kurz Isa genannt – begleitet am Bass und Schlagzeuger Manuel Plessow – der Manu – ist ohnehin nicht zu überhören. Sein elektrisierendes Getrommel gibt den Rhythmus vor. Ein rauer Sound, der manche an „Rage Against The Machine” erinnert. Einer, der ins Ohr geht und dort bleibt – laut und energiegeladen.
Mischung aus Metal, Funk und Hip-Hop
Als „eine Mischung aus Metal, Funk und Hip-Hop” bezeichnet Momper ihren Musikstil. „Funk würde ich gern rausnehmen”, entgegnet Isa. Man einigt sich schließlich auf „ein bisschen Funk”. Es sind unterschiedliche Charaktere, die hier zusammentreffen. Gitarrist Christian, 42 Jahre alt, ist seit 2015 dabei und der Techniker in der Runde. „Er ist der versierteste von uns”, sagt Isa und lächelt. Die 41-Jährige ist die einzige Frau der Band – und als Netzwerkerin bekannt. Sie betreut den Facebookauftritt und gehört zu den Gründungsmitgliedern. Vorher spielte sie in einer Leipziger Punkrockband – „Geschrammel vom Feinsten” – lernte dann Momper kennen und gründete mit ihm vor zehn Jahren eine neue Band.
Die blieb etwa eineinhalb Jahre lang namenlos. „Wir haben eine ganze Weile gebraucht, um einen Namen zu finden”, sagt Momper und grinst. Ausschlaggebend war eine Demoaufnahme mit dem damaligen Gitarristen, der einfach alles, was noch keinen Namen hatte als „Squan” bezeichnete. Aus dem Arbeitstitel wurde schließlich der Bandname. „Er hat keine Bedeutung, klingt aber wie ein Geräusch”, findet Momper. Und: „Er überträgt diese Energie, die wir ausstrahlen wollen.” Schlagzeuger Manu spielte damals noch in drei anderen Bands und wollte nur vorübergehend aushelfen. Doch die Formation gefiel ihm so sehr, dass er blieb und in der Band bis heute trommelt.
Songs stammen aus der Feder von Momper
Gespielt werden ausschließlich eigene Songs, die aus der Feder von Momper stammen. „Meistens hat er ’ne Idee für ein Thema, zu dem er einen Text schreiben möchte und auch ’ne grobe Idee, wo der Sound hingeht”, erklärt Christian das Vorgehen. Der Sänger sagt, ihm gehe es vor allem darum, ein Gefühl zu vermitteln – das könne aggressiv oder zurückhaltend sein, letzeres etwa beim Thema Depression.
Bei einem Song habe es sich so ergeben, dass die Bassline zuerst da war, die Jungs spielten darauf eine Melodie und am Schluss kam der Text. Das sei aber eher die Ausnahme. „Der Rest entsteht im Proberaum”, sagt der 44-Jährige und meint das Experimentieren mit Melodien oder Pausen.
„Da denkst du, oh Gott, der haut mir gleich auf die Fresse.”
Geprobt wird einmal pro Woche, zumindest versuchen alle, das zu ermöglichen. „Wir haben alle kleine Kinder zu Hause, da kann es auch mal passieren, dass jemand ausfällt”, sagt Momper und betont: „Wir sind eine Familienband.” Doch es gilt das Credo: Alle oder keiner. „Wenn einer ausfällt, fällt die Probe aus”, sagt Momper klipp und klar. „Es geht in unserer Musik um den Funken.” Und der könne nicht entstehen, wenn ein Musiker fehlt.
Diesen „Funken” wollen die vier naturgemäß bei ihren Konzerten aufs Publikum übertragen. „Ich bin eine kleine Rampensau und mag es, Leute zu unterhalten”, sagt der Frontman. Deshalb spielt Momper besonders gern Live-Konzerte. Und: Er ist Perfektionist. Vor einem Auftritt geht er alle Songs noch einmal gedanklich durch. „Auf der Bühne einen Text zu verpatzen, das wäre mir unglaublich peinlich.”
Bisher kam das noch nie vor und es würde wahrscheinlich keiner merken, weil das Publikum die Texte eher schlecht versteht. „Momper ist unglaublich auf der Bühne”, zeigt sich Isa begeistert. Sein Auftritt sei stets emotionsgeladen – auf eine „charmant-aggressive Weise”, sagt die Bassistin. „Da denkst du, oh Gott, der haut mir gleich auf die Fresse.”
Mit dem Publikum in Interaktion treten
„Ich finde es auch super wichtig mit dem Publikum zu interagieren”, ergänzt Momper. Und wenn dann von diesem etwas zurückkommt, freut das den Frontman ungemein. „Wir haben ein paar Leute, die zu jedem Konzert kommen und sogar die Texte kennen”, erzählt er stolz. Bei einem Auftritt hatte sich einer ihrer Fans zu einem Song einen eigenen Tanz ausgedacht.
Bei einem anderen Konzert wollten Fans eine „Wall of love” als Gegenentwurf zu der bei Heavy-Metal-Konzerten typischen „Wall of death” initiieren. Während die Metal-Fans gern mal aufeinander losrennen und übereinander springen, umarmte sich das Squan-Publikum kollektiv. „Das war ’ne coole Sache”, erinnert sich Momper. Wobei es auf ihren Konzerten nicht immer so kuschelig zugeht, sondern durchaus auch gepogt wird, sagen die vier. Einer ihrer Fans brach sich dabei das Sprunggelenk.
Auftritt in Leipziger Karate-Studio
An einen kleinen Geburtstags-gig in einem Karate-Club erinnert sich die Band auch immer wieder gern. Keiner der Gäste kannte die Musiker. Weil es keine Bühne gab, ging Momper einfach auf die Leute zu und rappte direkt vor ihnen. „Es wurde ganz viel getanzt”, sagt Isa. „Es gab niemanden, der einfach nur dastand, ein bisschen Bewegung war bei jedem dabei.” Mompers Resümee lautet: „Ein Konzert muss Stimmung machen und die Leute emotional mitnehmen.”
2019 spielte die Band insgesamt fünf Konzerte. Während der Corona-Pandemie pausierten die vier, fingen erst im Sommer 2022 wieder an zu proben. Es war ein Neustart, denn der zweite Frontmann Daniel musste aus gesundheitlichen Gründen aufhören. Nun wird ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin gesucht. Wichtigste Voraussetzung: „Die Chemie muss stimmen”, sagt Momper. Die Bandmitglieder sind alle auch befreundet. Manchmal sitzen die vier zusammen und quatschen einfach. „Dann lassen wir die Instrumente stehen und reißen ab, was mit der Familie so los ist”, sagt Gitarrist Christian.
Modulierbare, voluminöse Stimme wird erwartet
Wer Teil von Squan werden will, sollte außerdem ein musikalisches Grundverständnis und eine modulierbare, voluminöse Stimme haben. Und: Der- oder diejenige sollte auf der Bühne performen und rappen können. „Wir suchen jemanden, der neben Momper bestehen kann”, macht Isa klar. Der Frontman betont, er habe auch kein Problem damit, diese Bühnenpräsenz mit jemandem zu erarbeiten. Die Stimme aber müsse von vornherein passen. Die bisherigen Castings verliefen erfolglos.
Es ist vor allem Momper, der gern einen Gesangspartner an seiner Seite hätte. „Ich mag Texte, die sich ins Wort fallen.” Das funktioniert auf der Bühne nur als Duo richtig gut. „Es ist cooler, wenn man einen Partner oder eine Partnerin hat, um die Bälle hin und herzuspielen.” Momper ist von Beruf Filmemacher, er führt Regie bei Animationsfilmen für Kinder und muss für seinen Beruf häufig seine Kreativität anzapfen. Das aber sei ein Pool, der endlich ist, betont er. Dann noch kreative Texte für die Band zu schreiben – „manchmal ist mir das auch zuviel”, gibt er zu. Doch die Vorzüge von Squan überwiegen. „Ich liebe den kreativen Austausch. Das beflügelt mich total.”
Ausgleich zum beruflichen Alltag
Gitarrist Christian, der hauptberuflich Altenpfleger ist, sagt: „Ich kann mich hier frei ausleben.” Und für Isa bedeutet die Zeit mit der Band einen Ausgleich zu einem beruflichen Alltag, in dem die Sozialarbeiterin viel Leid und Elend erlebt. Die derbe und intensive Musik blase ihr den Kopf frei, sagt sie. „Manchmal mache ich bei den Proben die Augen zu, weil ich das total entspannend finde.”
Und wie geht es für Squan weiter? Es gibt bereits viele Pläne für die nahe Zukunft. Einige Songs sollen in einem professionellem Tonstudio aufgenommen werden. Auch ein Videoclip ist geplant, der komplett in einem Auto spielen soll. Doch all das will die Band erst in Angriff nehmen, wenn der zweite Sänger oder die Sängerin gefunden ist. „Dann wird erstmal Zeit vergehen, sich gemeinsam einzuarbeiten”, sagt Momper und betont: Der oder die Neue dürfe gern andere Impulse in das Gefüge hineinbringen – und Squan musikalisch damit noch mehr Energie geben. Gina Apitz
Wer die Band als Sängerin oder Sänger unterstützen will, kann sich per Mail melden: squan.band@gmx.de