Dunkles Grimma: Kriminalhauptkommissar Holger Heydrich leitet die Teilnehmer der Kriminal-Führung unter anderem ins Rathaus-Verlies.Foto: Roger Dietze

GRIMMA/GEITHAIN. Abtauchen in die Kriminalgeschichte respektive in den städtischen Untergrund: Auf diese unterschiedliche Art und Weise können sich an der Stadtgeschichte Interessierte auf Entdeckertour in Grimma und Geithain begeben.
An Abschreckung hat es im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Grimma wahrlich nicht gemangelt. „Praktisch vor jedem Stadttor stand ein Galgen, in manchen Zeiten gab es sogar einen an der Nordseite des Rathauses, um die Todesstrafe für Soldaten schnell vollziehen zu können“, erzählt Holger Heydrich. Und der Mann weiß, wovon er spricht. Intensiv hat sich der Kriminalpolizist mit der Grimmaer Heimatgeschichte beschäftigt, wobei ihm dies sein Beruf zu einer Spezialisierung auf den Themenbereich Posträuber, Henker und Brandstifter, kurz die Kriminalgeschichte der Muldestadt, geführt hat.
Ende Oktober ließ der Mittfünfziger im Dienstrang eines Kriminalhauptkommissars die Öffentlichkeit im Rahmen seiner Premierenführung erstmals an seinem zusammengetragenen Wissen teilhaben. Immerhin gibt es in der Muldestadt noch einige Zeugnisse der Strafgerichtsbarkeit, die über die Jahrhunderte hinweg erhalten geblieben sind. So der tief unter dem Rathaus gelegene, einen skelettierten (Kunststoff-)Gefangenen beherbergende Kerker sowie der oberhalb dieser schaurig dunklen Örtlichkeit befindliche sogenannte „Bürgergehorsam“ – eine heute als Lager genutzte Räumlichkeit, in der den leichteren Straffällen Gelegenheit gegeben wurde, über ihr Fehlverhalten zu reflektieren. Dass von Letzterem auch die Männer der Kirche nicht ausgenommen waren, davon kündet in Grimma ein gerade noch erkennbarer Pranger an der Klosterkirche. „Im Laufe der mit den Jahrhunderten einhergehenden Aufschüttungen in der Stadt ist dieses Relikt der Strafgerichtsbarkeit mehr und mehr in der Erde verschwunden“, erklärt Holger Heydrich.
Apropos verschwinden: Dieses Schicksal widerfuhr im Jahr 1801 auch 1200 Talern an Bord einer Postkutsche, die auf dem Weg in die Messestadt in Grimma Station machte. „Am Ankunftsort musste man feststellen, dass eine der Kisten anstelle des Geldes nur Sand enthielt“, weiß der Grimmaer Kriminalhistoriker, der mit den Gästen seiner Premierenführung auch einen kurzen Ausflug in die verschiedenen Sanktionsmöglichkeiten des Mittelalters und der frühen Neuzeit unternahm. „Bäcker etwa, die zu kleine Brote buken, wurden in eine Art Käfig gesetzt und in bestimmten Abständen unter Wasser getaucht.
Allesamt historische Aspekte der Stadtgeschichte, die in Grimma auf eine sehr große Resonanz stoßen. „Die ersten beiden Führungen waren ganz schnell ausgebucht, sodass wir eine zusätzliche in diesem Monat ins Programm genommen haben“, berichtet Michaela Wächter von der Stadtverwaltung.
Entsprechend werde das neue stadtgeschichtliche Angebot im nächsten Jahr ein- bis zweimal im Monat in Ergänzung zu den bestehenden Führungen fortgeführt. Darüber hinaus sei eine Buchung auch individuell etwa für ein Klassentreffen oder einen Betriebsausflug möglich.
Mit einer Stadtführung der besonderen Art kann auch Geithain punkten. Denn nur die allerwenigsten Kommunen dürften im Besitz von Gängen unter dem Stadtgebiet sein.
In der Emaillestadt entstanden diese im Mittelalter durch die Verbindung einzelner zur Lebensmittelaufbewahrung genutzter kleiner Keller. Um Räume zur Aufbewahrung zu schaffen, hatte der mittelalterliche Rat der Stadt Bergknappen von Freiberg und Schneeberg kommen lassen, die emsig mit „Schlegel und Eisen“ zu Werke gingen und einen Gang nach dem anderen aus dem Gestein meißelten, die der Einwohnerschaft während des Zweiten Weltkrieges als Luftschutzräume dienten. Roger Dietze

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