Shabbat-Abend mit deutschen und israelischen Jugendlichen in Grimma. Foto: Cornelia Killisch
Shabbat-Abend mit deutschen und israelischen Jugendlichen in Grimma. Foto: Cornelia Killisch

„Gibt es dort auch Schutzräume?“ – das wollten junge Israelis aus dem Kibbuz Magen zuallererst wissen, als sie von der Idee einer Reise nach Deutschland hörten. Eine friedliche Ferienwoche ohne das Dröhnen von Helikoptern und Detonationen, dafür mit Vogelgezwitscher, Spaß und schönen Erlebnissen konnten sie kürzlich in Grimma erleben.

Eingeladen hatte die Stadtverwaltung. „Der 7. Oktober hat uns sehr betroffen gemacht, durch unsere Partnerstadt haben wir ein besonderes Verhältnis zu Israel“, sagte Oberbürgermeister Matthias Berger. Tatkräftig unterstützt wurde das Projekt vom Partnerschaftskomitee Grimma-Gezer, durch Silke Polster von der Diakonie Leipziger Land und mit viel ehrenamtlichem Engagement von der Montags-Gebetsgruppe, die sich um die Sozialarbeiterin nach dem Terrorangriff auf Israel gebildet hatte.

Auszeit vom Krieg

Gemeinsam stellten sie ein Programm auf die Beine mit Ausflügen in den Freizeitpark Belantis, zum Schloss Döben, nach Dresden und in die Sächsische Schweiz, mit einer Schlauchboot-Tour auf der Mulde, einem Empfang im Grimmaer Rathaus, Begegnungsabenden und einer Schabbat-Feier mit vielen Interessierten, die vor dem Essen zum gemeinsamen Gott von Juden und Christen beteten.

In bewegenden Worten schilderte Liraz, Lehrerin und eine der mitgereisten Mütter, nach der Zeremonie die Situation im Kibbuz Magen (hebräisch: „Schild“). Nach dem Raketenangriff am 7. Oktober 2023 sah das Sicherheitsteam von einem Hügel aus, was da aus dem nahen Gaza-Streifen auf sie zukam: „3500 Terroristen waren überall, zur gleichen Zeit, auf allen Hauptstraßen unterwegs in jede Siedlung. Sie hatten den Zaun am Kibbuz gesprengt und versuchten, in unsere Häuser einzudringen.“ Viele Stunden konnten die Sicherheitsleute, von denen zwei mit dem Leben bezahlten, den Kibbuz nach Kräften verteidigen, bevor endlich die Armee eintraf.

Rückkehr in die Heimat

Zwei Tage später dann die Evakuierung ans Tote Meer. Erst kürzlich durften sie wieder in ihre Heimat zurückkehren. Die Kinder besuchen eine gemeinsame Schule mit den noch viel schlimmer betroffenen Nachbar-Kibbuzim Nir Oz und Be’eri. Unter den Ermordeten und Entführten sind viele ihrer Klassenkameraden, Freundinnen, Bekannten oder Verwandten. „Wir sind froh, dass wir überlebt haben und bauen nun gemeinsam an der Zukunft unserer Gemeinschaft“, so Liraz.

Ein kleiner Meilenstein auf dem Weg vom Trauma des 7. Oktober zu einem normalen Leben war nun der Kurzurlaub in Grimma. „Sie fangen wieder an, sich zu streiten“, registrierten die mitgereisten Eltern erleichtert. „Ich glaube, dass es für die Kinder eine der wichtigsten Reisen war, die sie bis zum heutigen Tag unternommen haben“, schrieb eine Mutter später an Silke Polster. „Sie haben sie in ihre Arme genommen und so fest umarmt. Die Familien, die zurückgeblieben sind, haben diese Umarmung miterlebt und ihre Wärme in den Bildern und Videos gespürt. Ihr habt es dieser Gruppe Jugendlicher ermöglicht, den Krieg, ihre Not und ihre Kämpfe für ein paar Tage zu vergessen und das ist so bedeutsam. Ein Dankeschön scheint nicht auszureichen, um auszudrücken, was wir empfinden.“

Die Dankbarkeit beruht dabei auf Gegenseitigkeit. „Unsere Probleme relativieren sich, wenn wir mit euch zusammen sind“, so Matthias Berger. Gutgetan hat die Begegnung auch den deutschen Jugendlichen, die die Woche miterlebten und Kontakte knüpften. „Wenn man persönliche Geschichten hört und Menschen kennenlernt, kann man Vorurteile abbauen, Verständnis entwickeln und Solidarität zeigen“, erklärt Silke Polster. Red.

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here