Region. Ende April haben die EU-Mitgliedsstaaten beschlossen, den Einsatz von hochwirksamen Insektiziden, die eine besondere Gefahr für Bestäuberinsekten darstellen, im Freiland zu verbieten. Während Imkern das Verbot nicht weit genug geht, halten es Landwirte für eine Katastrophe.
Die Veränderungen unserer Fauna gehen schleichend vor sich. Insektenarten sterben aus, und mit ihrem Verschwinden reißen sie Lücken in der Nahrungskette, die wiederum das Aussterben anderer Arten nach sich zieht. Ein Teufelskreis. Ihn zu durchbrechen hat der Mensch Möglichkeiten insbesondere bei der Auswahl jener Chemikalien, die in der Landwirtschaft Anwendung finden. Einigen dieser insbesondere von Imkern sehr kritisch bewerteten Mitteln aus der Gruppe hochwirksamer Insektizide mit dem lateinischen Namen Neonicotinoide haben die EU-Mitgliedsstaaten Ende April für den Einsatz im Freiland einen Riegel vorgeschoben. Bei Peter Gerson allerdings hält sich die Erleichterung in Grenzen. „Ein weiteres Neonicotinoid namens Thiacloprid, das im Rapsanbau Verwendung findet, ist leider nicht Teil der Verbotsliste“, beklagt der Großbothener Imker, der sich intensiv mit der Thematik befasst hat. „Und Bienen lassen nun einmal alles andere links liegen, wenn der Raps blüht.“ Thiacloprid sei als ungefährlich für Bienen eingestuft, aber nur im Bereich des Abtötens. „Hinsichtlich der Schädigung der Tiere ist Thiacloprid nicht minder gefährlich für Bienen wie andere Insektizide.“ Deshalb sieht Gerson das jüngste Verbot auch nur als ersten Schritt hin zu einer weitgehend chemiefreien Landwirtschaft. „Sehr viel von dem, was nach wie vor auf unseren Feldern zur Anwendung kommt, müsste nicht sein“, so der 47-Jährige, der allerdings auch der Landwirte Zwänge kennt. „Unkraut etwa erhöht den Feuchtegehalt des Getreides, was wiederum dessen Lagerdauer einschränkt.“ Andererseits seien die Tests der verschiedenen Insektizide hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf Bienen aus Sicht der Imker sehr bedenklich. „Ein Insektizid wird dann als ungefährlich für Bienen eingestuft, wenn innerhalb eines 48-stündigen Tests nicht mehr als 50 Prozent der Tiere tot sind“, so Peter Gerson, der vor einigen Jahren das Gros seiner Völker durch den Einsatz von Landwirtschafts-Giften verloren hat. „Der Landwirt konnte nachweisen, dass er das als bienenungefährlich eingestufte Thiacloprid eingesetzt hatte, was zeigt, dass die Problematik eine sehr vielschichtige ist“, so Gerson. Grundsätzlich begrüßt der Großbothener Bienenfachmann den von ihm registrierten Zuwachs an ökologisch wirtschaftenden Landwirten im Freistaat, der im Wesentlichen in entsprechenden Fördermaßnahmen begründet liegen würde. „Leider allerdings ist eine solche Entwicklung nicht in unserer Region auszumachen, was an den hier schwerpunktmäßig angebauten Kulturen liegen mag.“
Sachsens Bauernpräsident Wolfgang Vogel, der zugleich Geschäftsführer der im Grimmaer Ortsteil Beiersdorf beheimateten Bauernland GmbH ist, hat demgegenüber ein grundsätzliches Problem mit der Unterscheidung in konventionelle und ökologische Landwirtschaft. „Es liegt im Eigeninteresse eines jeden Landwirtes, schonend mit den von ihm bewirtschafteten Flächen umzugehen“, so Vogel, der das Neonicotinoide-Verbot als „Katastrophe“ bezeichnet. „Sie wurden generell verboten, sodass sie auch beim Raps nicht mehr zur Anwendung gebracht werden dürfen.“ Hier jedoch ebenso wie im Rübenanbau seien diese Insektizide besonders notwendig bei der Abwehr von Schädlingen wie Kohlrüsslern und Rübenfliegen gewesen, sodass in Zukunft insbesondere bei diesen beiden Kulturen mit sinkenden Erträgen und im Ergebnis dessen mit einem Rückgang der Anbaumengen zu rechnen sei. „Wir bedauern dieses Verbot ausdrücklich, weil neue und hinsichtlich ihrer Wirkung vergleichbare Mittel nicht in Sicht und wir jetzt dazu gezwungen sind, die uns jetzt noch zur Verfügung stehenden Mittel breitflächig in einem Drei-Tages-Rhythmus auf den Feldern auszubringen“, so der sächsische Bauernpräsident, der gleichwohl weiterhin Imker und Landwirte im Gespräch halten will. „Das ist in jedem Fall besser, als wenn man mit dem Finger aufeinander zeigt, wobei diese Zusammenarbeit in Sachsen grundsätzlich als gut zu bezeichnen ist.“ Roger Dietze