Altenburg. Ein neues Gesicht und neue Kompetenzen: Seit nunmehr reichlich drei Monaten bereichert Christine Münstermann das Team der Horizonte gGmbH und wirkt hier als Mitarbeiterin der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle für das Altenburger Land in der Carl-von-Ossietzkystraße (im Haus der ehemaligen Ohlschen Klinik). Hier trat sie zum 1. April die Nachfolge von Elisabeth Woratz an, die sich nach vielen Jahren der Tätigkeit als Leiterin der Beratungsstelle in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet hatte (wir berichteten).
Manch einer also dürfte Christine Münstermann mittlerweile bereits in der Alltagstätigkeit kennengelernt haben – einige Klienten, die bereits früher dieses Angebot genutzt haben und andere, neue Klienten, die inzwischen dazugekommen sind.
Und auch über die direkte Arbeit mit den Menschen in der Beratungsstelle hinaus ist Christine Münstermann derzeit gerade dabei, ihr Netzwerk in der Stadt und im Altenburger Land weiter auszubauen. „Wegen der allgegenwärtigen Beschränkungen in der Corona-Zeit konnte ich mich noch nicht gleich bei wichtigen Ansprechpartnern und Ärzten vorstellen – erste Fäden in die Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik sind inzwischen geknüpft.“
„Jeder, der Unterstützung braucht, kann sich an uns wenden.“
So also erobert sie sich nach und nach das neue Terrain, auf dem sie nun aktiv ist – sehr wohl betonend, dass sich für Hilfesuchende mit ihrem Amtsantritt und dem Wechsel in der Beratungsstelle nichts ändert. „Unsere Angebote sind ja bekanntlich sehr niederschwellig, das heißt, jeder, dem es seelisch/psychisch nicht gut geht oder der einfach Unterstützung braucht, kann sich an uns wenden. Man braucht keine Überweisung, ruft einfach an und erhält meist sehr schnell einen Termin für ein erstes Gespräch“, betont unsere Gesprächspartnerin das sehr unkomplizierte Prozedere einer Kontaktaufnahme.
Die Arbeit der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle für das Altenburger Land teilt sie sich gleichberechtigt mit ihrem Kollegen Michael Vogt, der bereits seit vielen Jahren bei Horizonte tätig ist. Er übrigens ist auch für die Hilfesuchenden in Schmölln an jedem ersten und dritten Mittwoch im Monat vor Ort in der Knopfstadt, so dass sich Interessierte nicht einmal auf den Weg nach Altenburg machen müssten, um die Beratung in Anspruch zu nehmen (Terminvereinbarung unter Telefon 03447 514214).
Neben Beratung auch sozialpolitisch engagiert
Mit Christine Münstermann gesellt sich eine beruflich vielschichtig erfahrene (und darüber hinaus selbst auch sehr lebenserfahrene) Frau und Expertin zum Team der Horizonte gGmbH. Die studierte Juristin, Systemische Beraterin, Familientherapeutin und Mediatorin übernahm zuvor als langjährige Mitarbeiterin und Leitungsverantwortliche in unterschiedlichen Beratungsangeboten des Caritas-Regionalzentrums in Greifswald Verantwortung, was ihr ein breites Spektrum an Beratungserfahrung bescherte: Neben der „Allgemeinen Sozialen Beratung“ lag ihr Schwerpunkt zunehmend in der Familienberatung und der psychosozialen Unterstützung in Folge von Scheidungen und Trennungen. Zusätzlich hat sich Christine Münstermann in ihrer bisherigen Arbeit auch sozialpolitisch engagiert und sich unter anderem mit der Frage beschäftigt, wie Menschen in ländlichen Räumen mit Beratungsangeboten versorgt werden können. Dabei hat sie interessante Projekte mitbegleitet. Gewichtige weiterführende Erfahrungen also, die sich für die hiesige, stark ländlich geprägte Region perspektivisch als wertvoll erweisen könnten.
Vom Jura-Studium zur Familientherapeutin
Geboren und aufgewachsen ist die 1965 Geborene in Freiburg im Breisgau, doch schon mit 17 Jahren verließ sie ihre Heimatstadt und ging nach Berlin, kämpfte sich durch diverse Widrigkeiten und überwand immer neu auftauchende Hindernisse. Frühzeitig Mutter geworden, erlebte sie an ihrem eigenen Weg, „wie unglaublich schwierig es ist, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen. Meine berufliche Entwicklung war ein harter Kampf, und rückblickend sehe und spüre ich, wie viel Kraft mich dies alles gekostet hat.“
Gern wäre die damalige junge Frau nach Abschluss einer Lehre, während der sie sich später für ein Jura-Studium entschieden hatte, Richterin geworden. „Doch bereits im Studium und später im Referendariat sah ich, dass die juristische Welt eine arg begrenzte ist, die in vielen Bereichen für mich nicht als Modell taugt.“
Also nutzt Christine Münstermann, die inzwischen bereits zwei Kinder hat, all ihr im juristischen Studium erworbenes Wissen fortan zunächst für eine (hier vorstehend bereits skizzierte) Laufbahn als Familienmediatorin. Schließlich wählt sie als eine zusätzliche Spezialisierung die Ausbildung zur Familientherapeutin, für die sie sich noch einmal mehrere Jahre auf die Schulbank setzte.
Im Jahr 2005 wird ihr drittes Kind geboren (heute ist die älteste Tochter 37, die jüngere 28 und ihr Sohn 16 Jahre alt), und Christine Münstermann pendelt in dieser Zeit bereits seit Längerem zwischen ihrem Noch-Wohnort in Berlin und ihrer Arbeitsstätte in Ostvorpommern. Über Jahre hinweg. Doch im Jahr 2009 entdeckt sie ihr Herz fürs Ländliche und zieht mit ihrer Familie auf ein kleines Dorf zwischen Anklam und Greifswald, von wo aus es ihr nun deutlich besser gelingt, berufliche und familiäre Verpflichtungen unter einen Hut zu bringen. Insofern – inklusive auch den Brüchen in ihrer eigenen Biografie, aus denen sie kein Geheimnis macht und mit all den Auf- und Ab-Wellenbewegungen in ihrem Leben – sitzt mit ihr eine Frau in der Beratungsstelle für unterschiedlichste Lebensfragen, die weiß, wie eben jenes Leben spielen und sich gestalten kann, welche Freuden, aber auch welche manchmal oft unlösbar erscheinenden Probleme es mit sich bringen kann. Summa summarum eine Fülle an eigenen Erfahrungen also, die neben dem vielgestaltigen Rüstzeug einer Familientherapeutin und Analytikerin sehr wohl den an Hilfestellung und Orientierung interessierten Klienten in ihrer Beratungsstelle zugutekommen dürften.
Vielfältiger Beratungsbedarf bis ins hohe Alter
Breit gefächert sei das Spektrum jener Menschen, die den Weg zu ihr finden, berichtet die Beraterin aus ihren ersten Erfahrungen hier in Altenburg. Oft geht es um die Verarbeitung von Trennungen, um den Verlust von Partnern, um Probleme zwischen Partnern oder in der Kind-Elternbeziehung, die es aufzuarbeiten gilt. Auch Depressionen spielen eine große Rolle. Insgesamt sind es immer und immer wieder Begegnungen mit Frauen und Männern mit schwierigen Biografien. Manch einer sucht sich den Kontakt selbst, denn nach über 25 Jahren Tätigkeit der Psychosozialen Kontakt- und Beratungsstelle für das Altenburger Land ist diese inzwischen weithin bekannt. Doch auch Haus- oder Fachärzte empfehlen ihren Patienten den Weg zur Kontaktaufnahme – und es gibt seit vielen Jahren eine enge und bewährte Kooperation mit der Klinik für Psychiatrie und Psychosomatik in der Zeitzer Straße.
Je nach Problemlage und Wunsch der Klienten sind Einzelgespräche möglich, mit denen das Beratungsverhältnis am Anfang in den meisten Fällen beginnt, um zunächst einmal die Problemlagen zu ergründen und zu sortieren und um gemeinsam den weiteren Weg festlegen zu können. Es existieren aber auch Gruppen, in denen die beiden Berater moderierend agieren. Gruppen für Frauen und Männer, eine Trauergruppe, eine Runde zu Ängsten und Depressionen und zwei Seniorengruppen gab und gibt es, wobei alle diese Gruppen wegen der coronabedingten Kontaktbeschränkungen lange Zeit pausieren mussten und gerade erst nach und nach wieder zusammen und ihren Rhythmus finden.
Und nicht nur die Problemfelder, mit denen Klienten in die Beratungsstelle kommen, erweisen sich als ein weit gestecktes Feld zwischen sehr gegensätzlichen Polen, auch die Altersstruktur bewegt sich über große Distanzen. „Meine älteste Klientin ist fast 90“, umreißt es Christine Münstermann, „ich habe aber auch etliche junge Männer in der Beratung.“ Und das Bemerkenswerte dabei: „Sie kommen von allein.“ Womit wohl ein Klischee entkräftet wäre, dass Männer nicht über Gefühle reden und potenziell eine solche Beratung möglicherweise kaum oder nur auf Druck von außen wahrnehmen würden …
Keine Tabuthemen
Für ihre Arbeit verweist die Beraterin auf eine Maxime, die ihre Tätigkeit bestimmt – seit vielen, vielen Jahren bereits: „Respekt vor den Menschen (haben), aber respektlos im Umgang mit Themen (sein), das ist meine oberste Prämisse.“ Das heißt, man kann alles anfassen, alles ansprechen – auf beiden Seiten der Beratung. Es geht darum, zu sortieren, zu analysieren, gemeinsam mit den Klienten Ordnung hineinzubringen in ein Leben, in Lebensabschnitte, in Beziehungen und Problemfelder und ebenso gemeinsam zu ergründen, „wie man das Gute aus der Vergangenheit mit in die Zukunft nehmen könnte“. Und da gibt Christine Münstermann gern auch mal Hausaufgaben mit auf den Weg, wie sie mit einem Lächeln anmerkt.
Apropos Lächeln, das spielt für sie eine große Rolle. „In der Regel gehen die Menschen am Ende einer Sitzung, eines Beratungsgesprächs mit einem Lachen oder Lächeln bei mir raus, das ist mir wichtig.“ So wie sie ebenso betont, für jeden Klienten, der zu ihr kommt, optimal da sein zu wollen – immer aber mit unklarem Ausgang: „Was letztlich wirkt, das wissen wir nicht.“ Und es sei bei jedem Einzelnen natürlich anders, wie sich derlei Wirkungen entfalten, bemerkbar machen, wie sie lebensorientierend sein können.
Problemlagen hinter sich lassen gehört zur Professionalität
Und wie geht es ihr, kann sie selbst abschalten, wenn sie wieder mal einen Tag mit vielerlei, oft auch sehr bewegenden und unschönen Problemlagen hinter sich hat? „Ja, das ist ein Stück Professionalität, die einfach dazu gehört, die wir auch erlernen. Loslassen zu können, gehört dazu. Und für die Dinge, die uns umtreiben, haben wir auch die Supervision, eine sehr gute Möglichkeit, damit umzugehen.“
Dass Christine Münstermann trotz der intensiven Beschäftigung mit ihrem Beruf und der Auseinandersetzung mit dem Beratungsbedarf ihrer Klienten rasch abschalten kann, wenn sie ins Familiäre wechselt, das hängt aber wohl auch damit zusammen, dass dieser Wechsel zwischen Altenburg und ihrem privaten Umfeld fast eine Pendelei zwischen zwei Welten ist.
Abschalten und anpacken auf dem heimischen Bauernhof
Denn die Liebe, die führte sie seit 2018 ins Altenburger Land, genauer gesagt aufs Rittergut Schwanditz, an jenen traditionsreichen Ort, der bereits 1140 erstmals urkundlich erwähnt wurde. Und damit auf einen Bauernhof, der in der Region keineswegs unbekannt ist, hat sich Landwirt Jürgen Junghannß doch in den zurückliegenden Jahren durch seine Aktivitäten, seine Mitwirkung in verschiedensten Gremien und mit Meinungsäußerungen zu unterschiedlichsten Anlässen längst einen Namen gemacht. So wie seine Ausrichtung des noch heute vorwiegend landwirtschaftlich genutzten Areals, zu dem aber auch die Fürsorge für etliche Tiere gehört, zum Zwecke der touristischen Nutzung und für allgemein zugängliche öffentliche Veranstaltungen und Angebote längst nicht mehr nur ein Geheimtipp ist. Schulklassen machen Ausflüge, Familien oder Firmen feiern hier, Menschen aus ganz Deutschland kommen, um Landvergnügen zu erleben und zu genießen. „Wir vermieten Ferienwohnungen, haben inzwischen 46 Betten, zudem einen Wohnmobilstellplatz, der Hofladen wird gerade auf eine Nutzung als SB-Laden umgestellt, da gibt es also reichlich Arbeit und viel zu tun in Sachen Koordinierung“, umreißt Christine Münstermann die andere Seite ihres neuen Lebens im Altenburger Land. Und manchmal, da gilt es einfach, handfest zuzupacken: „Ich habe auch schon bei der Ernte mitgeholfen.“
Entspannung aber muss trotzdem dann und wann sein: Die finden Christine Münstermann und ihr Lebenspartner unter anderem in der Tanzschule Schaller, wo sie inzwischen den dritten Tanzkurs belegen und sich freuen, dass auch dieses Vergnügen nach langer Corona-Pause endlich wieder in Schwung kommen darf.
Ralf Miehle