„Schreib doch bitte zum Abschied noch ein paar Erinnerungen auf“, sagte der Redaktionschef zu mir. Leicht gesagt, schwer getan. Für mich jedenfalls. In mehr als 21 Jahren habe ich wöchentlich über Berühmtheiten, Leidenschaften, amüsante Begebenheiten, Leipzig-Ereignisse „getratscht“ – das sind Erinnerungen zuhauf. Schon der russische Schriftsteller Ilja Ehrenburg formulierte: „Die Zeit verwischt so manchen Namen, Menschen werden vergessen, Jahre, die so markant erschienen, verblassen, doch einige Bilder bleiben im Gedächtnis …“ Womit also anfangen?
Mit der Blumenfee Erika Krause. Sie gehörte mit zu den Ersten in meiner Tratsch-Kolumne. Im DDR-Fernsehen, später bei rbb, gab sie in „Du und Dein Garten“ Tipps. Gern saß ich in ihrem Haus inmitten der zig Spieluhren – bei Kaffee und Kuchen. Erika war eine „Grüne“ durch und durch. Täglich sprach sie mit ihren Pflanzen. „Das sind doch auch Lebewesen. Sie brauchen diese Zuwendung. Du weißt doch, was mit meinem Birnbaum passiert war.“ Ja in der Tat. Völlig kahl, trug er nach zwei Jahren wieder Blätter und im dritten Früchte. Kaum zu glauben, hätte ich es nicht selbst miterlebt.
Kürzlich feierte „In aller Freundschaft“ 20. Geburtstag. Auf der Alten Messe wurde die Serie im Beisein der Presse gestartet, auf der hinter mir mit vorgehaltener Hand einer behauptete, das würde sowieso nur ein Flop. Ursula Karusseit gehörte zum Schauspielerteam. Ich verehrte sie, vor allem seit ihrer herausragenden Rolle in „Wege übers Land“. Wer sind Sie denn? Stellen Sie sich doch mal vor, sagte ein Journalist, ihr das Mikrofon hinhaltend. Sie sprach ein paar Worte. Ich bewunderte sie, wie sie mit dieser Unhöflichkeit umging. Wir kamen ins Gespräch. Usch meinte, wir sind eben fremd im eigenen Land. Immer mal wieder, am Set oder bei einem anderen Treff, kam die Rede darauf …
In der Serie war sie ja anfangs die Partnerin von Fred Delmare. Der wiederum hatte Angst vor Versprechern. Einen erlebte ich am Set. Er saß in der „Sachsenklinik“ am Bett seines Filmbruders aus München. Dieser fragte Axel – so wurde er von Freunden genannt, was denn die Ärzte für eine Diagnose gestellt hätten. Wie aus der Pistole geschossen antwortete Axel: „Du hast Aids.“ Lautes Gelächter des Kamerateams. Im Drehbuch stand: Alzheimer.
Hübsch ist auch die Geschichte mit Johannes Heesters. Er hatte eine Episodenrolle übernommen, wurde allen Schauspielern vorgestellt. „Ich bin der Opa Friedrich, 81 Jahre alt“, meinte Axel, als er Heesters die Hand schüttelte. „Ach, du Kind“, meinte daraufhin der 100-Jährige. Im Interview erzählte er mir, dass er in den 30er-Jahren im Leipziger Centraltheater, dem Operettenhaus und heutigen Schauspielhaus, umjubelt wurde. „Heute mögen mich die Leute noch immer. Ist doch ein herrliches Gefühl. Noch dazu hier in Leipzig.“
Von diesem herrlichen Gefühl sprach auch die Grande Dame Hildegard Knef. Für eine Leipziger Modefirma hatte sie Business-Kleidung entworfen, schwärmte, wie kreativ so etwas sei, dabei genüsslich an ihrer Zigarette ziehend. Nie vergesse ich die Antwort auf meine Frage, warum sie auch Hüte entwerfe. „Gnädigste, haben Sie immer Zeit, zum Friseur zu gehen? Hut macht doch Dame.“ Wie wahr.
Gut aufgelegt war sie, die Ufa-Legende, Schaupielern, Kunstpfeiferin Ilse Werner („Die große Freiheit Nummer 7“), als ich sie traf. Sie ließ mich sehr in ihre privaten Karten gucken, erzählte, dass sie kaum je eine Wohnung besaß, wegen der Bequemlichkeit Hotels bevorzugte und ihre Habe in ein bis zwei Koffer passen würde. „Können Sie eigentlich noch pfeifen?“, fragte ich sie. Schon spitzte sie ihren Mund und und pfiff, auch zur Freude umsitzender Gäste, „Kann denn Liebe Sünde sein?“
Auch Nina Hagen sorgte bei mir für einen Aha-Effekt. Ich hatte eine Ulknudel erwartet, schrill und schräg, so wie sie im Fernsehen zu erleben war. Und lernte eine zurückhaltende Künstlerin kennen, die über das Leben philosophierte, darüber, dass die Gesundheit das Wichigste sei. „Ich gehe ab und zu in ein Hospiz, hab meine Gitarre dabei und noch immer das Bild eines jungen querschnittsgelähmten Mannes bei meinem Spiel vor mir, seine leuchtenden Augen. Nur durch sie konnte er sich ausdrücken. Ich konnte ihm auf diese Weise noch einige Male Freude bringen. Das macht glücklich“, betonte Nina Hagen.
Ich denke auch gern an die Interviews mit Karl Moik zurück, den Erfnder des Musikantenstadls. Keine Show, ohne dem Nachwuchs eine Chance zu geben, lautete sein Motto. „Ich freu mich, wenn aus jungen Leuten, die in meiner Sendung waren, etwas geworden ist“, nannte Stefan Mross, Florian Silbereisen.
Etliche Male schrieb ich in meiner Kolumne über Florian Silbereisen, heute ein großer Star in der Unterhaltungsbranche. Nein, in den Schoß falle ihm nichts, er müsse hart arbeiten, damit alles echt rüberkomme, und die rote Unterhose, die er bei seinem ersten Auftritt trug, gehöre als Glücksbringer immer noch dazu, ließ er mich bei einem Frühstückstreff in einem Hotel wissen. Ob das noch heute so ist, das entzieht sich allerdings meiner Kenntnis.
Schauspieler Michael Degen traf ich in der Schönheitsklinik. Die Soko hatte da ihre Zelte aufgeschlagen, und so konnte ich meine Leser mitnehmen zu dem eitlen Vice-Questore Patta, den er in der Krimiserie nach Romanen von Donna Leon mimt. „Ich bin glücklich, wieder mal in Leipzig zu sein, eine wunderschöne Stadt“, schwärmte Michael Degen.
Auch Schauspieler Joachim Fuchsberger sang ein Loblied auf unsere Stadt. „Ich bin zum ersten Mal hier und ehrlich, so schön hatte ich es mir nicht vorgestellt. Die traumhaften Bauten, das viele Grün, die herrlichen Passagen …“ Mit seiner Frau sei er im „Coffe Baum“ eingekehrt. In „Auerbachs Keller“ habe man ihn durch alle Räume geführt und im Fasskeller allein gelassen. „Dort konnten wir, meine Frau und ich, Zwiesprache mit Faustus halten. Ein unvergessliches Erlebnis“, betonte Joachim Fuchsberger.
Unvergesslich sind für mich auch die Treffs mit Dieter Bellmann, in der ARD-Arztserie „In aller Freundschaft“ der langjährige Chef der Sachsenklinik, dessen Wohnung einen herrlichen Blick über ein Stück Leipzigs bot. Ross Antony, britischer Entertainer, verglich Leipzig mit Köln, machte dem MDR Komplimente. Sänger Matthias Reim verdanke, so meinte er mir gegenüber, seine erfolgreiche Rückkehr ins Schlagergeschäft den Ostdeutschen, besonders den Sachsen. Deshalb freue er sich besonders auf Auftritte in unserer Gegend. Auch Joachim Llambi hat ein Faible für Leipzig, für die Freundlichkeit der Leute, nennt besonders die Messehalle, die sich hervorragend für Tanzmeisterschaften eigne.
Mit einer roten Rose überraschte mich beim Auf-Wiedersehen-Sagen Schauspieler Maximilian Schell. Nach einem Treff mit Sänger Costa Cordalis fand ich Wochen später eine CD mit einem Geburtstagslied in meinem Briefkasten. Sänger Michael Holm, den ich erstmals während einer Kreuzfahrt interviewte, ihn auch in Leipzig traf, bedankte sich mit herzlichen Grüßen aus Oberbayern und seinem neuesten Album „Als die alten Zeiten jung war’n“.
Die Mentalmagier Thommy Ten und Amélie van Tass interviewte ich nach einer Sendung im MDR. Ganz bescheiden erzählten sie aus ihrem Leben, so, als sei da nichts Außergewöhnliches. Dabei sind sie in Amerika wie bunte Hunde bekannt, werden in New York, in Las Vegas, Chicago, im Fernsehen gefeiert. 130 Millionen Amerikaner hätten diese beiden Magier in ihr Herz geschlossen, ist zu lesen, und dass sie in Australien und anderswo Erfolge feiern. Sie verrieten mir einen Trick. Ich verblüffte damit meinen Partner Werner Heiduczek.
Weniger verblüffend ist das Geschehen an meinem Küchentisch. Höchstens dann, wenn die Kaffeemaschine streikt. Nur einmal ist’s passiert. Seitdem wird aufgebrüht, gefrühstückt, werden Kaffee und Kuchen kredenzt, wird geredet, für meine Kolumne notiert. Als Gäste begrüßte ich unter anderem Fernsehstar Michael Trischan, den beliebten Arzt aus „In aller Freundschaft“, Leipzigs Stadtpräsident a.D. Friedrich Magirius, Schauspieler und Funzel-Chef Thorsten Wolf, Sänger Hans-Jürgen Beyer, Modedesigner par excellence Agustin Molina … Frohnatur Achim Mentzel kam nach einem Soko-Auftritt. „Ick spielte einen Techniker, ein Mörder wäre mir lieber gewesen“, ulkte er herzlich lachend, fügte an, dass er nun ein festes Einkommen habe: seine Rente. Lange konnte er sie nicht genießen. Ernst Hutter, Chef der Egerländer Musikanten, schwärmte vom Gewandhaus-Auftritt, vom Leipziger Publikum, von den Passagen, von der Nikolaikirche, in der er stets Andacht halte.
„Staub wischen“ beim Hochadel – das gehörte ebenso zu meinem Kolumnistinnen-Dasein. Vor dem Interview mit Albert Prinz von Sachsen wurde ich in höfische Sitten eingeweiht, lernte den Knicks und dass ich ihn mit Königliche Hoheit anzusprechen habe. Als ich ihm und seiner Frau gegenübersaß, meinte er, die Hoheit könne ich mir sparen. Völlig zwanglos, aufschlussreich, mit privaten Ansichten gespickt war das Gespräch – kein Deut von Abstand. Das erlebte ich auch bei Alexander von Bismarck, der mich mehrmals in sein Schloss nach Döbbelin bei Stendal einlud, wo er mit seiner Familie wohnte, Dorffeste organisierte, half, einfach mittenmang war. So wie die Hoheiten Karl Habsburg-Lothringen und Georgi Michailowitsch Romanow, Großfürst von Russland, Chef der Adelsfamilie der Romanows beim Völkerschlachtjubiläum.
So bunt wie der Alltag, so bunt war auch der Tratsch über Leipziger, über Leute wie du und ich. Aus der Vielfalt herausgegriffen, denke ich an Günther Petzold, den Meisterkoch. Nach der Wende verhalf er mit anderen dem Internationalen Kochkunstverein zu neuem Ansehen. Waren das noch Zeiten, als 2001 1500 Köche in Leipzig den Laurentiustag feierten … Ich denke an Joachim Petschat und seine Leierkastenfeste, die Leipzig gut zu Gesicht stehen, an Larsen Sechert, den Schauspieler, der einst in Grünau Kinder und Jugendliche fürs Theaterspielen begeisterte und heute in der Feinkost für Unterhaltung sorgt. An Peter Schreiber und den Verein für internationale Unterhaltungskunst, die neben Künstlerstammtisch und anderen Treffs Schulkinder an die Artistik heranführen, Sommerfeste veranstalten. Ich denke an Julia Cissewski, die mit ihrem Verein den Orang Utans in Not eine Stimme gibt. An den Malermeister Markus König und seine literarisch-musikalische Ader, an Brigitte Ziegan, die Teddys für Bärenherz strickt, den Erlös spendet…
Es gibt noch so vieles, was verdiente, hier erwähnt zu werden. Doch nun ist es Zeit, Tschüss zu sagen, mich zu bedanken – bei Ihnen, verehrte Leserinnen und Leser, bei all denen, die meiner Kolumne Aufmerksamheit schenkten, beim Redaktionsteam, bei denjenigen, die Ihnen die Rundschau in die Haushalte bringen.
Noch zwei Wünsche hätte ich: Bleiben Sie gesund und weiter so interessiert an der Kolumne der Leipziger Rundschau, die nun in den Händen von Regina Katzer liegt.
Herzlichst
Ihre Traudel Thalheim