Sie hat ein einfaches Rezept, bis ins hohe Alter gesund und fit zu bleiben: das Gärtnern. Ilse Weimert entdeckte es aber erst, als sie in Rente ging. Das war vor 30 Jahren. Und noch immer ist sie täglich in ihrem Schrebergarten und genießt dort das grüne Glück zwischen jungem Gemüse und alten Bäumen.
„Ich war einst ein unruhiger Geist und Globetrotter“, gibt Garten-Ilse zu. Sie erholte sich lieber am Schwarzen Meer als auf einer eigenen Scholle in der Stadt. Und just als ihr durch die politische Wende die ganze Welt offen stand, entschied sich die gebürtige Leipzigerin eher für einen Garten mit einer kleinen Laube. „Ich bekam nun Rente und sehnte mich nach einem Ruhepol und sinnvoller Beschäftigung“, begründet sie ihren Schritt in Richtung Heimat.
Den fand die ehemalige Kliniksekretärin ein paar Hundert Schritte von ihrer Wohnung entfernt in der 1920 gegründeten Kleingartenanlage „Osthöhe“. Rund 230 Quadratmeter groß ist Ilses Reich. „Das war völlig verwildert, als ich es 1989 übernahm“, erinnert sich die Alleinstehende. Drei Jahre brauchte sie, bis sie die Unkraut-Unbilden gezähmt hatte. Seitdem herrscht Ordnung bei Garten-Ilse. Ihre Tomatenpflanzen züchtet sie selbst im Frühjahr aus kleinen Samen vor. „Dabei probiere ich immer mal exotische Sorten aus“, erzählt die Naturfreundin und schwört seit einigen Jahren vor allem auf schwarze Tomaten, wie die „Black Krim“ oder die „Black Cherry“. Mit dem geernteten Gemüse und den Kräutern kocht sich die Hausfrau noch jeden Tag ihr Mittagessen selbst. Natürlich plagen sie hier und da schon Zipperlein, „doch bin ich in meinem Garten an der frischen Luft, sind sie wie weggezaubert“, schwärmt die Seniorin.
Auch mit 90 Jahren baut sie alles noch allein an. Bei komplizierten Handwerkerarbeiten an der Laube oder am Zaun helfen Gartenfreunde aus der Nachbarschaft. „Wir sind hier wie eine richtige Familie“, lobt Ilse freudestrahlend. Sie möchte noch weiter gärtnern, bis sie 100 Jahre alt wird. Der Gartenvorstand freut sich über so viel Power und unterstützt sein Mitglied. Als Garten-Ilse kürzlich ihren 90. Geburtstag feiern konnte, bekam sie die Arbeitsstunden, die jedes Mitglied pro Jahr leisten muss, auf Lebenszeit geschenkt. Früher ging die Leipzigerin zehn Minuten zu ihrem Paradies, heute braucht sie die doppelte Zeit. Aber das hindert sie nicht daran, auf dem Rückweg in einem Wägelchen Regenwasser in Flaschen mit nach Hause zu nehmen. Denn mit ihm gießt sie die Blumen in ihrer Wohnung. Einmal Gärtner, immer Gärtner.
Thomas Gillmeister