Die Premiere von „Die wundersame Reise der kleinen Sofie“ ist gespielt – Zeit für Samira Lehmann und Stefan Wenzel, um auch mal wieder in der Werkstatt zu arbeiten. Foto: JW

LEIPZIG. „Irgendwie ist es für mich eher wie ein Zug, auf dem ich unterwegs bin“, überlegt Samira Lehmann. Dabei hatte dieser erwähnte Zug ein ziemlich klares Ziel – die Premiere des neuen Theaterstücks „Die wundersame Reise der kleinen Sofie“ am vergangenen Freitag im Leipziger Westflügel.

Dieser erwähnte „Zug“ beschreibt wohl in erster Linie diese ganz eigene Dynamik, mit der sich jetzt, eine Handvoll Tage vor eben jener Premiere, die Dinge entwickeln. Ensemble-Partner Stefan Wenzel berichtete im Vorfeld davon, wie die ganz normalen Alltäglichkeiten langsam, aber sicher aus dem Fokus rücken: „Sie sind noch da, aber sie treten weiter zurück.“ Dabei waren die beiden ganz entspannt – es ist Probenpause, aber dafür wartete die heimische Werkstatt. Es gab nach den Durchlaufproben noch einiges zu tun, zu bearbeiten, zu verändern, zu bauen …

Richtig – hier geht es um Figurentheater. Darum, dass sich (nicht nur) das Ensemble „Lehmann und Wenzel“ eben auch alles selbst baut – die Puppen, die Dekorationen, das Bühnenbild. Und ja – es ist genau diese Verbindung aus dem Darstellenden und dem Handwerklichen, die die beiden so begeistert. Spannend ist an dieser Stelle, dass sie jeweils auch von der „anderen Seite“ zum Figurentheater gekommen sind, wie sie erzählen. Eigentlich, meint Samira Lehmann, gab‘s da ja mal diese Begeisterung für das Bildnerische. „Ursprünglich wollte ich tatsächlich Bühnenbild studieren, aber dann kam das Straßentheater dazwischen“, da war sie unter anderem an verschiedenen Projekten in Südamerika beteiligt – und die Begeisterung war geweckt. Nicht zuletzt, weil das Straßentheater so fordernd ist: „Da muss man immer wach sein. Und ganz direkt mit dem Zuschauer agieren.“ Dass Samira Lehmann sich da auch so einiges mitgenommen hat für das Figurenspiel, nun, dies kann sie mit einem Lächeln nicht verhehlen.

„Ich habe schon zu Schulzeiten die Ahnung gehabt, dass es das Theater sein kann“, überlegt hingegen Stefan Wenzel. Und dann entdeckte er im Puppenspiel einen spannenden Aspekt: „Ich fand diese Vorstellung, dass man sich auf der Bühne schon entblößt, aber dabei immer noch durch eine Figur, mit einer Puppe agiert, ziemlich großartig.“ Na ja, und weil das Figurentheater eine ziemlich kleine Szene ist, „in der jeder jeden kennt“, liefen sich die beiden schnell über den Weg – genauer gesagt beim Studium an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst in Stuttgart.

Womit ein weiterer wesentlicher Punkt ins Spiel kommt, den man bei der Betrachtung des Ensembles „Lehmann und Wenzel“ unbedingt bedenken muss – die Musik. Mit wunderbarem Lächeln sprechen sie intensiv und wohlbedacht über den Rhythmus, den ein Stück haben kann. Und auch darüber, dass ganz am Anfang eben die Musik stand. „Unser erstes Stück war eine klassische Improvisation, drei Stunden lang, mit jeder Menge Musik“, erinnert sich Samira Lehmann. Und Stefan Wenzel ergänzt: „Dies war eben auch das Schöne am Studium: Da gab es die Möglichkeit, so etwas zu machen. Und auch die Menschen, die es sich angeschaut haben.“

Von Stuttgart nach Leipzig ist da nur noch ein Katzensprung. Genauer gesagt, an den Westflügel. An das Haus, für das etwa das Stück „Der Freischütz“ produziert wurde, mit dem sie 2013 den Leipziger Bewegungskunstpreis gewannen. Und das bis zum heutigen Tag die so wichtige künstlerische Heimat der beiden ist. „Ich habe das Gefühl, dass hier viel möglich ist“, überlegt Stefan Wenzel und Samira Lehmann freut sich darüber, wie in dieser Stadt ein kreativer Austausch stattfindet … Mal ganz abgesehen von der Sicherheit einer festen Spielstätte, „auch wenn es nach wie vor toll ist, die Stücke auch an anderen Orten aufzuführen“. Denn immerhin kommt der Westflügel dem künstlerischen Konzept der beiden enorm entgegen – denn dies beruht nicht zuletzt darauf, sich das Feedback schon in die Produktion einzubauen. Ein Regisseur ist da gewissermaßen Pflicht, wobei eben dieses Netzwerk hilft. Da spielt dann das Lernen, die Weiterentwicklung eine große Rolle. „Es war richtig spannend, jetzt mit Christiane Zanger als Regisseurin zu arbeiten“, überlegt Samira Lehmann: „Ein weiteres Augenpaar ist ohnehin immer wichtig. Und es ist für uns ja auch das erste echte Kinderstück.“

Wobei diese Idee zuerst da war, vor dem Skript, vor der ersten Puppe – es sollte jetzt ein Kinderstück sein. „Und irgendwann kam Christiane mit dem Buch ‚Die wundersame Reise der kleinen Sofie‘, das ich nicht kannte. Und ich habe es auch nirgendwo bekommen – also bin ich in eine Bibliothek und habe es in einem Zug durchgelesen“, berichtet Samira Lehmann. Schon war er übergesprungen, der Funke – weil da eine Dringlichkeit drinsteckt in dieser Geschichte des schwerkranken Kindes, das noch so viel erleben möchte. „Und auch noch eine direkte Verbindung zur Realität“, schiebt Stefan Wenzel nach.

Nun hatte das Stück Premiere, der Zug rollt. Mit an Bord ist als dritte Spielerin Pauline Drünert, „für uns eine echte Bereicherung“. Es gibt noch das ein oder andere zu feilen und dies wie schon erwähnt im wahrsten Sinne des Wortes in der heimischen Werkstatt. Wobei Samira Lehmann diesen Zauber des handwerklichen Arbeitens wunderbar zu beschreiben weiß: „Es ist schon ein besonderer Moment, wenn man der Hauptrolle mit den eigenen Händen ein Gesicht gibt. Und meistens fange ich ja auch erst einmal an zu bauen und schaue, wie es sich entwickelt.“

Später macht Stefan Wenzel auf einen weiteren bemerkenswerten Aspekt aufmerksam: „Damit ergibt sich noch einmal eine ganz andere Ebene, auf der ich ein Stück begreife.“ Vielleicht liegt ja da auch ein Zauber des Figurentheaters – im Verständnis des Konkreten, in der Verbindung von Darstellung und Handwerk. Wobei aber eben eines auf keinen Fall vergessen werden darf – und genau dies wünschen sich auch Samira Lehmann und Stefan Wenzel die kommenden Vorstellungen: „Da geht es vor allem um Spielfreiheit.“ J. Wagner

Termine: „Die wundersame Reise der kleinen Sofie“ feierte am 31. August im Leipziger Westflügel Premiere. Weitere Aufführungen gibt es am 2., 7., 8. und 9. September. Weitere Infos findet man unter www.westfluegel.de sowie unter lehmannundwenzel.blogspot.com. PM

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