Nicht auf dem Rücken der Pferde, sondern auf dem Drahtesel findet Angelika Hart ihr Glück und den wichtigen Ausgleich – auch bei den Stippvisite in Leipzig. Foto: JW

LEIPZIG. „Alles war schon eine Sache der Neugier“, überlegt Angelika Hart: „Die Idee, den Anschluss an die alte Heimatstadt zu finden.“ Und so steht die Schauspielerin, die eigentlich in Heilbronn zu Hause ist, nun wieder in Leipzig auf der Bühne.

Es ist nicht irgendeine Bühne – und es ist auch nicht irgendein Stück. Die Bühne gehört zum Kabarett academixer. Und im Stück steht sie zum ersten Mal mit ihrer Halbschwester Elisabeth Hart auf eben dieser Bühne. Längst haben alle Kenner der Leipziger Kabarett-Tradition aufgehorcht: Ja, Angelika Hart ist eine Tochter von Jürgen Hart. Und ja, sie kennt diese academixer-Bühne ganz genau: „Ich kannte den Keller aus meiner Kindheit. Und ja, da hat man schon sentimentale Gefühle …“

Dabei gab‘s für sie eigentlich kein langes Nachdenken, als diese Anfrage aus der alten Heimat eintrudelte. Kabarett mit Regisseur Volker Insel? Und mit der Halbschwester Elisabeth? Nur zu! Denn diese Lust auf das Ausprobieren, das Entdecken, das Experimentieren zieht sie wie ein roter Faden durch das Leben von Angelika Hart. Da ist die Theaterschauspielerin, die heute ganz nüchtern sagt: „An einem Stadttheater gibt es so viele Deja-vu-Momente, weil sich meist der Spielplan nach zehn Jahren wiederholt. Ich musste aus dieser Maschinerie raus.“ Weil sie für sich erkannt hat, dass da noch viel mehr geht: „Ich denke, ich habe noch mehr Talente und Möglichkeiten.“

Einige von ihnen erkundet sie gerade frisch auf der Kabarett-Bühne in Leipzig, andere hat sie längst noch während der Theaterengagements entdeckt. Stichwort interkulturelle Kommunikation: „Auf einmal habe ich die Theaterclubs für mich entdeckt. Zum Beispiel die Arbeit mit jungen Flüchtlingen.“ Wobei der bemerkenswerte Arbeitsethos von Angelika Hart geholfen hat: „Wenn man etwas Neues entdecken und sich erarbeiten möchte, dann muss man auch etwas investieren.“ Als dann an einer Schule in Obereisesheim ein Filmprojekt zu den Themen Flucht und Asyl startete, war sich die gestandene Ensembleschauspielerin eben nicht für die Hilfsarbeiten zu schade.

Eine Investition, die sich lohnte: „Da habe ich konzeptionell so viel gelernt.“ Und die Tür war offen für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Mithin die Tür raus aus der erwähnten Maschinerie. Heute hat Angelika ein weiteres Zweitstudium in der Tasche (Speech Communication and Rhetoric an der Uni Regensburg) und es sind die eigenen Projekte, die sie auf die Bühne bringt. Stücke wie „Windy City“ – eine Schauergeschichte, die erst im Mai ihre Premiere bei den Freilichtspielen Neuenstadt feierte. „Das ist sogar ein ziemlich komplexes Stück – und nicht wenige Eltern waren echt überrascht, wie ihre Kinder da auf der Bühne agiert haben“, erinnert sie sich an diese Aufführung: „Die waren mit Leidenschaft dabei – und wollten gleich an eine zweite Staffel rangehen!“

Gelernt hat Angelika Hart dabei auch eine ganze Menge. Zum Beispiel, dass einem die eigene Professionalität manchmal ein Bein stellen kann – weil man mit Kindern eben ganz anders arbeiten muss. „Je besser man mit einem Thema oder auch mit einer Requisite begeistern kann, umso größer ist die Bereitschaft, sich in die Gemeinschaft einer Theatergruppe zu integrieren“, überlegt Angelika Hart: „Man darf nie vergessen: Sich auf die Bühne stellen und Texte aufsagen ist nun mal nicht jedermanns Sache.“

Vielleicht hat dieses Wissen auch geholfen, die Herausforderung „academixer“ zu meistern. Denn natürlich ist dies ein ordentlicher Schritt raus aus der „Komfortzone Schauspieler“ – etwa wenn man sich darüber Gedanken macht, warum das Publikum nicht lacht. Oder an der falschen Stelle. „Aber diese Arbeit hatte etwas sehr Beruhigendes – weil das Ensemble im positiven Sinne sehr professionell ist. Und weil es auch hier darum geht, das Stück so gut wie möglich auf die Bühne zu bringen.“

Gratis zu diesen neuen Kabarett-Erfahrungen dazu gab‘s quasi die Neuentdeckung der alten Heimatstadt. Von jenem Leipzig, das ihr vor allem als Stadt der Industrie in Erinnerung geblieben ist. „Ach, da war schon eine Menge Sentimentales“, meint sie mit einem Lächeln: „Der Steinelefant im Clara-Zetkin-Park an der Pferderennbahn, von dem ich mal böse auf den Popo gefallen bin, ist ja gar nicht so groß.“ Und nach einer Weile ergänzt sie: „Ja, ich denke schon, dass ich meinem Vater hinterher gespielt habe.“ Vom Schulchor bis an die Hochschule für Musik und Theater: „Ich habe mich einfach beworben und ich wurde genommen.“ Heute kennt sie die vielen Seiten des Berufes – Stichwort Maschinerie! – und schaut selbst mit einem lachenden und einem weinenden Auge auf die Tochter, die in Berlin in die schauspielerischen Fußstapfen tritt. „Aber sie hat es sich erkämpft und dann hat es auch seine Richtigkeit.“

Ohnehin – wenn der ganze „kleinteilige Ärger, die kleinen Stolpersteine des Alltags“ zu hinderlich werden, bleibt ja immer noch das Fahrrad. Für Angelika Hart ist das Radfahren geradezu essentiell – wegen der eigenen Gesundheit am Körper, aber eben auch am Geist. „Da ist man völlig auf sich zurückgeworfen. Und dann spüre ich richtig, wie sich dieser kleinteilige Ärger geradezu auflöst.“ Und später sagt sie bemerkenswerte Sätze: „Es ist nicht alles fair im Leben. Und nicht gerecht. Aber eigentlich ist das Leben doch gar nicht so schlimm. Letztlich geht es mir um das Plädoyer für ein Miteinander. Um die Frage, ob ich etwas für andere Menschen tun kann.“

Den entsprechenden Ideen sind keine Grenzen gesetzt – da trifft man wieder auf die Lust am Entdecken. Angelika Hart nutzt nur zu gern die Freiheit der Selbstständigkeit – auch mit Blick auf das Theater. „Ich möchte mit dem Theater nicht einfach nur die Wirklichkeit abbilden, sondern daüber hinaus gehen“, erzählt sie von einem Stück, das sie mit einem experimentellen Theater in Berlin entwickelt: „Ich interessiere mich sehr für Interaktion. Ich habe Lust auf Formate, bei denen man sich als Zuschauer positionieren muss.“ Mit einem Lächeln ergänzt sie: „Man gibt Impulse und lässt die Dinge laufen.“  J. Wagner

Termine: Das Stück „SOS Familienurlaub“ mit Angelika und Elisabeth Hart sowie Claudius Bruns und Armin Zarbock wird im Juli im Rahmen des academixer-Sommerkabaretts aufgeführt: Es ist vom 19. bis 24. Juli jeweils um 20 Uhr im Paulaner-Palais zu sehen. Alle Informationen findet man unter www.academixer.com.

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