Auf sechs Jahrzehnte Bestand blicken die Fotografinnen und Fotografen des Kunst- und Fotovereins Grimma zurück. Die Erinnerungen an die vielen fotografischen Aktivitäten, Ereignisse und Projekte gestalten sich für die Mitglieder so lebhaft, dass mancher gar nicht glauben möchte, dass der Verein schon 60 Jahre lang existiert.
25 Jahre im real existierenden Sozialismus der DDR und fast 35 Jahre im vereinten Deutschland – eine jeweils spannende Zeit auf ihre eigene, spezifische Art. So brachte sie sowohl hochwertige künstlerische Fotografien als auch wertvolle Bilddokumente hervor. Als der bekannte Fotograf Gerhard Weber, damals gerade 24 Jahre alt, am 12. Mai 1964 gemeinsam mit einigen stark motivierten Fotoamateuren die „Kreisarbeitsgemeinschaft Fotografie“ im Grimmaer Kreiskulturhaus (auf dem heutigen Volkshausplatz) gründete, ahnte keiner von ihnen, dass nach über 60 Jahren die Freude und das Interesse an der Fotografie unverändert bleiben würden.
Foto-Gemeinschaft stand vor dem Aus
„Anfang der 1990er Jahre, also nach der Friedlichen Revolution, fiel nach anfänglicher Euphorie die fotografische Gemeinschaftsarbeit in ein tiefes Loch. Die Gruppe begann auseinanderzufallen“, erinnert sich Weber. „Die gesellschaftlichen Träger der Kulturgruppen lösten sich auf oder wurden abgewickelt, die Arbeitsräume privatisiert und für die schöpferische Arbeit geschlossen. „Gemeinsam mit dem Mal- und Zeichenzirkel am Kulturhaus Grimma gründete sich daraufhin der Kunst- und Fotoverein Grimma.“
Neue Partner für die künstlerische Arbeit wurden gesucht und gefunden. Gemeinsam mit der Sparkasse Muldental fand seit 1994 regelmäßig aller zwei Jahre die „Muldental Fotoschau“ statt, an der sich alle Fotografen, ob Amateure oder Profis, aus dem gesamten Landkreis beteiligen konnten.
Eine der größten Fotoschauen in Sachsen
Zwischenzeitlich war sie zu einer der größten Fotoschauen in Sachsen herangewachsen. Mittlerweile ist sie jedoch Geschichte. In Gemeinschaftsarbeit mit der Gesellschaft Schloss Colditz und dem Deutschen Verband für Fotografie organisiert der Fotoverein dafür mittlerweile alle drei Jahre auf Schloss Colditz die „Sächsischen Fototage“ mit Teilnehmern aus dem ganzen Freistaat. 1979 von Gerhard Weber als „Colditzer Farbdiatage“ ins Leben gerufen, ist das Konzept von damals noch aktuell und beliebt wie vor 45 Jahren. Die letzte Auflage ging Anfang November 2023 über die Bühne. Neben bildkünstlerischen Aspekten ist die Fotodokumentation für künftige Generationen von unschätzbarem Wert.
Thematische Ausstellungen wie „Hochwasser 2002“, „Liederflut in Grimma“ und „Wasserzeichen – 20 Jahre Jahrhundertflut in Grimma“ dokumentieren das wechselvolle Leben in Grimma und bleiben der Nachwelt somit in optischer Form erhalten. Als großer öffentlichkeitswirksamer Höhepunkt gestaltete sich die Feier anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Fotovereins Grimma im Mai 2004.
Unter dem Titel „Brückenschlag“ wurde mit einer Länge von 2286 Metern die längste Fotoschau der Welt installiert. Von der durch die Hochwasserflut 2002 zerstörten Pöppelmannbrücke zog sich die „Schau auf der Leine“ mit insgesamt 7647 Fotos – mit Wäscheklammern befestigt – bis zur wiedererrichteten Hängebrücke unterhalb der Gattersburg und weiter über die Brücke bis in den Stadtwald hin.
Fast Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde
Der optische Eindruck der schier endlos erscheinenden, im Winde wehenden Bildergalerie war für alle Besucher eine Faszination der besonderen Art. „Fast hätte es für einen Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde gereicht. „Doch dazu hätten alle Fotos die gleiche Größe haben müssen. Das war nicht machbar, schließlich waren für auf die Spenden hunderter Papierfotos aus ganz Deutschland angewiesen“, bedauert Thomas Kube, der heutige Leiter des Fotovereins.
Nach diesem Großereignis übernahm der Grimmaer Fotograf Kube die künstlerische und organisatorische Leitung des Arbeitskreises Fotografie im Kunst- und Fotoverein Grimma. Als Bildreporter der LVZ führt er die Geschicke des Vereins bis heute mit großem Engagement fort. Dabei motiviert er die Mitglieder unermüdlich, genau hinzuschauen, sich auszuprobieren und auch mal neue Wege zu gehen. Weiterentwicklung bei hoher künstlerischer Qualität ist sein Anspruch – ganz im Sinne seines Vorgängers Weber.
Anlässlich seines 50-jährigen Bestehens im Jahr 2014 schaffte der Fotoverein Grimma etwas Dauerhaftes und immer Sichtbares für alle Grimmaer und Besucher der Klosterkirche: ein überdimensional großes beleuchtetes Wandbild in Form eines Fotomosaiks. Es besteht aus 1035 Porträtfotos und wurde auf einem Spezialstoff gedruckt. Das Motiv zeigt die zerstörte Pöppelmannbrücke nach dem ersten Hochwasser 2002. Es ist eine Hommage an die vielen Helfer und Einsatzkräfte während der beiden Hochwasserkatastrophen in Grimma und zugleich eine bleibende Erinnerung an das 50-jährige Bestehen des Fotovereins.
Arbeitskreis trifft sich einmal im Monat
Der Arbeitskreis Fotografie trifft sich einmal im Monat, jeden letzten Donnerstag ab 19 Uhr, im Vereinsraum des Mehrgenerationenhauses „Alte Feuerwehr“ am Nicolaiplatz 5 im Stadtzentrum von Grimma. Er besteht gegenwärtig aus rund 25 Mitgliedern, die nicht nur aus Grimma, sondern auch aus Leipzig, Waldheim, Oschatz und Colditz kommen. Zum Vereinsabend bringt jeder seine drei besten Fotos des Monats mit, die über einen Beamer an die Leinwand projiziert werden. Dann wird diskutiert, gelobt, kritisiert und abgestimmt: Welches Bild besteht und ist überdurchschnittlich gut? Mit welchem Bild ist bei einem Wettbewerb ein Preis zu gewinnen und welches hat bei einer Ausstellung die Chance, angenommen zu werden?
In den letzten Jahren waren die Fotografen auf Ausstellungen und Wettbewerben immer wieder erfolgreich, so unter anderem beim internationalen Fotowettbewerb „German International Photocup“, dem bundesweiten Fotowettbewerb „100 Bilder des Jahres“ von der Gesellschaft für Fotografie in Berlin und den „Landesfotoschauen“ des Deutschen Verbandes für Fotografie (DVF). Selbst bei der „Süddeutschen Fotomeisterschaft“ 2015 kam der Hauptpreisträger aus Grimma und holte den Titel „Süddeutscher Fotomeister“ an die Mulde.
Bei der neuen Jubiläumsausstellung, die noch bis etwa Mitte November öffentlich präsentiert wird, zeigen die Mitglieder nunmehr viele dieser herausragenden Fotoarbeiten, die zugleich eine große und abwechslungsreiche Motivvielfalt garantieren. Gerhard Weber hingegen wartet wieder mit Schwarzweiß-Aufnahmen aus DDR-Zeiten auf. Er zeigt Werktätige und Kinder aus sozialistischen Zeiten aus de Muldentalregion. TK