Leipzig. Den Weihnachtsmarkt in Leipzig hatte er schon erkundet, ganz allein und zurückgezogen. Und die ersten intensiven Tage hatte er auch schon erlebt, als sich Max Eberl vor einiger Zeit der Öffentlichkeit stellte – die ersten großen Schritte seiner „zweiten Karriere“, wie es der neue Geschäftsführer Sport bei RasenBallsport Leipzig. Einer Herausforderung, die der 49-Jährige mit einem gehörigen Maß Demut, aber auch ungebrochener Leidenschaft für den Fußball angehen möchte.
Ja, das hatte ihn schon beschäftigt. Diese Frage, ob diese Sportart mit dem einen Ball, den 22 Menschen und den beiden Toren an den (kürzeren) Enden des Spielfeldes immer noch zum Lebenselixier taugt. Umso schöner die Erkenntnis, gesammelt in den Niederungen des Schweizer Amateurfußballs bei Bratwurst und Bier: „Ich hatte befürchtet, mit dem Fußball gebrochen zu haben. Aber da habe ich bemerkt: Das Spiel ist es nicht.“ Zum Glück, denn sonst wäre ein Geschäftsführer Sport namens Max Eberl nicht vorstellbar – dies wird rasch deutlich.
Rückblick auf 2022
Denn mit einer (bemerkenswert) schonungslosen Offenheit hatte ein Einblick gegeben in ein Jahr 2022, in dem sich alles veränderte für den Menschen Max Eberl. Der Hintergrund: Im Januar 2022 warf er das Handtuch als Geschäftsführer Sport bei Borussia Mönchengladbach – weil es einfach nicht mehr ging. „Irgendwann war ich mal müde“, müde von einer Karriere, in der es immer wieder ein erneutes „Höher-Schneller-Weiter“ gab. Einen stetigen Aufstieg, aber eben ohne Pausen zum Verschnaufen und Nachdenken. Zum Reflektieren und zum Stillstehen, wie es der 49-Jährige selbst nennt: „Diese zehn Monate waren für mich als Person Max Eberl extrem wichtig.“
Eigentlich sollte diese Auszeit vom großen Fußball-Geschäft noch ein paar Monate länger dauern, bis 2023 mindestens. Aber es kamen halt ein paar Dinge zusammen – diese eingangs erwähnte Leidenschaft für das Spiel Fußball beispielsweise oder auch die Familie als wichtiger Rückhalt. „Es kribbelt wieder und die Lust ist wieder da“, da hatte es sich unbedingt angeboten, dass Oliver Mintzlaff – der den Kontakt auch in den Monaten der Eberl’schen Auszeit nicht abreißen ließ – schon eine Idee hatte, was man gegen dieses Kribbeln machen kann. Mit einem Job als Geschäftsführer Sport in Leipzig beispielsweise.
Wobei Max Eberl durchaus eines klarstellt – strategisch geplant wäre hier gar nix gewesen. Vielmehr spricht er über Empathie im Umgang und darüber, dass „die Frage: Wie geht es Dir? eine ganz neue Bedeutung für mich gewonnen hat“. Was aber wiederum Vertrauen schaffte und die Basis dafür legte, dass Max Eberl bei dem entsprechenden Job-Angebot nicht großartig überlegen musste. Mit Volldampf rein in die zweite Karriere nach einem Fußball-Leben für die „Fohlen“, gewissermaßen.
Allerdings gibt sich der neue Mann an der (Sport-)Spitze der „Roten Bullen“ hochgradig zurückhaltend. All jene, die Kampfansagen irgendwelcher Art erwartet hatten, wurden beim ersten öffentlichen Auftritt enttäuscht, die hatte Max Eberl nicht im Gepäck. Eher schon eine ausgeprägte Demut, die sich in einer vollkommenen Abwesenheit einer wie auch immer gearteten „To-do-Liste“ äußerte. „Das hat hier auch ohne mich großartig funktioniert“, blickt er auf den Ist-Zustand bei RB Leipzig: „Ich muss hier keine großartigen Entscheidungen fällen, weil es großartig läuft.“
Was dann wiederum die komfortable Situation eines gleichermaßen achtsamen wie intensiven Kennenlern-Prozesses eröffnet. Erste klare Ansage: „Ich komme allein und ich bin alleine da.“ Sprich – nein, da wartet kein Team im Hintergrund, das bei nächstbester Gelegenheit installiert wird. Vielmehr möchte der neue Geschäftsführer Sport erstmal alles kennenlernen, was da ist – an Voraussetzungen und Chancen. Immerhin sieht er Leipzig in dieser Hinsicht noch mal eine Etage über der Borussia aus Mönchengladbach.
Interessant ist dabei auch, dass das Thema Nachwuchsleistungszentrum nicht mal eben nur in einem Nebensatz vorkommt. „Die Akademie muss mit Leben erfüllt werden. Und auch die Trainerausbildung muss voran gebracht werden – dies ist der Schlüssel“, gibt Max Eberl zu Protokoll und entwickelt den ein oder anderen spannenden Ansatz: Warum nicht mal die Talente aus dem Nachwuchszentrum bei kleinen Vereinen spielen lassen? Ohnehin: Das gesellschaftliche Thema Fußball bewegt den 49-Jährigen. „Der Fußball hat inzwischen eine extreme Dimension angenommen“, sagt er nachdenklich: „Da muss man aufpassen, dass man die Basis nicht verliert. Der Fußball muss greifbar bleiben für die Menschen.“
Wiedersehen mit ManCity
Was man vielleicht bei ein paar anstehenden großen Terminen wie dem Kracher gegen die Bayern zeigen kann: Einen anspruchsvolleren und damit emotionaleren Einstieg in den neuen Job kann man sich kaum vorstellen. Erst recht, wenn man in München aufgewachsen ist und nach wie vor enge Beziehungen dorthin pflegt. Und dann ist da ja auch noch das Wiedersehen mit Manchester City im Achtelfinale der Champions League am 22. Februar 2023 zunächst in der heimischen Red Bull Arena. „Genau der Gegner, gegen den Marco Rose und ich damals ausgeschieden sind“, meint Max Eberl mit einem Lächeln. Mal schauen, was beim Wiedersehen im Jahr 2023 so alles gehen kann. Jens Wagner