Leistungssport trotz Studium: Melanie Gebhardt hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass man trotz Uni-Stress in der Weltspitze mitmischen kann. Foto: privat

Leipzig. Studium und Leistungssport miteinander zu vereinbaren, ist nicht immer einfach. Davon können viele Leistungssportler ein Lied singen – so, wie die 28-jährige Rennkanutin Melanie Gebhardt. Die Olympia-Fünfte von Tokio im Kajak-Vierer studiert seit 2013 an der Universität Leipzig Sonderpädagogik und kennt das Spannungsfeld zwischen Hörsaal, Trainingsalltag und Wettkampfreise sehr gut.

Sie sind in Hof aufgewachsen. Warum haben Sie sich damals für einen Wechsel nach Leipzig entschieden?

Melanie Gebhardt: Hier gibt es einen Bundesstützpunkt. Die Erfolge der anderen Sportlerinnen und Sportler haben schon damals klar für Leipzig gesprochen. Außerdem ist es von Hof nach Leipzig nicht so weit, die Strecke fährt sich gut. Ich bin damals mit 15 Jahren hierhergekommen. Da war es mir und meinen Eltern wichtig, dass wir nicht 500 Kilometer voneinander entfernt sind. Und ich habe den Wechsel nach Leipzig zu keiner Zeit bereut. Ich kannte Leipzig ja auch schon vorher von einigen Besuchen.

Seit 2013 absolvieren Sie parallel zum Leistungssport ein Studium der Sonderpädagogik. Ist es schwer diesen Spagat zu schaffen?

Es ist tatsächlich eine große Herausforderung, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber in Leipzig hat man eine gute Unterstützung – unter anderem durch die Kooperation zwischen der Uni und dem Olympiastützpunkt. So gibt es für uns zum Beispiel Extra-Termine für die Seminar-Einschreibung. Oftmals gibt es auch persönliche Absprachen mit den Dozenten, um zum Beispiel Arbeiten auch mal etwas später abzugeben. Das funktioniert richtig sehr gut. Auch die kurzen Wege sind super. So kann ich wirklich bis kurz vor Beginn der Vorlesung oder des Seminars trainieren und dann schnell mit dem Fahrrad in die Uni fahren.

Mit welchen Erwartungen haben Sie Ihr Studium vor neun Jahren begonnen?

Ich bin ohne große Erwartungen in das Studium gegangen. Ich bin ja auch nicht die erste Leistungssportlerin, die studiert. Ich habe von Anfang an auf mich und meine Fähigkeiten vertraut. Das ist wichtig. Bislang habe ich das ganz gut hinbekommen.

Würden Sie anderen Leistungssportlern empfehlen, hier in Leipzig zu studieren?

Auf jeden Fall. Wichtig ist aber, dass man wirklich das studiert, was man nach der Karriere auch machen möchte und nicht das, was sich am besten mit dem Leistungssport vereinbaren lässt. Auch wenn es zwischenzeitlich mal schwer wird, gibt es für alles eine Lösung.

Sie studieren seit 2013. Wie ist der aktuelle Stand des Studiums?

Ich habe mich im April für das erste Staatsexamen angemeldet. Dafür schreibe ich derzeit an meiner Examensarbeit. Im Herbst stehen dann die Prüfungen auf dem Plan. Danach steht das Referendariat an. Das will ich aber erst nach meiner Leistungssport-Karriere absolvieren, um mich voll darauf konzentrieren zu können.

Wie muss man sich bei Ihnen einen ganz normalen Trainings-Uni-Tag vorstellen?

Weil ich fast fertig bin, bin ich nicht mehr so oft in der Uni. Ich hab nur noch wenige Vorlesungen. Ich habe in den letzten Jahren immer versucht, den Unterricht um das Training herum zu bauen. Meist bin ich 11.15 Uhr in der Uni, nach der ersten Trainingseinheit. Nach der Uni geht’s mit dem Training weiter bis zum Abend. Weil ich oft wegen Trainingslagern und Wettkämpfen unterwegs bin, habe ich das Studium gestreckt. Das Sommersemester – während der Saison – fällt meist komplett flach. Zur Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Tokio hatte ich zum Beispiel 2020 und 2021 Urlaubssemester.

Training, Wettkämpfe, Examens-Prüfungen: Das klingt nach einem straffen Plan für die nächsten Monate …

Ich habe in den letzten Jahren gemerkt, dass es immer irgendwie funktioniert – man muss es nur wollen. Es wird allerdings in diesem Jahr ein bisschen leichter als in den vergangenen Jahren, weil ich keine internationalen Wettkämpfe fahre.

Warum?

Der Verzicht auf die internationalen Wettkämpfe hat nichts mit der Examensarbeit und den Prüfungen zu tun. Ich bin aktuell international nicht konkurrenzfähig. Deshalb bin ich im April auch nicht bei den Qualifikationswettkämpfen für die Nationalmannschaft mitgefahren. In den letzten Monaten habe ich aber weiter fleißig trainiert, um wieder richtig in Form zu kommen und neu anzugreifen. Ich will auf jeden Fall noch bis zu den Olympischen Spiele in Paris in zwei Jahren weitermachen. Was danach kommt, weiß ich noch nicht.

Stichwort Olympische Spiele: In Tokio belegten Sie im vergangenen Jahr mit dem Vierer-Kajak den fünften Platz. Waren Sie zufrieden mit Ihrer olympischen Premiere?

Wenn man bei den Olympischen Spielen Fünfte wird, darf man eigentlich nicht unzufrieden sein. Trotzdem ist es schade, dass wir keine Medaille gewonnen haben. Insgesamt war in Tokio alles ziemlich aufregend, aber ganz anders, als ich mir das vorgestellt habe – natürlich auch wegen der ganzen Corona-Vorschriften.

Wie groß ist die Vorfreude auf Paris?

Sehr groß. Ich könnte mir vorstellen, dass es dort richtig schön wird. Diesmal ist es auch nicht so weit weg, sodass vielleicht sogar auch Freunde und Familie dabei sein können.

Statt vier liegen diesmal nur drei Jahre zwischen den Olympischen Spielen in Tokio und Paris. Ist das für Sportler ein Problem?

Es ist spürbar, dass das nacholympische Jahr fehlt. Im nächsten Jahr geht es bereits um die Quotenplätze, das baut schon etwas Druck auf. Das merkt man im Training. Aber ich bin optimistisch, dass ich in Paris dabei bin. Andreas Neustadt

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