Der Dornröschenschlaf der Schienentrasse Leipzig-Chemnitz dürfte Vergangenheit sein. Die Deutsche Bahn (DB) plant umfangreiche Ausbau- und Elektrifizierungsarbeiten, teilweise auf zwei Spuren. Ziele sind kürzere Reisezeiten, ein Fernverkehrsangebot sowie Klimafreundlichkeit.
Ende 2020 soll die Vorplanung abgeschlossen sein. Das Projekt Nummer 2-052-V03 im Auftrag des Sächsischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr ist mit rund 110 Millionen Euro veranschlagt. Pressesprecherin Nadine Stitterich vom Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) informierte auf Anfrage, dass Reisende zwischen Leipzig und Chemnitz mit dichteren Bedienungstakten und einer zweistündigen Fernverkehrsanbindung rechnen könnten. Die Elekrifizierung sei nicht vor 2028 fertig.
Eine stündliche, dabei durchgehende Verbindung gibt es via Linie RE 6 schon heute. Es verkehrt zudem der „Geithainer“ (RB 113) auf der Strecke. Jener Regionalzug mit den knallgelben Türen, im Volksmund liebevoll „Spielzeugeisenbahn“ genannt, fährt allerdings wirklich nur ab Leipziger Hauptbahnhof (Hbf) bis Geithain und retour. Das soll laut ZVNL auch so bleiben, eine Verlängerung des RB 113 bis Chemnitz sei nicht vorgesehen. Reisende aus schienennahen Orten wie Stötteritz, Liebertwolkwitz, Holzhausen, Engelsdorf oder ländlicheren Domizilen hätten also „von unterwegs“ weiterhin keinen Direktzustieg nach Chemnitz. Sie müssten wie gehabt erst zum Leipziger Hauptbahnhof reisen. „Könnte ich schon ab Holzhausen bis Chemnitz fahren, würde ich nächste Woche einsteigen“, wünscht es sich etwa Berufspendler Jens Fornow (53). Dafür brauche nicht erst modernisiert werden, es reiche der passende Anschluss.
Zum Leidwesen einiger Tagespendler fährt zudem besagter „Geithainer“ lediglich stündlich. Morgens zu 10 Uhr klafft im Fahrplan gar ein Loch. Michael Jaquet: „Ich habe gerade meinen Sohn von der Grundschule in Holzhausen abgeholt, den 14-Uhr-Zug nach Leipzig haben wir knapp verpasst. Nun müssen wir eine Stunde warten.“ Weitere Stimmen wünschen sich zu Stoßzeiten einen Waggon mehr, andere monieren die leicht zu übersehenden Fahrkarten-Entwerter ausschließlich am Bahnsteig, die manchmal auch kaputt seien.
Nadine Stitterich erläutert: „Mit der Neuausschreibung dieser Linie zum Dezember 2025 könnten die Taktlücken unter Voraussetzung der Finanzierbarkeit unabhängig vom Streckenausbau geschlossen werden.“ Die Regionalbahn Leipzig–Geithain bleibe auch nach 2025 bestehen. Der Betrieb laufe sobald möglich mit E-Triebfahrzeugen.
Das Holzhausener „Urgestein“ Jörg Wicke erinnert sich an die 60er-Jahre: „Meine Eltern setzten mich oft in den Bummelzug von Leipzig nach Karl-Marx-Stadt, dem heutigen Chemnitz, damit ich meine Oma besuchen konnte. Ich stieg in Holzhausen zu und war in eineinhalb Stunden dort. Und in Liebertwolkwitz winkte mir meine Tante vom Bahnhofsgebäude zu.“ Damals waren Autos Luxusgüter. Man reiste – so aktuell in der Klimaschutzdebatte anvisiert – gewohnheitsmäßig auf der Schiene von A nach B.
Was hält der ZVNL demnach von Zwischenstopps der Linie RE 6? „Weitere Haltepunkte sind nicht geplant, da das zu Lasten der Reisezeit zwischen Leipzig und Chemnitz ginge und somit deutlich mehr Fahrgäste durch längere Reisezeiten und verpasste Anschlüsse benachteiligt würden als die wenigen Fahrgäste, die aus kleineren Orten nach Chemnitz wollen“, so die Pressestelle.
Ein wenig aber dürfte sich für Reisewillige aus den „kleineren Orten“ doch einiges in die gute Richtung bewegen. „Nach dem fertigen Streckenausbau ergeben sich mit einer möglichen Taktverdichtung des RE 6 bessere Anschlüsse in Geithain zwischen RE 6 und RB 113“, zeigt Stitterich auf.
Anke Brod