Ob beim Schreiben oder einfach mal so zwischendurch – Schriftstellerin Amelia Cadan trinkt gern Kakao. Foto: André Kempner

Leipzig. Eher unscheinbar, zurückhaltend, kein Mensch lauter oder unbedachter Worte, der nach allgemeiner Aufmerksamkeit strebt – so erscheint Amelia Cadan auf den ersten Blick. Doch die 27-Jährige hat Interessantes zu berichten. Nicht nur darüber, dass sie mit dem New-Adult-Roman „Blossom“, für den sie den Münchner cbj Kinderbücher Verlag gewinnen konnte, ihr Debüt wagt.

Schon früh spielte das Schreiben für die gebürtige Oschatzerin eine entscheidende Rolle. „Ich habe mehrere Krippenspielgeschichten für die Kirche geschrieben“, blickt sie zurück. Auch in Fanfiction probierte sie sich aus. Dabei erzählen Fans eines Films, einer Serie, eines Buches oder von Computerspielen Geschichten dieser Originalwerke weiter oder entwickeln alternative Handlungsstränge. „Die wurden sehr schnell länger, bis hin zu Romanlänge“, erinnert sich Cadan. Sie lud die Geschichten ins Internet hoch – und erntete Kritik. Gute wie schlechte. „Dadurch habe ich gelernt, Kritik anzunehmen“, sagt sie heute.

Trotz Gegenwind blieb sie ihrem Traum treu und verfasste zahlreiche Manuskripte. Mit ihren Geschichten, die sich vor allem um Charaktere im Alter von 16 bis 24 Jahre drehen, scheiterte sie bei etlichen Kleinverlagen. Ihren heutigen Verlag fand sie durch eine Fügung. Wobei es vielmehr der Verlag war, der sie fand.

Im Internet suchte Amelia Cadan nach Testlesern für ihr Manuskript zu „Blossom“. Darin treffen ein hoffnungsloser Romantiker aus reicher Familie und eine starke, scheinbar unverwüstliche Schauspielschönheit aufeinander. Doch anders als in vielen ähnlich veranlagten Geschichten für junge Erwachsene, mischt Cadan ein weiteres Thema bei: sexuellen Missbrauch. „Das ist ein großes Thema für junge Menschen, es wird aber nicht sinnvoll drüber gesprochen“, findet sie, „ich wollte zeigen, dass das in nächster Nähe stattfindet und was es auf emotionaler Ebene mit Menschen macht.“ Eines Tages schrieb ihr eine Testleserin, dass sie Agentin sei und interessiert an dem Roman, sobald er fertig sei. „Das war eine echte Überraschung.“

Schulabbruch, Reisen und eine spontane Heirat

So zielgerichtet wie Amelia Cadan das Schreiben von jeher verfolgte, so losgelöst von vorbestimmten Wegen wandelt sie durchs Leben. Als Tochter einer ostdeutschen Mutter und eines westdeutschen Vaters – beide Akademiker – wird sie in Oschatz geboren. Die Familie zieht oft um. Als Amelia Cadan sechs Jahre alt ist, lassen sich ihre Eltern scheiden. Es kommt zum Rosenkrieg. Mit 17 Jahren bricht sie die Schule ab und geht mit ihrem Vater nach Niedersachsen. Statt für eine Ausbildung entscheidet sie sich für ehrenamtliche Arbeit mit Jugendlichen, mit denen sie sich sehr verbunden fühlt. Und fürs Reisen. „Ich konnte es mir wirtschaftlich leisten, durch die Gegend zu bummeln. Allerdings war ich dabei auch immer wenig anspruchsvoll“, sagt sie. Neben dem Reisen verbringt Cadan damals viel Zeit mit Computerspielen. Dabei lernt sie auch einen jungen Mann aus Jordanien kennen. Die beiden schreiben sich ein Jahr lang, dann besucht sie ihn in seiner Heimat. Nur einen Monat später zieht sie zu ihm, bis zur Hochzeit vergehen weitere drei Monate. „Mein Mann stammt aus dem traditionellen Teil Jordaniens. Da ist es unüblich, dass alleinstehende Frauen Männer treffen“, erklärt sie. „Unsere Heirat war definitiv willkommen, die gesellschaftlichen Gründe aber nicht unser Beweggrund.“

Knapp drei Jahre verbringt Amelia Cadan in Jordanien. Mit ihrem Mann spricht sie bis heute englisch. Auch mit seinem Bruder, seinen drei Schwestern und seiner Mutter, ihrer Schwiegermutter, ist das möglich. Zusammen mit ihrem Mann lebt sie im Gästezimmer seines Elternhauses. Doch nicht nur das scheint aus westlicher Perspektive ungewöhnlich. „Es war schon sehr gewöhnungsbedürftig. Wir hatten weder Heizung noch fließend Wasser“, sagt sie. Spannend, merkwürdig, ein Kulturschock.

Dass das Paar in Jordanien keine sichere Zukunft hat, war beiden schnell klar. Auch, dass sie gemeinsam nach Deutschland gehen werden. Mit Amelia Cadans Schwangerschaft war es dann so weit. Das Paar zieht nach Leipzig. Hier wird auch der gemeinsame Sohn geboren, der nun dreisprachig aufwächst: Englisch ist die Familiensprache, Amelia Cadan spricht Deutsch mit ihm, ihr Ehemann Arabisch. Als Haustier hält die Familie Königspython Halime. „Ich habe eine Tierhaarallergie und mein Mann mag Tiere. Er findet Schlangen spannend, wobei die Python viel schäft“, erklärt sie und lacht.

Selbst der Alltag mit Kleinkind hält Amelia Cadan nicht vom Schreiben ab. Ihre Gedanken und erste Textfassungen tippt die Schriftstellerin ins Smartphone. Dabei hört sie Musik, die zu den Protagonisten ihrer Geschichte passt – bei „Blossom“ Popmusik und Charts, wenn sie über die männliche Hauptfigur schrieb, Hardrock und Rap, wenn sie sich der weiblichen widmete.

Das Ausformulieren und Überarbeiten findet dann allerdings abends am Rechner statt. Stehen Termine oder wichtige Telefonate an, übernimmt ihr Ehemann die Kinderbetreuung. Ebenso wie den Haushalt. Dass das möglich ist, liegt daran, dass seine Ausbildung im Tourismusgewerbe in Deutschland nicht anerkannt wird.

Dadurch ist es schwer für den 31-Jährigen, eine Anstellung zu finden. „Ganz einfach ist das für ihn nicht“, sagt Cadan, „schließlich ist er mit dem Rollenverständnis ausgewachsen, dass er als Mann der Brotverdiener ist.“ Diese Aufgabe liegt nun bei ihr.

Inzwischen ist „Blossom“ auf dem Markt. Der zweite Band „Blush“ soll im Juli folgen. „Ich werde nie zu einem Publikumsverlag finden, habe ich immer von anderen gehört.“ Cadan hat ihnen das Gegenteil bewiesen. Patricia Liebling

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