Altenburg. „Gartenlust und Parklandschaft – die Geschichte des Altenburger Schlossparks“, so ist die jüngste Sonderausstellung des Altenburger Schloss- und Spielkartenmuseums überschrieben, die am vergangenen Wochenende – zunächst allerdings nur in einer virtuellen Variante – eröffnet wurde. Doch die Inzidenzen sinken, im Altenburger Land und in weiten Teilen Thüringens gleichermaßen, sodass demnächst mit Blick auf die coronabedingten Einschränkungen (auch für Kulturbetriebe und Museen) Lockerungsschritte im Freistaat zu erwarten sind.
Auf derlei Entwicklungen hin zu einer gewissen Normalität hofft auch Dr. Benjamin Spira, der besagte Exposition im Goldsaal des Altenburger Residenzschlosses kuratiert hat – „in sehr enger Zusammenarbeit mit Uta Künzl sowie den Mitarbeitern des Staatsarchivs und des Stadtarchivs“, wie er betont. Damit stellt sich der aus dem Rheinland stammende Kunsthistoriker, der auf seinem bisherigen Berufsweg bereits umfangreiche Erfahrungen sammeln konnte, so in Gotha oder in Stuttgart, den skatstädtischen Museumsfreunden erstmals mit einer selbst verantworteten Präsentation vor. Zugleich tritt der 43-Jährige, der seit wenigen Monaten auch ein „Neu-Altenburger Bürger“ ist, erstmals ins Rampenlicht einer breiteren Öffentlichkeit.
Bislang war sein Wirken eher im Hintergrund des musealen Alltags in der Skatstadt angesiedelt, denn Benjamin Spira trägt offiziell die Amtsbezeichnung „Persönlicher Referent des Direktors der Altenburger Museen“. (Zusätzlich) Eine Ausstellung konzeptionell, wissenschaftlich und organisatorisch zu betreuen, das gehört im Grunde nicht zu seinen primären Arbeitsaufgaben – und doch übernahm er diese reizvolle Aufgabe gern, sowohl als studierter Kunsthistoriker wie auch als eine willkommene Gelegenheit, mit diesem Thema sogleich tief eindringen zu können in Altenburger Geschichte und in die „Geheimnisse“, die das Umfeld seines jetzigen Arbeitsortes auf dem Schloss in sich bergen. Und derlei gibt es so einige, wie auch der Besucher der Ausstellung erfreut zur Kenntnis nehmen wird. Denn selbst der historisch kundige Skatstädter wird bei Weitem nicht all diese Details kennen oder in seinem Wissensfundus parat haben, die die Exposition nun in gebündelter Form zum Altenburger Schlosspark vermittelt.
Anhand von mehr als 100 Exponaten wird den Besucherinnen und Besuchern der Wandel des Schlossgartens vom herzoglichen Park der Renaissancezeit über den Barockgarten französischer Prägung bis hin zum englischen Landschaftsgarten, der im 19. Jahrhundert angelegt wurde, nähergebracht.
Daneben fokussiert sich die Schau auf die Nutzung des Schlossgartens über die Jahrhunderte. So diente das Areal in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Schlossgebäuden nie allein der höfischen Repräsentation oder als Ort intimer Begegnungen. Vielmehr wurde die Grünfläche bis zum Ende der Monarchie 1918 auch als Nutzfläche zur Versorgung des Hofes in Anspruch genommen. Zahlreiche Überlieferungen aus der Zeit des Herzogtums bezeugen diese bisher kaum beachtete Verwendung des Schlossgartens. Mit dem Augenmerk auf die sich wandelnde Anpflanzung und Bebauung des Lustgartens, zeichnet die Ausstellung so auch den Zeitgeist vergangener Epochen nach.
Darüber hinaus werden in dieser Übersichtsschau auch die zahlreichen Bauten des Parks vorgestellt. Hierzu zählen neben noch heute präsenten Bauten wie dem Lindenau-Museum und dem Naturkundemuseum Mauritianum gleichermaßen längst zerstörte Gebäude wie das Herzogliche Ballhaus oder das Schönhaus im kleinen Wäldchen zwischen der heutigen Teehauswiese und dem Lindenau-Museum, von dem nach einem verheerenden Brand und späteren Abriss der Ruine in der Gegenwart nur Teile des Fundamentes, das Schönhaus-Plateau übrig geblieben sind.
Besagte Präsentation „Gartenlust und Parklandschaft – die Geschichte des Altenburger Schlossparks“ des Schloss- und Spielkartenmuseums ist Teil eines umfassender angelegten Ausstellungsprojektes, das unter der Überschrift steht: „Grünes im Quadrat – Historische Gärten im Altenburger Land“. In diesem setzen sich neben dem Altenburger Schloss- und Spielkartenmuseum auch das Lindenau-Museum, das Museum Burg Posterstein und das Naturkundemuseum Mauritianum mit der Entwicklung der Altenburger Gartenkultur auseinander. Dabei blicken alle vier Einrichtungen aus kunsthistorischer, kulturgeschichtlicher, sozialer und naturwissenschaftlicher Perspektive auf den Garten als Lebens- und Arbeitsraum.
Und erstmals, das sei am Rande betont, präsentieren sich die beiden großen musealen Einrichtungen des Schlossparks, die sich am 1. Oktober des vergangenen Jahres zur Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Altenburger Museen (KAG) zusammengeschlossen haben, gemeinsam in einer Schau auf dem Schloss. Gleich neben der Exposition zur Geschichte des Schlossparks im Goldsaal, die wie gesagt unter Federführung von Benjamin Spira vom Schloss- und Spielkartenmuseum erarbeitet wurde, finden sich in den sogenannten Russischen Gemächern in unmittelbarere Nachbarschaft die Exponate der vom Lindenau-Museum verantworteten Ausstellungsbereiche. Hier heißt das Motto: „Gärten vor der Linse – Die Gartenstadt Altenburg“, unter dem das Haus einen Dialog zwischen historischen und aktuellen Gartenansichten in Altenburg herstellt.
„Das erste Mal also bespielen Lindenau-Museum und Residenzschloss gemeinsam eine Raumfolge, womit die Kommunale Arbeitsgemeinschaft nicht nur theoretisches Konstrukt bleibt, sondern für jedermann tatsächlich greifbar wird“, freut sich Benjamin Spira über diese jetzt erstmals auch nach außen hin sichtbare Form der praktizierten Zusammenarbeit.
Dass jene KAG sich mehr und mehr mit Inhalten, vielgestaltigem Leben und weiteren greifbaren Projekten und Ergebnissen füllt, das ist eine seiner Aufgaben – genauer gesagt seine Hauptaufgabe in den kommenden zwei Jahren, auf die seine Projektstelle zunächst ausgelegt ist.
„Hauptsächlich“, so sagt sein Chef Dr. Roland Krischke, der Direktor der Altenburger Museen, „arbeiten wir hier seit 1. Oktober des vergangenen Jahres gemeinsam am Masterplan für den gesamten Schlossberg. Benjamin Spira entlastet mich außerdem in meiner Doppelfunktion“. Denn Roland Krischke, wie allgemein bekannt sein dürfte, leitet als Direktor auch das Lindenau-Museum, für das derzeit vollumfängliche Planungen für einen grundlegenden Umbau und eine Modernisierung sowie eine Neugestaltung sämtlicher Ausstellungsbereiche läuft (der OsterlandSonntag berichtete mehrfach). Eine Mammutaufgabe, für die allein genommen die verfügbaren Arbeitsstunden eines Tages kaum ausreichen.
So also steht Benjamin Spira „seinem“ Direktor der Altenburger Museen als persönlicher Referent nun in sehr vielfältiger Weise zur Seite. Neben der vorstehend bereits erwähnten gemeinsamen Arbeit am Masterplan für die künftige Konzeption des gesamten Altenburger Schlossberges nennt unser Gesprächspartner etliche weitere Aufgaben, die seinen Arbeitsalltag seit der Aufnahme seiner hiesigen Tätigkeit im Oktober 2020 ausmachen.
„Zunächst einmal hatte ich ganz viele Namen (von Mitarbeitern und Ansprechpartnern), Orte und Räumlichkeiten an diesen Orten, zwischen denen ich nun pendele kennenzulernen – auf dem Schloss, im (historischen) Lindenau-Museum und im jetzigen Interim in der Kunstgasse“, schaut der Kunsthistoriker auf seine ersten Tage und Wochen in Altenburg zurück. „Ich springe ja sozusagen zwischen den Häusern hin und her, tanze zwischen verschiedenen Welten.“
Zugleich fällt es ganz allgemein in sein Ressort, den Direktor der KAG bei allen Maßnahmen, die die künftige gemeinsame Betreibung der Kultureinrichtungen des Altenburger Schlossberges betreffen, zu unterstützen. Neben dem Masterplan gehören dazu die strategische Personalplanung für beide Einrichtungen mit Blick auf deren beabsichtigte künftige Zusammenführung und die Koordinierung gemeinsamer Ausstellungen, Veranstaltungen und Publikationen von Lindenau-Museum und dem Schloss- und Kulturbetrieb Residenzschloss Altenburg zu seinen Aufgaben. In sein Ressort zählt zudem die Erarbeitung und Koordinierung gemeinsamer Maßnahmen für Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit und auch die inhaltliche Vorbereitung von Terminen, Reden sowie die Unterstützung bei der vielfältigen Korrespondenz der KAG.
So jedenfalls, knapp zusammengefasst, fand Benjamin Spira jene Aufgabenbereiche in einer deutschlandweiten Stellenausschreibung formuliert, auf die er im vergangenen Jahr stieß – und die sein Interesse weckte. Prompt stellte er seine Bewerbungsunterlagen zusammen, wurde im September des vergangenen Jahres zu einem Vorstellungsgespräch nach Altenburg eingeladen und konnte ganz offensichtlich die Auswahlkommission von seinen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen überzeugen.
Mit dem Dienstbeginn am 1. Oktober 2020 wurde er in der Skat- und Residenzstadt sesshaft („für mich ist das auch ein klares Bekenntnis zu Altenburg“, merkt er an), wohnte zunächst zwei Monate im Hotel und hatte dann eine Wohnung gefunden, die ihm geeignet erschien und nun zur neuen Heimat geworden ist.
Geboren 1978 in Bingen wuchs Benjamin Spira in der bekannten Stadt am Rhein auf, absolvierte hier seine Schulzeit und seinen Zivildienst und begann 1997 ein Studium an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. „Kunstgeschichte war mein Hauptfach, Mittlere und Neue Geschichte Nebenfach und Christliche Archäologie und Byzantinische Kunstgeschichte mein zweites Nebenfach“, erzählt unser Frühstücksgast. 2006 verteidigte er erfolgreich seine Magisterarbeit, schloss sogleich ein Promotionsstudium an und reichte im Sommer 2013 seine Dissertation zum Thema „Mainzer Maler – Maler in Mainz. Lebenswelten zwischen Stadt und Hof“ ein.
Sein weiterer Weg führte ihn ab März 2014 zur Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha, wo er zum Kuratorenteam für die Lucas-Cranach-Landesausstellung gehörte, die 2015 mit großem Erfolg gezeigt wurde. Es schlossen sich im Folgejahr kuratorische Arbeiten für eine Landesausstellung zu den Ernestinern an. Zu weiteren Stationen in seinem bisherigen Berufsleben gehörten die Stuttgarter Staatsgalerie – wo er als wissenschaftlicher Mitarbeiter tätig war – ebenso wie verschiedene Lehr- und Werkverträge, die Benjamin Spira an unterschiedlichsten Orten Deutschlands, aber auch im schweizerischen Basel übernahm. Darüber hinaus widmete sich der Kunsthistoriker immer wieder Aufgaben im Bereich der historischen Recherche und war als Texter und Lektor tätig, um an dieser Stelle nur einige Daten und Fakten aus seinem umfänglichen Lebenslauf herauszugreifen.
Nun also hat er sich mit vollem Elan auf seine neuen Aufgaben und Herausforderungen im Dienste der Altenburger KAG eingelassen und fühlt sich nach den ersten acht Monaten seines Hierseins bereits angekommen in jener Stadt, die er zuvor „schon etwas“ kannte, immer allerdings nur als hierher reisender Tagestourist auf Entdeckungstouren, unter anderem im Lindenau-Museum.
„Und ich bin hier sehr gut aufgenommen worden“, resümiert der „Neu-Altenbürger“ höchst zufrieden. „Ich habe fast rheinländische Nachbarn, was die Emotionalität und Lebensart angeht, kennengelernt. Mir sind vielfach eine unglaubliche Offenheit und herzliche Freundlichkeit begegnet. Anders als zuvor zum Beispiel in Stuttgart erlebt, wo man sich meinen Erfahrungen nach etwas zurückhaltender gibt.“
Beste Voraussetzungen also, hier rasch vollends heimisch und gewichtiger Teil des ambitionierten Aufbruchs in der Altenburger Museumslandschaft zu werden. Ralf Miehle