Altenburg. Es ist die 150. (!) Rolle, die sie am Landestheater Altenburg beziehungsweise am Theater Altenburg-Gera spielt – und mit ihr feiert sie gemeinsam mit ihrem Publikum zugleich ihr 40-jähriges Bühnenjubiläum an nur einem einzigen Theater. Ein Fakt, der heutzutage höchsten Seltenheitswert hat: Mechthild Scrobanita blickt auf eine außergewöhnliche und zugleich ungewöhnliche Laufbahn als Künstlerin zurück, die einst zunächst als Flötistin der Landeskapelle begann. Vor 42 Jahren!
„Es war immer mein Kindheitstraum, Schauspielerin zu werden“, schaut sie zurück. Und doch folgt sie erst einmal der Empfehlung des Vaters, der wie alle Familienmitglieder ein Instrument spielte, sie solle es doch mal mit der Querflöte probieren. Da war die in Magdeburg Geborene gerade zehn Jahre alt. Offensichtlich zeigt sie Talent und Ausdauer. Von der Musikschule ging es zwei, drei Jahre nach diesem Start direkt auf die Spezialmusikschule in Halle. „Ich wollte aufs Internat, aber es wurde eine schwere Zeit. Der Leistungsdruck war groß, ich hatte Heimweh, was mich in Depressionen stürzte, aber es war mein Wunsch und ich habe versucht durchzuhalten.“ Fünf Jahre lang.
Studium bringt mehr Freiraum
Dann bot ihr das sich unmittelbar anschließende Studium an der Leipziger Hochschule für Musik mehr Freiraum und das Leben mit der Flöte wurde nach und nach leichter. Mechthild Scrobanita setzt sich sogar noch einmal zusätzlich auf die Schulbank und erwirbt an der Abendschule ihr Abitur. Besagten Wunsch, Schauspielerin zu werden, hat sie zu diesem Zeitpunkt allerdings tief in ihrem Inneren noch immer nicht ad acta gelegt. „Ich sehnte mich danach, mich sprachlich und körperlich ausdrücken.“ Also erwog sie zeitweise, sich zusätzlich in Musiktherapie ausbilden zu lassen, wozu es jedoch nicht kam.
Sie legt zum Abschluss ihres Studiums ihre Diplomprüfung als Flötistin ab und kann sich zwischen möglichen Engagements bei der Staatskapelle Schwerin oder der Landeskapelle Altenburg entscheiden. „Intuitiv habe ich nach Letzterem gegriffen“ – und das erwies sich in der Folge als Glücksgriff. Nun lernt sie das Theaterleben „live“ kennen und während sie so manchen Abend tief unten im Orchestergraben sitzt, rumort es wieder verstärkt in ihr: „Ich möchte spielen, ich will auf die Bühne. In mir war so eine Art Leuchtkugel, die meine Leidenschaft noch zusätzlich potenzierte.“
Sie fragte einen Schauspielregisseur am Haus, Thilo Henze, der ihr mit dem Verweis darauf, dass sie doch einen schönen Beruf habe, abriet von einem Wechsel. Außerdem sei der der Musikerin auf ein Leben lang angelegt, während es bei Schauspielerinnen doch in der Regel mit 40 vorbei wäre mit der Karriere. Und schlecht bezahlt wäre der Beruf obendrein.
Erster Schritt für Veränderung
Mechthild Scrobanita darf dennoch mal auf der Bühne stehen – als Annchen in Goethes „Stella“, mit der sie zu gefallen verstand. Thilo Henze lässt sich wunschgemäß auf einen ausführlichen Test ein und kommt zum Ergebnis: „Du hast meiner Meinung nach alle Voraussetzungen, die notwendig wären für ein Bestehen im Schauspielerinnen-Dasein.“ Und sieht ein, dass man seinen Träumen folgen muss, sonst werde man unglücklich. Seine neuerlichen Warnungen (siehe oben) möchte die junge Frau nicht hören. Sie gibt jetzt Gas: reiht sich ein in eine Schlange von Hunderten Bewerberinnen für einen Eignungstest – den sie besteht. So wie sie auch in der sich später anschließenden Aufnahmeprüfung an der renommierten Berliner Schauspielschule „Ernst Busch“ überzeugen kann. Mit dem Ergebnis: Wenn ein Theater sie als Elevin aufnehmen würde, dann könnte sie extern (und parallel zum Theateralltag) ein Studium beginnen.
Mechthild Scrobanita steht nun vor einer schweren Entscheidung: Soll sie ihren unbefristeten Festvertrag als Flötistin aufgeben und sich auf ein neues, ein unsicheres Terrain begeben? Sie fühlt die Berufung zum ersehnten Schauspielerinnen-Beruf, sie will spielen. „Man muss immer Visionen haben, egal wie schwer es wird“, sagt sie sich.
Der ersehnte Vertrag
Das Landestheater bietet ihr besagten Elevinnen-Vertrag, sie kündigt beim Orchester – nach zwei Jahren. Und wechselt 1982 ins Schauspielensemble des Landestheaters Altenburg, das mit der Fusion der Bühnen der beiden Nachbarstädte im Theater Altenburg-Gera aufgeht.
40 Jahre also steht sie mittlerweile auf diesen Brettern, die ihr so sehr die Welt bedeuteten, dass sie größtdenkbare Risiken und Gefahren auf sich nahm. So ganz realisieren kann sie diesen Umstand, dass sie nun jenes seltene Jubiläum feiert, selbst nicht: „Ich kann‘s nicht fassen und schaue voller Dankbarkeit, vor allem aber auch voller Demut darauf, denn ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dies nicht selbstverständlich ist“, sagt die Künstlerin.
Immer auf der Suche nach neuen Mitteln
Denn der Wechsel, das wird ihr jetzt im Rückblick noch einmal so richtig bewusst, er hätte auch gehörig schief gehen können. Doch ihre mutige Entscheidung brachte ihr nicht nur ab 1982 in noch jungen Jahren eine Rolle nach der anderen ein – auch jene bei Frauen dieses Metiers so sehr gefürchtete Altersgrenze meisterte Mechthild Scrobanita bewundernswert. Mit etwas Glück und manchem Zufall sicher auch – vor allem aber mit ihrer nie versiegenden Leidenschaft für ihren Beruf und ihrem nie erloschenen Drang, voranzukommen.
„Von Rolle zu Rolle habe ich meine Ausdrucksfähigkeit gesteigert und mich immer wieder gefragt: Was ist nötig, was brauchst du an weiterem Handwerk? Vieles habe ich mir selbst gesucht, buchte zusätzliche Kurse und Workshops.“ Nächtelang lernt sie nicht nur Rollentexte, sie studiert auch Fachbücher, um sich weiterzuentwickeln. „Woher ich die Kraft hatte, das zu schaffen, weiß ich heute selbst nicht mehr.“
Zumal Mechthild Scrobanita 1985 – und damit mitten in ihrem externen Schauspielstudium in Berlin – einen Sohn geboren hatte und nun den bekanntlich schwierigen Spagat zwischen (einem zeitraubenden und kräftezehrenden) Beruf und dem Familienleben meistern musste. „Wobei ich sagen will, dass mich mein damaliger Mann da sehr unterstützt hat, sonst wäre das alles nicht möglich gewesen.“
Die Künstlerin bleibt permanent unzufrieden mit sich, spürt mit jeder neuen Aufgabe Unsicherheiten – und stellt sich diesen Herausforderungen immer wieder neu. „Das hat einen hohen Preis. Ich kann nicht nächtelang Partys feiern, ich brauche ausgeprägte Rückzugsphasen, um mich zu sammeln, zu konzentrieren, vorzubereiten und für jede Rolle neu meinen Zugang zu finden. Aber auch, um in der Masse der Informationen, die auf einen hereinprasseln, wieder Klarheit zu finden.“
Und der Beruf, er erfordert neben einem hohen Maß an Disziplin immer und immer wieder eine große körperliche Fitness: „So versuche ich, mich gesund zu ernähren, meide Alkohol und Zigaretten (weil ich beides sowieso nicht vertrage) und ich setze auf den Ritus der ’Fünf Tibeter’, schon seit Jahrzehnten, womit es mir gelingt, meine Energiezellen in kürzester Zeit wieder aufzuladen.“
Dass Mechthild Scrobanita trotz ihrer Zartheit in ihren Rollen immer wieder auch mit ihrer körperlichen Präsenz und ihrem kraftstrotzenden Einsatz zu begeistern und zu verblüffen versteht, das haben viele Zuschauerinnen und Zuschauer ganz sicher noch aus den Serien der Prinzenraubaufführungen in Erinnerung. Wie sie zunächst als Küchenjunge oder später als Prinz Albrecht über das riesige Areal der weiträumigen Freilichtbühne jagte – und ihre Texte dennoch über die Rampe bringen konnte, ohne auch nur ein wenig außer Puste zu wirken.
Apropos Erinnerung: Im Gedächtnis blieben ebenso ihre Mutter Courage, ihre Lola Blau, ihr Ludwig Heyne in „Die im Dunkeln“ oder ihre Marianne Bucky in den internationalen Schauspielproduktionen, die sie mit Gastspielen auch nach Afrika, nach Tel Aviv, nach Griechenland oder in die Türkei führten. Um hier nur einen Bruchteil aus 40 Jahren zu erwähnen. 149 Rollen waren es bislang, jetzt gesellt sich mit der Premiere an diesem Sonntag, dem 4. Dezember, im Theaterzelt am Großen Teich eine krönende 150. dazu. Die der Suzanne in der Komödie „Noch einen Augenblick“ aus der Feder von Fabrice Roger-Lacan, in einer Inszenierung von Schauspieldirektor Manuel Kressin.
Allen einstigen Unkenrufen zum Trotz kann Mechthild Scrobanita resümieren: „Meine Karriere kam mit 40, 50 erst so richtig in Schwung.“ Dafür ist sie in höchstem Maße dankbar – und möchte dies gemeinsam mit ihrem Publikum so richtig feiern. Ralf Miehle
Info: Die Komödie „Noch einen Augenblick“ erlebte ihre Premiere am 4.12., 18 Uhr im Theaterzelt, weitere Vorstellungen am 16.12., 25.12. und 30.12. jeweils um 19.30 Uhr sowie am 12.2. um 18 Uhr. Karten sind an den Theaterkassen erhältlich.