REGION. Pfingstmontag öffnen sich quer durch die Republik traditionell die Türen von mehr oder weniger betagten Wasser- und Windmühlen. Auch im Landkreis Leipzig können morgen in einer Woche im Rahmen des 26. Deutschen Mühlentages einige der technischen Kleinode aus nächster Nähe in Augenschein genommen werden.
Wenn am Pfingstmontag der Heimatverein Thallwitz zu Fettbemme, Gegrilltem und einem kleinen Kulturprogramm an sowie zu Führungen durch die historischen Sägemühle im Hauptort der gleichnamigen Gemeinde im Norden des Landkreises einlädt, dann gilt es zugleich, ein Jubiläum zu feiern. Am 24. September 1999 nämlich lud der im Jahr zuvor aus der Taufe gehobene Heimatverein zur Einweihung der letzten Sägemühle ihrer Art in Sachsen ein. Denn kurz nachdem Anfang der 90er-Jahre ein Elektromotor die Aufgabe des Antriebs der 7,50 Meter langen Radwelle von der Lossa übernommen hatte, stand das Schaufelrad still. Bis schließlich 1997 bei einem Vororttermin Freunde des „Sächsischen Landesvereins für Mühlenerhaltung und Mühlenkunde“ Thallwitz einen Besuch abstatteten und ihren vor Ort entfachten Enthusiasmus in konkrete Hilfe und Taten münden ließen.
Reichlich eineinhalb Jahrzehnte drehte sich dann das neue, von der Mühlenbaufirma Schumann aus dem mittelsächsischen Mulda konstruierte, 2,60 Meter im Durchmesser messende Schaufelrad, verrichteten die erneuerten Außenbauten sowie das das Lossawasser an die Sägemühle heranführende Gerinne reibungslos ihren Dienst – bis ein Bruch des betagten in der Ortsmitte liegenden Lossawehres Ende Juli 2015 die im Jahr 1790 erstmals in Dokumenten erwähnte technische Schauanlage für zehn Monate zum Stillstand zwang. „Die monatelange Trockenphase hat am Holz des Wasserrades und des Zuflusskanals genagt, mit Unterstützung von Zimmermann Roland Makowa haben wir jüngst Teile des Schaufelrades sowie des Zuflusskanals erneuern können“, berichtet der Vorstandsvorsitzende Dieter Moßig, der sich gemeinsam mit Egon Dammann, Siegfried Neumann und Dietmar Dittrich um die technischen Aspekte der Sägemühle kümmert.
Ehrenamtliches Engagement dieser Art ist in fast allen Fällen die Voraussetzung dafür, dass die historischen Mühlen morgen in einer Woche ihre Türen öffnen können. Anliegens des seit 1994 von der Deutschen Gesellschaft für Mühlenkunde und Mühlenerhaltung (DGM) e.V. in Zusammenarbeit mit ihren 14 Landes- und Regionalverbänden alljährlich am Pfingstmontag stattfindenden Deutschen Mühlentages ist es, die Aufmerksamkeit und das Interesse der Öffentlichkeit auf die technischen Denkmäler zu richten, deren Geschichte zum Teil über 2000 Jahre zurückreicht.
Laut der DGM geht es bei der Mühlenkunde nicht allein um Technikgeschichte, sondern darüber hinaus auch um kultur- und sozialgeschichtliche Belange, was bis heute die Faszination der historischen Müllerei ausmachen würde. Allerdings sei insbesondere die Wasserkraft als Antriebsenergie in Gefahr. Von der Wasserrahmenrichtlinie ausgelöste überzogene ökologische Auflagen erschwerten den Weiterbetrieb der Wasserkraftanlagen, und in der Folge bestehe die Gefahr, dass viele kleine Mühlenstandorte und technische Kulturdenkmäler den Betrieb der Wasserräder und Turbinen aufgeben müssten.
Demgegenüber zu viel (Mulde-)Wasser war es, das zweimal beinahe das Ende für die Wassermühle im Grimmaer Ortsteil Höfgen bedeutet hätte. Denn sowohl beim Jahrhundert-Hochwassern 2002, in dessen Folge der am Pfingstmontag zu Sonderführungen einladende Verein zur Erhaltung der Wassermühle Höfgen aus der Taufe gehoben wurde, als auch bei jenem von 2013 wurde die Mühle mehr oder weniger stark in Mitleidenschaft gezogen. Beide Male jedoch konnte das erstmals 1721 urkundlich erwähnte technische Bauwerk, das seit 1976 in Form einer technischen Schauanlage für die Öffentlichkeit zugänglich ist, mittels des Einsatzes der Vereinsmitglieder sowie zahlreicher Spenden gerettet werden.
Ebenso für die Nachwelt erhalten ist das im Elstertrebnitzer Ortsteil Oderwitz beheimatete Kulturdenkmal Eisenmühle, in dem noch Mitte des 20. Jahrhunderts neben einer Getreide- und einer Schneide- auch eine Eisenpulvermühle in Betrieb waren. Der Besuch in Oderwitz – gleich ob am Mühlentag oder im Rahmen der regelmäßig an Sonntagnachmittagen angebotenen Schnupperführungen – stellt insofern etwas Einzigartiges dar, als die Schauanlage im Südwesten des Landkreises Leipzig die einzige ihrer Art in Deutschland und darüber hinaus wahrscheinlich sogar in Europa ist, in der man noch erleben kann, wie früher Eisenpulver hergestellt wurde. Roger Dietze
Folgende Mühlen können Pfingstmontag besichtigt werden:
Artelt-Neuholländer, Borna-Wyhra am Obersteiger (Blumrodaer Weg)
Bockwindmühle Kühnitzsch, Lossatal-Kühnitzsch, Mühlenweg, 10 bis 17 Uhr, Mühlenführungen und kulinarische Angebote
Thallwitzer Sägemühle, Mühlenstr. 32, ab 11 Uhr Führungen und kulinarische Angebote
Bockwindmühle Ebersbach, Bad Lausick, Thierbaumer Str. 15, Besichtigung, Führung, Kaffee und Kuchen
Paltrockmühle Schkortitz, Grimma-Naundorf, Naundorfer Berg 18
Lindigtmühle am Lindenvorwerk, Frohburg-Jahnshain, Linda Nr. 34, Mühlenbetrieb, Mühlenladen mit regionalen Spezialitäten, kulturelle Unterhaltung, Kunst- und Handwerkermarkt
Eisenmühle Oderwitz, Elstertrebnitz/Oderwitz, Eisenmühle, G 41, 10 bis 18 Uhr Führungen durch die historische Wasserkraftanlage
Breunsdorfer Bockwindmühle, Frohburg/Schönau, Windmühlenstr. 6
Neuseenmühle Berndorf, Berndorf 28, Groitzsch