Jörg Eggers, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes kostenloser Wochenzeitungen, im Interview. Foto: Bernd Brundert
Jörg Eggers, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes kostenloser Wochenzeitungen, im Interview. Foto: Bernd Brundert

Jörg Eggers ist Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes kostenloser Wochenzeitungen (BVDA) und als solcher Experte auf dem Gebiet der Anzeigenblätter. Im Interview spricht er über die Bedeutung der Anzeigenblätter und ihre Perspektive für die Zukunft.

Wie blickt der BVDA in die Zukunft? Wird es in 25 Jahren immer noch Anzeigenblätter geben?
Wir blicken optimistisch in die Zukunft. Print wirkt und das Geschäftsmodell kostenloser Wochenzeitungen funktioniert. Durch technischen Fortschritt wird dieses stetig weiterentwickelt. Der Kern, die gedruckte Ausgabe, wird aber immer das Herzstück kostenloser Wochenzeitungen bleiben.
Wie hat sich aus ihrer Sicht die Medienlandschaft in den vergangenen 25 Jahren verändert und was bedeutet das für den BVDA?
Die Medienlandschaft ist in den vergangenen 25 Jahren schneller, diverser und vielschichtiger geworden. Das führt auch dazu, dass es für Leserinnen und Leser angesichts der täglichen Flut an Nachrichten, insbesondere in den Sozialen Medien, immer schwerer wird, Fake News von Fakten zu unterscheiden. Die Krisen der vergangenen Jahre haben außerdem für eine weit verbreitete Nachrichtenmüdigkeit in der Bevölkerung gesorgt.
Kostenlose Wochenzeitungen informieren über aktuelle Lokalthemen. Vor allem über das, was vor Ort gut funktioniert. Das schafft Hoffnung und Verbundenheit – gerade in herausfordernden Zeiten. Daher sind kostenlose Wochenzeitungen ein fester Bestandteil der lokalen Medienlandschaft. Als BVDA setzen wir uns dafür ein, dass dies auch so bleibt.
Welchen Einfluss hat die Einführung des Mindestlohns auf die Zustell-Situation gehabt? Welchen die gestiegenen Papierpreise?
Die nahezu flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Informationen aus dem Nahbereich zeichnet kostenlose Wochenzeitungen aus. 69 Prozent der Rezipientinnen und Rezipienten wünschen sich laut der Leserakzeptanzstudie, die durch das Institut für Demoskopie Allensbach durchgeführt wurde, ihre kostenlose Wochenzeitung weiterhin in gedruckter Form. Die hierfür benötigte Infrastruktur ist jedoch aufwendig und mit hohen Kosten verbunden. Die Anhebung des Mindestlohnes, gestiegene Energiekosten und die zwischenzeitlich höheren Preise für Papier tragen dazu bei, dass diese Leistung gerade in ländlichen strukturschwachen Regionen für viele Verlage nicht mehr wirtschaftlich abbildbar ist.
Vor diesem Hintergrund setzt sich der BVDA seit nunmehr sechs Jahren für eine Förderung der Zustellung von Presseprodukten ein. Obwohl dieses Vorhaben auch im Koalitionsvertrag der Bundesregierung verankert ist, hat die Politik bislang leider die Chance verpasst, ein klares Signal zum Erhalt der Pressevielfalt in allen Regionen der Bundesrepublik zu setzen.
Wie wichtig sind kostenlose Wochenzeitungen als Informationsquelle?
Durch ihre nahezu flächendeckende Verteilung erreichen kostenlose Wochenzeitungen so viele Haushalte wie kaum ein anderes gedrucktes Presseprodukt. Damit versorgen sie Menschen über alle Bevölkerungsschichten hinweg mit lokaljournalistischen Inhalten. Das Themenspektrum kostenloser Wochenzeitungen ist vielfältig und erstreckt sich über die Lokalpolitik, örtliche Vereine und Institutionen, das Ehrenamt und den lokalen Handel. Dadurch liefern sie nicht nur relevante Informationen aus dem Nahbereich, sondern fördern gesellschaftliche Teilhabe, die für eine demokratische Gesellschaft unerlässlich ist. Dies macht kostenlose Wochenzeitungen zu einer Konstante im Lokaljournalismus.
Welche Rolle spielen Anzeigenzeitungen heute angesichts der wachsenden Verbreitung von „Fake News“ und „Deep Fakes“? Konkreter: Welche Verantwortung tragen Redakteurinnen und Redakteure?
In einer Zeit, in der die Nachrichtenflut stetig zunimmt, ist es immer schwieriger, Fakten von Desinformation zu unterscheiden. Gerade in Sozialen Medien, in denen jede und jeder zum Sender werden kann, verbreiten sich Informationen rasend schnell. Dabei unterliegen sie keiner objektiven und faktenbasierten Prüfung. Der anhaltende Krisenmodus trägt zusätzlich zu Unsicherheit, Unzufriedenheit und Nachrichtenmüdigkeit als Brandherd von Fake News und Hate Speech (Hassrede, Anm.d.Red.) bei. Kostenlose Wochenzeitungen bilden mit ihrer Recherche ein Gegengewicht zu digitalen Blasen, Fake News und tendenziöser Berichterstattung. Durch ihre flächendeckende Verbreitung ermöglichen sie allen Bürgerinnen und Bürgern über alle Alters- und Einkommensgruppen hinweg den Zugang zu gut recherchierten lokaljournalistischen Inhalten.
Welche Innovationen haben den Markt der Anzeigenblätter in den vergangenen 25 Jahren neu belebt? Wie sieht aus Ihrer Sicht eine konsequente Fortführung aus?
Die Einführung des Internets hat Verlagen die Möglichkeit eröffnet, ihre Ausgaben in Form von E-Papern zu veröffentlichen sowie weitergehende Informationen auf redaktionellen Websites und in Sozialen Medien zu publizieren. Dadurch erreichen sie eine noch größere und auch jüngere Zielgruppe. Auch im Bereich der Nachhaltigkeit, einem anderen Megathema unserer Zeit, hat die Branche große Erfolge vorzuweisen. Mittlerweile bestehen im Durchschnitt 84 Prozent der kostenlosen Wochenzeitungen aus Recyclingpapier. Ein Drittel sogar zu 100 Prozent. Dies trägt erheblich zur Kreislaufwirtschaft und Ressourcenschonung bei.
Darüber hinaus setzt sich der BVDA als Gründungsmitglied der AGRAPA, der Arbeitsgemeinschaft Graphische Papiere, für einen nachhaltigeren Umgang der Branche mit Ressourcen ein. Bereits vor über 25 Jahren hat sich die AGRAPA gegenüber dem Umweltministerium dazu verpflichtet, für die Einhaltung einer im internationalen Vergleich sehr hohen Recyclingquote von Altpapier zu sorgen. Des Weiteren hat sie erfolgreich eigene Forschungen zur Entwicklung von mineralölfreien Druckfarben durchgeführt. In der Folge hat sie im vergangenen Jahr ihre Selbstverpflichtung gegenüber dem Umweltministerium um die schrittweise Einführung von mineralölfreien Druckfarben bis Ende 2028 erweitert.
Darüber hinaus wurden und werden laufend Prozesse digitalisiert – vom Satz, über Druckprozesse bis hin zur Optimierung von Gebietsstrukturen. Das alles trägt zur Wettbewerbsfähigkeit der Verlage bei. Kostenlose Wochenzeitungen leben von ihrer Erscheinungsweise in Print. Ihre einzigartige Push-Wirkung und dadurch auch Attraktivität für Werbekunden entfalten kostenlose Wochenzeitungen durch ihre wöchentliche Zustellung in den Briefkasten. Diese Form ist selbst bei den unter 30-Jährigen die bevorzugte Rezeptionsform, wie Studien zeigen.
Was raten Sie den Verlagen, um auf dem umkämpften Markt der Werbekunden nicht den Anschluss zu verlieren?
Das redaktionelle Umfeld entscheidet maßgeblich über den Erfolg von Anzeigen und Prospektbeilagen. Es bietet Qualität und schafft Vertrauen bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Dies zeigen auch die Studien des Instituts für Demoskopie Allensbach: Kostenlose Wochenzeitungen bilden die führende Informationsquelle über Einkaufsmöglichkeiten und Sonderangebote vor Ort: 70 Prozent der Bevölkerung informieren sich in kostenlosen Wochenzeitungen oder beigesteckten Prospektbeilagen über aktuelle Angebote.
Kostenlose Wochenzeitungen und Werbung bilden eine erfolgreiche Symbiose. Aktuelle Ergebnisse der Markt-Media-Studie „Best for planning“ zeigen, dass kostenlose Wochenzeitungen zu etwa gleichen Teilen für ihre Berichterstattung und die enthaltenen Anzeigen mit Einkaufstipps und Sonderangeboten geschätzt werden.
Vor dem Hintergrund der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen wird Anzeigen- und Prospektwerbung für Verbraucherinnen und Verbraucher auch in Zukunft eine wichtige Rolle spielen. Für Verlage wird es darauf ankommen, ihre Reichweite im Gedruckten zu stabilisieren und im Digitalen weiter auszubauen, um Werbekunden zukünftig verstärkt crossmediale Angebote unterbreiten zu können. Außerdem ist auch für Verlage die Auseinandersetzung mit künstlicher Intelligenz (KI) in diesen Tagen absolute Pflicht. Dabei ist klar, dass KI keine Redakteurinnen und Redakteure ersetzen kann. Sie kann aber bei Themenfindungen, Recherchen und Kreativprozessen unterstützen. Für Verlage ist es demnach wichtig, offen für Innovationen zu sein und stets über den Tellerrand zu blicken.
Andreas Bayer

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