Der Comedian André Herrmann ist in Dessau aufgewachsen und lebt mittlerweile wieder in seiner Wahlstadt Leipzig. In seinem Roman „Schön war's, aber nicht nochmal – Urlaub mit den Eltern
Der Comedian André Herrmann ist in Dessau aufgewachsen und lebt mittlerweile wieder in seiner Wahlstadt Leipzig. In seinem Roman „Schön war's, aber nicht nochmal – Urlaub mit den Eltern" schreibt er seine Reiseerlebnisse auf. Foto: Felix Posner

Die Türen des Busses schließen sich. Die Mutter sitzt drin, der Vater steht draußen. Der Bus ist so proppenvoll, dass keine Chance besteht, noch hineinzugelangen. André Herrmann steht im Bus und überlegt, welches Elternteil er allein lassen soll – und entscheidet sich für seinen Vater. Da steht er nun, mitten in der Wüste am Toten Meer. Ohne Englischkenntnisse, Geld und Reisepass. Das Ganze geht schließlich gut aus. Der Vater schafft es per Anhalter wohlbehalten zurück nach Jerusalem, zu seiner Frau und seinem Sohn. Doch André Herrmann gibt zu: „Die Geschichte war erst im Nachhinein witzig.”

Jede Menge weitere meist lustige Episoden hat der Leipziger Autor und Comedian in einem Buch über die Reise zusammengetragen. Sie handeln von seinen Eltern, die sich oft etwas tollpatschig durchs Ausland bewegen – und dabei so manche Eskapade erleben. Viele Erlebnisse lassen die Leserin oder den Leser schmunzeln. Doch auch wenn Herrmann sich über seine Eltern lustig macht, bleibt der Erzählton ihnen gegenüber liebe- und respektvoll.

Eine Woche Urlaub in Israel und Jordanien

Im Oktober 2022 verreist ­der Autor mit seinen Eltern für acht Tage nach Israel und Jordanien. Gemeinsam mit seiner Freundin war der Autor schon zwei Mal in der Region unterwegs. Die Eltern trauen sich einen Trip dorthin allein nicht zu. Also bitten sie ihn, den Reiseleiter zu spielen. Herrmann gibt schließlich nach und verfasst gleich zu Beginn der Reise spontan mehrere Tweets auf der Online-Plattform Twitter, die inzwischen X heißt. Seine Postings über die lustigen Erlebnisse mit seinen Eltern gehen schnell viral, werden millionenfach gelesen und geteilt. „Das hatte ich noch nie, dass es so viele Leute gelesen haben”, sagt Herrmann rückblickend.

Cover des Buchs "Schön war's, aber nicht nochmal." Repro: Verlag
Cover des Buchs „Schön war’s, aber nicht nochmal.“ Repro: Verlag

Auf seine Tweets gibt es viele freundliche Kommentare, aber auch Kritik. „Man kriegt auch extrem viel Hass ab”, sagt André Herrmann. Generell gehe er mit den unfreundlichen Kommentaren gelassen um. „Es kann nicht jedem alles gefallen.” Hinzu kommt: Viele der beschriebenen Situationen sind überzogen. Der Autor nimmt sich die Freiheit, etwas dazuzudichten oder wegzulassen. Wie viel Wahrheit in den Anekdoten steckt, will er nicht verraten. Ein Koch behalte seine Rezepturen schließlich auch für sich. „Bei einigen Episoden sind 20 Prozent so passiert und 80 Prozent aufgehübscht.”

Eltern reagieren mit Humor

Bei anderen sei es umgekehrt gewesen. Die Story mit dem verlorenen gegangenen Vater aber habe sich tatsächlich so zugetragen. Herrmanns Eltern – beide im Rentenalter – nehmen die Beschreibungen mit der nötigen Portion Humor auf. „Meine Mutter sagt immer, das sind doch gar nicht wir.” Tatsächlich habe es auch viele schöne Momente auf der Reise gegeben. „Ich war total beeindruckt, wie offen meine Eltern allem gegenüber waren”, sagt der Sohn zum Beispiel. Ihre Begeisterung über die Reiseerlebnisse – etwa über die Wüstenstadt Petra in Jordanien – habe ihn ehrlich gefreut.

André Herrmann und seine Eltern im Urlaub in Jordanien. Foto: privat
André Herrmann und seine El-
tern im Urlaub in Jordanien.
Foto: privat

Herrmann beschreibt die beiden als leicht verwirrte ältere Herrschaften, die durch die Gegend marschieren und sich vielfach wundern, manchmal etwas eigensinnig oder unangemessen agieren, aber niemals auf die Menschen des fremden Landes herabschauen. Und unterwegs geht eben immer mal etwas schief. Der Sohn sagt: „Sie machen das ja nicht absichtlich. Sie verhalten sich nicht so, um mich zu ärgern.” Es sind Sätze, die Eltern gern mal über ihre Kinder sagen. Hier sind die Rollen zeitweise vertauscht.

Positive Geschichten über eine Konfliktregion

Warum die Reiseerlebnisse im Netz ein so großes Interesse hervorriefen, darüber kann ­Herrmann nur spekulieren. Vielleicht, „weil man sich damit identifizieren kann”. Vielleicht auch, weil es positive Geschichten seien über eine Reise in eine konfliktbeladene Region. Es gibt auch Schilderungen im Buch, die den Konflikt in Israel thematisieren – etwa als eine Frau in der Tram auf Arabisch so lange lautstark schimpft, bis sie von einem Polizisten rausgeworfen wird.

„Sie machen das ja nicht absichtlich. Sie verhalten sich nicht so, um mich zu ärgern.”

Wegen des Überfalls der Hamas auf Israel im vergangenen Jahr überlegte der Rowohlt-Verlag, bei dem das Buch im April erschienen ist, die Veröffentlichung zu verschieben. Am Ende wurde der Roman doch gedruckt, aber unter anderem Titel. Ursprünglich sollte er „Kreuzzug in Funktionskleidung” heißen. Der neue Titel „Schön war´s, aber nicht nochmal – Urlaub mit den Eltern” klingt da unverfänglicher. André Herrmann betont: „Das ist kein Buch über die Lösung des Nahost-Konflikts.” Es gehe um eine Reise mit seinen Eltern, die zufällig in dieser Region spielt.

Herrmann wächst in Dessau-Roßlau auf

Herrmann ist ein Kind der Provinz. Er wächst im sachsen-anhaltischen Dessau-Roßlau auf, eine Autostunde von Leipzig entfernt. Als er 15 Jahre alt ist, fängt er an, eigene Texte zu schreiben. „Das war aber alles Quatsch”, sagt er heute.

Nach dem Abitur studiert Herrmann erst in Potsdam, arbeitet zwischendurch ein Jahr in einer Programmierfirma in Dessau und bekommt dann die Zulassung fürs Politikstudium in Leipzig, das er 2013 abschließt. Als Student nimmt die Sache mit den eigenen Texten so langsam Fahrt auf. Eine verlorene Wette sorgt dafür, dass er bei einem ­Poetry-Slam erstmals auf einer Bühne steht – und den Contest sogar gewinnt.

ndré Herrmann ist Mitgründer der Leipziger Lesebühne „Schkeu- ditzer Kreuz“. Hier ein Foto aus dem Jahr 2016. Foto: PR
ndré Herrmann ist Mitgründer der Leipziger Lesebühne „Schkeuditzer Kreuz“. Hier ein Foto aus dem Jahr 2016. Foto: PR

Gemeinsam mit seinen beiden schreibenden Kollegen Julius Fischer und ­­Kurt Mondaugen gründet er 2008 die Lesebühne „Schkeuditzer Kreuz”. „Ich hatte gar nicht so viel Zeit, zu überlegen, ob ich weit genug bin, da mitzumachen”, sagt Herrmann heute. Die Texte der Autoren werden über die Jahre besser, das Interesse an dem Format wächst. Die Lesebühnen erfahren zu der Zeit einen echten Hype. „Mein Studium konnte ich problemlos mit den Slams finanzieren, das war echt super.”

Rückzug nach Leipzig

Seit Kurzem lebt der Autor wieder in Leipzig. Mit seiner Freundin ist er in eine Wohnung im Süden der Stadt gezogen, nachdem er zuvor ein paar Jahre lang seinen Lebensmittelpunkt in Berlin hatte. „Ich mag Berlin, aber ich vermisse die Stadt nicht”, sagt der Rückkehrer.

Seit seinem Abschluss lebt Herrmann als freischaffender Künstler – er bloggt, twittert, schreibt Bücher, steht als Stand-Up-Comedian auf der Bühne und ist Gagschreiber, unter anderem für die heute-show. Wo liegen für ihn die Grenzen des Humors? „Es gibt eine Pietätsgrenze, die kennt jeder Mensch”, sagt er. Jeder habe letztlich einen Sensor dafür, was okay ist und was nicht mehr. Und wenn er sich entscheiden müsste, was er am liebsten macht: Schreiben oder auf der Bühne stehen? Herrmann überlegt. „Eigentlich beides – ich will Leuten meinen Quatsch aufdrängen.” Die Abwechslung sei das Entscheidende. „Ich schreibe total gerne, aber sobald ich zwei Monate am Schreibtisch saß, wollte ich auftreten.”

André Herrmann hat seine Bücher – auch das aktuelle – selbst als Hörbuch eingesprochen. Er würde sein Reisebuch mit den Eltern gern verfilmen und bastelt bereits an einem Drehbuch. Spruchreif sei das Ganze noch nicht. Ob der Film am Ende zustande kommt, sei auch deshalb offen, weil er „bei allem ein Mitspracherecht haben will”, betont der Comedian.

Herrmann ist ein Nachtmensch

Heute kann Herrmann von seinen Aufträgen gut leben – und er liebt die Freiheit, die das Künstlerleben mit sich bringt. „Ich bin froh, dass ich nicht bei einer Sendung fest angestellter Autor sein muss”, sagt er und betont, dass er nur ungern acht Uhr morgens irgendwo hin müsse. Herrmann ist ein Nachtmensch. Er schreibt gern nachts und sitzt in der Regel erst 9.30 Uhr am Frühstückstisch.

Und: Er brauche einen gewissen Druck. „Mit Deadline schreibt es sich am besten.“ Im September startet der Wahlleipziger zu einer ­Lesetour mit dem neuen Buch – und macht selbstverständlich auch in der Messestadt Station. Sollte es mit der Verfilmung klappen, hätte er im Anschluss erst mal eine Menge zu tun. Außerdem schreibt er derzeit an einem neuen Soloprogramm. Geht es nach dem Verlag, müsste Herrmann bald zu einem neuen Trip mit seinen Eltern aufbrechen. Der wünscht sich nämlich eine Fortsetzung des Reisebuchs. Und wohin geht es diesmal? „Mal sehen“, sagt André Herrmann. „Mein Vater will mal nach Japan.” Gina Apitz

Im Herbst geht André Herrmann auf Lesetour mit seinem Buch „Schön war’s, aber nicht nochmal – Urlaub mit den Eltern“.

Tickets und Infos unter: www.andreherrmann.de

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