Leipzig. Besondere Zeiten erfordern besondere Vorkehrungen: Deshalb hat man sich in der Leipziger Galerie für zeitgenössische Kunst (GfzK) einiges überlegt, um einen Besuch in den beiden wiedereröffneten Häusern zum einen so sicher und andererseits so angenehm-überraschend wie möglich zu gestalten. Da gibt es Punkte wie ein neues Buchungssystem oder ganz neue Ideen zur Wissensvermittlung, wie Direktorin Franciska Zolyom erklärte: „Aber wir sind auch froh, endlich unsere neue Sammlungsausstellung zu eröffnen.“
Denn diese alljährliche Sammlungsausstellung ist ein enorm wichtiger Fixpunkt in der GfzK-Arbeit. Ein Moment, um sich eben mit dieser Sammlung zu beschäftigen – um beispielsweise die Neuerwerbungen zu präsentieren (von denen es erfreulicherweise etliche gibt), aber auch, um die Kunstwerke unter einem neuen Gesichtspunkt zu betrachten. „Natürlich ist es ein Anliegen der Sammlungsausstellung, unser Jahresthema zu spiegeln“, überlegt die GfzK-Direktorin und spricht auch darüber, wie sich die aktuelle Ausstellung – neu eröffnet unter dem Titel „Vom Haben und Teilen – Wem gehört die Sammlung?“ – im Laufe der kommenden Monate verändern soll. Verändern wird. Und all dies wird angetrieben von einer großen Hoffnung, wie Franciska Zolyom erklärt: „Das Wissen, das ein Museum produziert, ergänzen durch eine Alltagsexpertise. Durch ganz andere Formen des Wissens.“ Und sie verweist auf Umberto Eco, auf dessen Überlegungen zum „Offenen Kunstwerk“, die sie zu gern in den beiden GfzK-Häusern zum Leben erwecken möchte.
Die Frage „Wem gehört die Sammlung?“ ist deshalb bewusst gestellt und zwar auf mehreren Ebenen. Es geht – na klar – um die Fragen des Besitzens, die schon kleine Kinder umtreibt. „Gerade die wollen doch oft wissen, wem dies eigentlich gehört. Es ist doch an dieser Stelle interessant: Natürlich kann ich ein Kunstwerk kaufen, aber letztlich gehören Idee und Werk doch noch der Person, die es erschaffen hat“, und ganz nebenbei taucht dann ja auch noch die Tatsache auf, dass der Wert eines Kunstwerkes eigentlich ein fiktiver Wert ist.
Aber dann ist da eben auch der Aspekt, der nach dem Prinzip des Sammelns an sich fragt – nach den Prinzipien und Methoden, nach denen ein Museum sammelt. Und die Prinzipien, die es darüber hinaus eben auch gibt: „Ich mag den Austausch mit Privatsammlern. In jeder dieser Sammlungen steckt eine ganz eigene Geschichte. Andererseits haben öffentliche Sammlungen den Vorteil, dass Kunstwerke über einen langen Zeitraum in der Öffentlichkeit gezeigt werden – wobei aber kaum jemand weiß, die diese Sammlungen eigentlich entstehen“, und es sind diese Reibungspunkte, an denen die GfzK arbeiten möchte. Gerade auch mit „Vom Teilen und Haben“.
Man könnte es einfach beschreiben: Türen auf! Weg vom elitären Denken! Gern erzählt Franciska Zolyom, wie sie jenen Menschen begegnet, die sich überfordert fühlen von der Kunst im Haus. „Dann wird oft gesagt: Ich habe da keine Ahnung. Und ich antworte immer: Ich auch nicht“, mit einem Lächeln ergänzt sie: „Es ist so falsch zu sagen, dass wir alles wissen.“ Die erste Lehre hat sie mit ihrem Team schon in der Vorbereitung der neuen Sammlungsausstellung gezogen – man muss auch selbst rausgehen. Zu privaten Sammlern wie Hartwig Ebersbach, der zu seiner bemerkenswerten Kollektion an Kasperpuppen natürlich auch viele Geschichten zu erzählen hat. Aber auch zu Frank Bach, dem Kustos der geologisch-paläontologischen Sammlung der Leipziger Uni, um auf den Spuren von Hermann Credner zu wandeln. Jenem Hermann Credner, in dessen Villa die GfzK nun zu Hause ist und der einst bedeutender Geologe war. Was sich übrigens auch in der neuen Sammlungsausstellung wiederfindet: In Form eines Farbkonzepts von Johanna Kandl, das mit jenen Pigmenten arbeitet, die aus Steinen gewonnen werden.
Das Rausgehen hat noch eine weitere Komponente – das Dabei-Auch-Zuhören ist da ein wesentlicher Bestandteil. Das Wissen-Wollen, wie schon angesprochen. „Wie kann man das Nachdenken der Besucherinnen und Besucher einfangen?“ Eine Frage, der sich Franciska Zolyom gemeinsam mit dem GfzK-Team gerne stellen möchte: „Wir haben die gute Erfahrung gesammelt, dass ohnehin bei uns viele Fragen gestellt werden. Jetzt wollen wir noch mehr sprechen, zuhören, aber auch Wissen weitergeben.“ Schwierige Sache in Corona-Zeiten, doch auch da hat man sich einiges einfallen lassen: Am Mittwoch, Samstag und Sonntag wird man als Besucherin, als Besucher in jedem Raum einen Ansprechpartner finden, der Auskunft geben kann. Oder eben auch einfach zuhört. „Damit können wir auch weggehen von den großen Führungen durch das Haus“, beschreibt die GfzK-Direktorin den praktischen Nutzen dieser Idee in diesen Zeiten. Denn eines schwebt über allem – diese große Sehnsucht. Nach Besuchen und Begegnungen … Jens Wagner
„Vom Haben und Teilen“ ist ab 27. März bis 31. Januar 2022 in der Galerie für zeitgenössische Kunst zu sehen; Informationen gibt es unter www.gfzk.de.