
Das jüdische Kultur- und Begegnungszentrum Ariowitsch-Haus zeigt derzeit eine einmalige Ausstellung über die Zeit im April 1945. Im Mittelpunkt: die Porträts von Menschen, die für das Haus, damals Sitz der US-Militärverwaltung, wichtig waren.
Seiner Familie hat Gerd Weissmann über das, was er als junger Mann erlebte, nur wenig erzählt. Geboren Anfang der 1920er-Jahre in Leipzig, lebte er von den 1950ern an in den USA. Nach seinem Ingenieurstudium an der Pennsylvania State University ließ er sich mit seiner Frau in New Jersey nieder, arbeitete bei den Bell Laboratories und das Paar bekam drei Kinder. Wenige Jahre zuvor musste Weissmann in Nazi-Deutschland Diskriminierung, Demütigung und Verfolgung erleiden.
Seinen Vater erklären die Nazis zum „Volljuden“, ihn selbst trotz seiner evangelischen Glaubenszugehörigkeit zum „Halbjuden“. Er verliert die deutsche Staatsangehörigkeit und wird im Krieg in Leipzig und in Petershütte bei Osterode im Harz (KZ Mittelbau-Dora) zur Zwangsarbeit gezwungen, während sein Vater in Auschwitz ermordet wird.
Schicksal von Gerd Weissmann wird erzählt
Als 1945 die SS beginnt, das Lager KZ Mittelbau-Dora aufzulösen, gelingt ihm die Flucht. In Leipzig trifft der junge Mann auf die US-Truppen, die ihn als Übersetzer engagieren. Das Schicksal von Gerd Weissmann ist eines von vielen, die mit der Geschichte des Ariowitsch-Hauses im Leipziger Waldstraßenviertel verbunden sind.
1931 wurde es als jüdisches Altenheim eröffnet, gestiftet von der Familie Ariowitsch. 1942 deportierten die Nazis alle Bewohnerinnen und Bewohner nach Theresienstadt. Das Haus ging an die Gestapo, die darin Räume für Verhöre und Folter einrichtete. Nach der Befreiung von Leipzig übernahmen die „U.S. Occupation Forces“ das Gebäude als Domizil der Militärverwaltung.
80. Jahrestag der Befreiung von Leipzig
Auch Gerd Weissmann dürfte hier ein- und ausgegangenen sein. Zum 80. Jahrestag der Befreiung von Leipzig am 18. April 1945 erinnert das Ariowitsch-Haus mit einer Porträtausstellung an diese Zeit. „Wir erzählen die Geschichte von acht Persönlichkeiten, die in der damaligen Zeit für unser Haus relevant waren“, sagt Direktor Küf Kaufmann. Dazu gehören neben Gerd Weissmann etwa der Jurist Richard Frank, der durch den nationalsozialistischen Rassenwahn berufliche und gesellschaftliche Stellung einbüßt, ebenso wie seine Firma.
Zum Kriegsende versteckt er sich in den Trümmern der Stadt und als ihn wenig später ein US-Offizier besucht, hat er eine klare Bitte: die jüdische Gemeinde wieder aufzubauen. Neben ihm werden zum Beispiel auch Leipzigs erster Nachkriegsbürgermeister Wilhelm Johannes Vierling, Polizeichef Heinrich Maximilan Fleißner – beide eingesetzt von den Amerikanern – und der US-Militärarzt Dr. Greg Alexander vorgestellt, der als jüdischer Offizier gegen die Nazis kämpfte und sich 1945 in Leipzig um die medizinische Versorgung seiner Einheit kümmerte.
Acht Porträts in den Fenstern des Ariowitsch-Hauses
Die acht Porträts werden gut sichtbar nach außen in den Fenstern des Ariowitsch-Hauses in der Hinrichsenstraße 14 gezeigt und sind durch Beleuchtung selbst in den Abendstunden erkennbar. Im Großen Saal erzählt eine Ausstellung die Geschichte dieser Menschen.
Die Ausstellung im Ariowitsch-Haus kann bis 30. April Montag bis Freitag jeweils von 9 bis 20 Uhr besichtigt werden. Ausgenommen sind Zeiten, in denen im Großen Saal Veranstaltungen stattfinden. Der Eintritt ist frei.