Wie lange sich die Stadt Altenburg und der Landkreis Altenburger Land bereits an der bundesweiten Woche der seelischen Gesundheit beteiligen, das wissen selbst die beiden langjährig in die Vorbereitungen und Durchführung Einbezogenen nicht zu sagen: Grit Eisert und Nina Haarfeldt gehören zu dieser Gruppe der Engagierten, die Kunsttherapeutin und Leiterin des sozialtherapeutischen Teams in der Klinik für Psychiatrie und die Leiterin der Tagesstätten bei Horizonte. Fakt aber ist: Schon recht lange – und anno 2023 ist man auf jeden Fall wieder mit dabei.
Das bundesweit agierende Aktionsbündnis seelische Gesundheit wurde 2006 ins Leben gerufen. Die von ihm initiierte Woche der seelischen Gesundheit wurde bislang im Altenburger Land in zweijährigen Rhythmus veranstaltet, bis 2021 organisiert und federführend auf die Beine gestellt von der Lukas-Stiftung, unter deren Dach sich die Klink für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik und die Horizonte gGmbH zusammengefunden haben.
Diesmal nun, im Jahrgang 2023, gibt es wie gesagt wieder eine solche Woche der seelischen Gesundheit in der Region, diesmal aber ist alles ein bisschen anders. Denn das Vorbereitungsteam, das an diesem Freitagvormittag zu einem weiteren Arbeitsfrühstück bei Kaffee, Wasser und ein bisschen Obst beieinander sitzt, ist größer als bislang.
Zuspruch für neue Idee
Nina Haarfeldt war es, die vor geraumer Zeit mit Blick auf die nächste Auflage der „Gesundheitswoche“ im gemeindepsychiatrischen Verbund angeregt hatte, inhaltlich wie organisatorisch mehr in die Breite zu gehen und eine erweiterte Vielfalt (der Akteure) zu suchen. Ein Vorschlag, der prompt Beifall fand und großen Zuspruch bei den nachfolgend Angesprochenen. „Es war keineswegs schwierig, neue Partner mit ins Boot zu holen“, erklärt die Initiatorin auf eine entsprechende Frage. Und so finden sich nun – gut gelaunt, bei bester Stimmung und mit vielen Ideen im Kopf – die beiden „Altbewährten“ und die „Neuen“ in trauter Runde zusammen, um finale Absprachen zu treffen für die Neuauflage der Woche der seelischen Gesundheit im Altenburger Land.
Viel Zeit bleibt nicht mehr, um die letzten Hürden zu nehmen: Die Veranstaltungen werden vom 15. bis zum 19. Oktober in Altenburg und Schmölln stattfinden und sollen möglichst vielen bekannt sein, denn das Thema 2023 betrifft quasi jeden. Keineswegs nur Menschen, die von psychischen Erkrankungen betroffen sind und deren Angehörige: „Zusammen der Angst das Gewicht nehmen“ steht als Motto über diesen fünf Tagen.
Aus gutem Grund, wie jeder in der Runde bestätigen kann, denn sie alle haben in ihrem beruflichen wie privaten Alltag eine Zunahme von Ängsten, Verunsicherungen, depressiven Stimmungen und Zukunftssorgen beobachtet. Und befinden sich damit unmittelbar im „wahren Leben“.
Selbst Menschen, denen man einen unerschütterlichen Optimismus bescheinigen würde, dürften angesichts jener permanent über einen jeden hereinbrechenden Krisenszenarien dieser Zeit Mühe haben, die erdrückende Flut schlechter Nachrichten beiseite zu schieben. Wie mag es da erst jenen gehen, die ein weniger „dickes Fell“ haben, deren seelische Widerstandskraft schwächer ist oder die ohnehin schon mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben?
Erst die Coronapandemie mit ihren gesundheitlichen Folgen und ihren schwerwiegenden Auswirkungen und Einschränkungen für das persönliche Leben eines jeden Einzelnen, dann Krieg, Inflation, Energie- und Wirtschaftskrise und die daraus resultierenden Existenzsorgen, das sind nur einige der Problemfelder, die verunsichern – und Ängste auslösen. Ängste, die gefangen nehmen, Ängste, die lähmen und Aktivitäten blockieren, die zu Rückzug, Apathie und letztlich Einsamkeit führen. Ein Teufelskreis.
Auftakt in der Brüderkirche
„Einsamkeit ist im Altenburger Land unheimlich groß“, sagt der Pfarrer der Evangelischen Brüderkirchgemeinde und Klinikseelsorger, Sandro Vogler. Er ist es, der am kommenden Sonntag, dem 15. Oktober, die Auftaktveranstaltung zur Woche der seelischen Gesundheit leitet.
Ab 10.30 Uhr heißt es in einem Gottesdienst in der Brüderkirche „Heile mich Herr, so werde ich heil“. „Ein Gottesdienst für Kranke und Gesunde“ soll es werden, so der Theologe und Seelsorger, einer mit vielfältiger Musik, biblischem Lebensimpuls, Interviews und Möglichkeiten zur persönlichen Segnung – insgesamt gestaltet von der Kirchgemeinde Altenburg. „Im Anschluss besteht die Möglichkeit für Gespräche und Begegnungen bei Kaffee und Kuchen“, lädt Sandro Vogler im Namen aller Akteure zu eben jenem Austausch ein, der in dieser Zeit so wichtig erscheint. Und ist sich sicher: „Heilsein jenseits von Gesundheit ist möglich“. Sich dabei auch fragend, warum die einen fit und gesund erscheinen und trotzdem chronisch unzufrieden sind, andere aber, wie er aus seiner Zeit als Krankenpfleger noch bestens in Erinnerung hat, real schwer krank sind und trotzdem zufrieden mit ihrem Leben?
Start für Initiative Gegen die Einsamkeit
Was jene (zunehmende oder sich verstärkende) Einsamkeit im Altenburger Land betrifft, so soll an diesem Sonntagvormittag ein neuer Impuls aus der Brüderkirche in die Stadt gesendet werden: „Wir wollen eine Besuchsdienst, getragen von Ehrenamtlichen ins Leben rufen“, wirft Sandro Vogler einen Blick voraus. Die Veranstaltung, auf der Sybille Wessel Idee und Konzept vorstellen wird, sehe man als Startschuss, als Initialzündung für solch eine Gründung.
Ins Wohn- und Betreuungszentrum in der Gartenstraße 26 in Schmölln wird am Montag, 16. Oktober, zwischen 14 und 16 Uhr eingeladen. Als Entsandter dieser Einrichtung sitzt Peter Steinert mit am Tisch der Vorbereitungsrunde, er arbeitet als Betreuungsfachkraft im Haus und leitet die Kunstgruppe. „Angst loslassen, Mut mitnehmen – mit kreativen Ausdrucksmöglichkeiten Stress, Angst und Sorgen begegnen“, lautet das Motto für diesen Nachmittag, der die Möglichkeit bietet, sich im farbenfrohen und ideenreichen Gestalten zu probieren, Menschen zu begegnen und Gemeinschaft zu erleben, wie Peter Steinert die Absichten umreißt, sich darauf freuend, dass diese Offerten von möglichst vielen genutzt werden.
Am Abend dieses 16. Oktober, ab 18 Uhr, verlagert sich das Geschehen jener Woche für seelische Gesundheit in die Aula der Volkshochschule am Hospitalplatz 6 der Skatstadt. Aus dieser Bildungseinrichtung gehört Kristin Treichel in ihrer Funktion als Programmbereichsleiterin für Gesundheit mit zu jenem in diesem Jahr erstmals erweiterten Vorbereitungsteam. Sie verweist auf das Anliegen der Aktionswoche: „Wie können wir persönlich und als Gesellschaft einen gesunden Umgang mit der allgemeinen Unsicherheit und Überforderung angesichts der globalen Krisen finden?
Die Aktionswoche möchte auf unterschiedliche Strategien zur Bewältigung und auf das vielfältige psychosoziale Hilfsangebot, das es auch im Altenburger Land glücklicherweise gibt, verweisen und zum Austausch aufrufen.“ „Gibt es ein sinnerfülltes Leben?“, so lautet an diesem Abend die Frage, zu der die Fachärztin für Allgemeinmedizin der Evangelischen Lukas-Stiftung in der Volkshochschule referieren wird. Der Eintritt zu dieser Veranstaltung ist frei, was gleichermaßen für alle Angebote der Woche der seelischen Gesundheit im Landkreis gilt.
Ein besonderes Format erwartet die Gäste am Dienstag, dem 17. Oktober, in der Zeit zwischen 17.30 und 19 Uhr im Veranstaltungs- und Andachtsraum der Lukas-Stiftung in der Zeitzer Straße 28. Pfarrer Sandro Vogler weiß als Vater von fünf Kindern bestens, was kindliche Ängste sind und ist selbst immer wieder auf der Suche, wie man diesen begegnen kann. „Mit ausgewählten Büchern“, meint er und will es an diesem Abend gemeinsam mit Diplom-Pädagogin Rebekka Starkloff unter Beweis stellen. „Bücher können helfen, Ängste zu benennen und Wege zu finden, mit ihnen umzugehen.“ Eltern sind herzlich eingeladen, die Wirkung selbst zu erfahren und mit einer Kinder- und Jugendpsychologin zu vertiefen. Neben einer musikalischen Umrahmung gibt es im Anschluss einen Büchertisch zum Stöbern.
An Kinder gerichtet: Aktionstag im „Pflug“
Ein großer Aktionstag für Mädchen und Jungen im Grundschulalter steht dann schließlich am Mittwoch, 18. Oktober, in der Zeit von 16 bis 18 Uhr im Programm der Woche der seelischen Gesundheit – unter der Überschrift: „Bewegung, Sport und Information im Goldenen Pflug“. Womit erstmals auch Kinder mit ins Konzept der Veranstaltungswoche einbezogen werden, wie die Organisatoren betonen.
Regelmäßige Bewegung und Sport können helfen, Stress und Anspannung abzubauen. So also stellen regionale Sportvereine ihre Angebote für diese Altersgruppe vor und laden zum Ausprobieren ein. Zudem werden Mitmachaktionen angeboten. Im Foyer indes präsentieren sich zu dieser Zeit parallel Träger, Einrichtungen und Dienste des regionalen psychosozialen Versorgungssystems mit ihren Offerten – und sprechen damit die Erwachsenen an.
Den Abschluss der Woche der Gesundheit bildet ein sogenannter „Trialog“ am Donnerstag, 19. Oktober, ab 18 Uhr in der Farbküche in der Moritzstraße 6 in Altenburg. Dahinter verbirgt sich ein Austausch zwischen Angehörigen, Psychiatrie-Erfahrenen, professionell Tätigen und Interessierten, als Fortsetzung einer Begegnungsreihe, die es bereits seit Längerem gibt und die seit einem Jahr wieder aktiviert wurde.
„Man kann etwas stemmen, wenn man gemeinsam etwas macht“, so lautet das Fazit der Vorbereitungsgruppe, zu der – das sei an dieser Stelle unbedingt erwähnt – noch weitere Mitstreiter zählen: „Um die neun bis zehn Akteure sind es, die diese 2023-er Auflage gemeinsam konzipiert haben und tragen“, konstatiert Grit Eisert.
Die an diesem Vormittag anwesenden fünf Akteure sind sich allesamt einig, dass diese (neue) Konstellation der erweiterten Runde eine glückliche Fügung war und man sich in diesem Spektrum auf jeden Fall eine weitere Zusammenarbeit vorstellen könne. Vielleicht sogar schon in einem Jahr, spätestens aber erneut 2025, wenn nach dem bisher praktizierten Altenburger Turnus eine weitere Woche der seelischen Gesundheit im Landkreis angeboten werden soll. Ralf Miehle
Weitere Informationen unter: www.lukasstiftung-altenburg.de