Mit dem Teddy zum Traumziel: Manchmal fährt er auch bei Jacqueline Baumgarten im Wünschewagen mit. Foto: PICTURE POINT/Gabor Krieg

Einmal noch das Leben da draußen spüren, sich den Wind um die Nase wehen lassen, Wellen am Meer beobachten, beim Konzert mitsingen. Jacqueline Baumgarten (54) kennt die Sehnsüchte von Schwerkranken. Sie steuert Sachsens einzigen Wünschewagen, mit dem sie in ihrer Freizeit einem Menschen den Herzenswunsch erfüllt.

Die Leipzigerin arbeitet in einer Schaltzentrale des Schicksals. Jacqueline Baumgarten ist die gute Seele einer Rettungswache vom Arbeiter-Samariter-Bund. Hier koordiniert sie den täglichen Kampf um das (Über-)Leben. Die Betroffenen sind weit weg. Auch deshalb sucht sie die Nähe zu ihnen, um sich den Blick für das wirklich Wichtige zu bewahren. Die findet sie bei ihren Fahrten mit dem Wünschewagen. Für sie nimmt sich die Angestellte extra Urlaub. Ihre Devise: Menschlichkeit praktizieren statt auf Mallorca zu pausieren.

„So ein Ausflug in der letzten Lebensphase ist eine unheimlich emotionale Ausnahmesituation“, erzählt die Mutter eines erwachsenen Sohnes. Mit einer Mischung aus Ruhe und Unverkrampftheit versucht Jacqueline Vertrauen zu schaffen. Das Du kommt schnell über die Lippen. Und während sie den wohnlich eingerichteten Sprinter in Richtung Traumziel lenkt, unterhält sie sich mit dem Schwerkranken über Gott und die Welt, von der der Betroffene in absehbarer Zeit Abschied nehmen muss. „Doch vorher schenke ich ihm noch diesen besonderen Tag“, sagt die Wunscherfüllerin.

Dabei muss es nicht immer die ganz große Fahrt ans Meer oder zu einem Musical sein. Oft sind es kleinere Ausflüge: zu Freunden, zum Geburtsort „oder sogar zum Partner mitten in der Stadt“, erinnert sich die gebürtige Leipzigerin. „So erfüllte ich einer Patientin, die in der Uniklinik lag, zum Valentinstag ein letztes Candle-Light-Dinner mit ihrem Partner, der selbst pflegebedürftig war und in einem Heim am Rande der Stadt wohnte.“ Jacqueline fuhr die schwerkranke Leipzigerin zu ihm. Er wartete schon mit einem Lächeln und einem Strauß roter Rosen auf seine Partnerin.

Das letzte Rendezvous der Verliebten wäre ohne den Wünschewagen des Arbeiter-Samariter-Bundes nicht mehr zustande gekommen. In Leipzig gibt es ihn seit drei Jahren. „Als ich 2014 von der Idee hörte, war ich von ihr so elektrisiert, dass ich den Wünschewagen für Sachsen unbedingt bei uns stationieren wollte“, meint Marion Zimmermann, Geschäftsführerin vom ASB-Regionalverband Leipzig e. V. Inzwischen fährt in jedem Bundesland mindestens ein Wünschewagen, der über Spenden finanziert wird. Pro Jahr gibt es in Sachsen rund 200 Anfragen.

Zur Besatzung des Autos zählen ein Rettungssanitäter oder Arzt und der ehrenamtliche Fahrer. „Aber da ich in einem eventuellen Notfall auch helfen will, mache ich derzeit noch neben meinem Job eine einjährige Ausbildung zum Rettungssanitäter“, bemerkt Jacqueline Baumgarten. Bisher sind ihre Wünsche-Ausflüge glücklicherweise stets reibungslos verlaufen. „So eine gemeinsam verbrachte Zeit ist zwar kurz, doch erweitert sie den Horizont, schweißt unheimlich zusammen und gibt mir persönlich viel“, begründet die Fahrerin ihr Engagement. Und beim endgültigen Abschied liegt sie sich häufig mit dem Betroffenen in den Armen und empfiehlt ihm, noch so oft wie möglich an den schönen Tag zurückzudenken.

Tipp: Wenn Sie mithelfen wollen, letzte Wünsche zu erfüllen, können Sie unter folgender Nummer spenden: ASB-Spendenkonto Wünschewagen, IBAN: DE53 8602 0500 0003 5475 04, BIC: BFSWDE33LPZ, Verwendungszweck: Wünschewagen-LR

Thomas Gillmeister

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