Herzlich willkommen in Grünau: Hier ist der Maler Jürgen Leidert seit vier Jahrzehnten zu Hause. Foto: André Kempner
Herzlich willkommen in Grünau: Hier ist der Maler Jürgen Leidert seit vier Jahrzehnten zu Hause. Foto: André Kempner

Der Malstift habe wohl schon in seiner Wiege gelegen, scherzt Jürgen Leidert und zwar mit Blick auf sein erfülltes Leben. In Stötteritz geboren war er immer wieder gern bei seinem Großvater – oder besser gesagt in dessen Drogerie. Was es da nicht alles zu sehen und zu riechen gab! All das begeisterte ihn nachhaltig und das Gesehene brachte er noch ungelenk aufs Papier. Damit war die lebenslange Leidenschaft entfacht.

Denn auch wenn er ab und an durfte dem Großvater in der Drogerie auch zur Hand gehen durfte – ein Drogist wollte Jürgen Leidert nicht werden. Er liebäugelte vielmehr mit der Malerei, die Farben seiner Umwelt waren eine viel größere Faszination. Und so wurde er schließlich auch Maler: Mehrere Jahre studierte er an der Abendakademie der Hochschule für Grafik und Buchkunst figürliches Zeichnen und Malerei.

Ein gelernter Retuscheur

Auch in Sachen Beruf zog es ihn ins grafische Gewerbe; Retuscheur hatte er gelernt, eine Arbeit, bei der es auf die vielen kleinen, aber so wichtigen Details des Fotos ebenso ankommt wie auf die genaue und exakte Wiedergabe des Dargestellten. Und eine Aufgabe, die im weitestem Sinn auch mit dem Stift zu tun hat. Seine Arbeiten waren in der „Sybille“ oder im „Filmspiegel“ zu sehen. In den 70-er Jahren erwarb er sein Staatsexamen an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin, gestaltete Plakate und Programmhefte, war Kunsterzieher, Kulturhausleiter, Werbegestalter zum Beispiel im Kombinat Böhlen. Und als die Wende kam, machte sich der Grünauer selbstständig …

Festgehalten von Jürgen Leidert: Auch Henner Kotte wurde von dem Maler porträtiert.

Festgehalten von Jürgen Leidert: Auch Henner Kotte wurde von dem Maler porträtiert.

Denn es war die Malerei, für die sein Herz schlug: Für das Leipziger Hotel „Drei Linden schuf er beispielsweise auf diese Weise Gemälde mit Rückmarsdorfer Landschaften. Das Berufsbildungswerk Leipzig der Gehörlosen und Sprachgeschädigten beauftragte ihn, ein Gemälde des Erfinders der deutschen Gebärdenpädagogik zu malen: Das Bild zeigt eben jenen Samuel Heinicke, wie er eine Bittschrift an den sächsischen Kurfürsten schreibt.

Ein Gemälde von Meister Nadelöhr

Und wer erinnert sich nicht noch an das meterhohe Porträt von Meister Nadelöhr am Haus der heiteren Muse? Ein Bild, das sicherlich vielen Leipzigerinnen und Leipzigern noch bestens bekannt ist. Zudem malte Jürgen Leidert die Grünauer Bäume, Tiroler Landschaften, Porträts bekannter Persönlichkeiten (so etwa auch vom Krimi-Autor Henner Kotte, dessen überraschender Tod vor einiger Zeit den Maler sehr betroffen zurückließ) und vieles andere mehr …

Übrigens: Im mehrbändigen „Allgemeinen Künstlerlexikon“ erklärt Mitherausgeber, Kunstwissenschaftler Dr. Günther Meißner über den Leipziger Maler: „Neben Sinnbildern der Zeit und des Lebens, stehen bei diesem vitalen Maler vor allem Natureindrücke von Landschaften, heimatlichen Orten und Stilleben im Vordergrund. Er läßt vor allem die Farben sprechen, zeigt viele Details, die er in ein dichtes brachte er Strukturgeflecht einbindet. Alles wirkt organisch gewachsen. Insofern ist er mehr als ein Impressionist des schönen Augenblicks, weil er das Innere im Äußeren offenbart.“

Unterwegs im Dienste der Kunst

Als freischaffender Künstler legte sich Jürgen Leidert in der 90-er Jahren von Anfang an voller Freude mächtig ins Zeug. In Bremerhaven hatte er seine erste Ausstellung, viele weitere folgten. 1994 delegierte die Leipziger Stadtverwaltung innerhalb der Tage für Wirtschaft und Kultur eine Ausstellung mit Leidert-Bildern in die Partnerstadt Kiew. Von seinen Reisen nach Frankreich, in die Steiermark und an viele andere Ecken der Welt brachte er wunderschöne Motive mit.

Einer seiner Lieblingsplätze war auch immer wieder in Rerik an der Ostsee, in dessen Cafe „Graf“ und im Hotel „Zur Linde“ jeweils ein Leidert-Gemälde hängen. Dass er seine Reise- Eindrücke auf die Leinwand brachte, das freut nicht nur ihn, sondern auch all jene die, die seine Ausstellungen besuchten und besuchen. Jetzt wieder: Am 20. September letzten Jahres wurde eine kleine Dauerausstellung in Grünau eröffnet. Und zwar im Restaurant „Kurze Ecke“.

„Guck ich vorn zum Fenster raus, sehe ich grün. Gucke ich hinten zum Fenster raus, sehe
ich ebenfalls grün.“

Er kann aber auch gut Geschichten erzählen, der Maler und Grafiker Jürgen Leidert. Davon zeugen seine zwei Bücher mit authentischen Zügen. „Liebesbriefe Ost – zerfetzt – der himmelblaue Bikini“ macht richtig Lust auf’s Lesen, erzählt auf ehrliche Art die Wirren und Schwierigkeiten von zwei Liebenden zu DDR-Zeiten.

Und in dem Buch „Karussell an den Seitenstraßen“ geht es um Anekdoten, um spannende Begegnungen und Erinnerungen. Das Bild auf dem Cover – natürlich ein Gemälde – zeigt seinen Stiefvater Helmut Ober, der als leitender Baumeister die Leipziger Oper nach deren Zerstörung im Zweiten Weltkrieg wieder aufbaute und zwar in Sträflingskleidung. Warum dies so ist, das wird übrigens im Buch geschildert.

Leidenschaftlischer Koch und Briefmarkensammler

Und er ist Briefmarkensammler und leidenschaftlicher Koch. Hat er am Herd gestanden, lässt sich seine Frau Helga das Mahl dann gut schmecken. Auch Rückschläge steckt er weg – 2020 erlitt Jürgen Leidert einen Schlaganfall, doch rappelte sich wieder auf und ist trotz Gehbehinderung mit seinem E-Mobil nach wie vor öfters auf Achse. Er malt weiter, momentan an einer Berglandschaft und schreibt auch an einem dritten Buch.

Übrigens: Seit vier Jahrzehnten ist er in Grünau zu Hause und dies richtig gern: „Guck ich vorn zum Fenster raus, sehe ich grün. Guck ich hinten zum Fenster raus. sehe ich ebenfalls grün.“ Und was gibt’s zum (Sonntags-)Frühstück? Ein weichgekochtes Ei, ein halbes Brötchen mit Butter und Wurst und die zweite Hälfte mit Käse belegt und dazu ein Käffchen. Traudel Thalheim

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