ie Schwestern Marie-Claire (67/l.) und Diane de Selliers (69) sind die Nichten des französischen Offiziers Pierre Mairesse Lebrun, dem in Colditz die spektakuläre Flucht aus dem Kriegsgefangenenlager gelungen war. Im Schloss ist seine Flucht virtuell zu erleben. Foto: Haig Latchinian
Die Schwestern Marie-Claire (67/l.) und Diane de Selliers (69) sind die Nichten des französischen Offiziers Pierre Mairesse Lebrun, dem in Colditz die spektakuläre Flucht aus dem Kriegsgefangenenlager gelungen war. Im Schloss ist seine Flucht virtuell zu erleben. Foto: Haig Latchinian

Mit dem „HistoPad“, einem interaktiven Tablet-Guide, erwacht Schloss Colditz zum Leben, gibt jahrhundertealte Geheimnisse preis, erzählt bewegende Geschichten und gewährt vorher nie dagewesene Einblicke.

Nach zwei Jahren intensiver Planung und einem halben Jahr Schließzeit für Umbauten, hat auf Schloss Colditz kürzlich ein neuer Erlebnisrundgang eröffnet. Auf etwa 1300 Quadratmetern Fläche sind drei Bereiche des einst prächtigen Jagdschlosses erstmals für Gäste zugänglich. Im Kellerhaus, der Schlosskapelle und dem Fürstenhaus sind über 300 Exponate zu sehen und immersive Szenen aus 500 Jahren Schlossgeschichte zu erleben. Reichlich 500 000 Euro wurden durch die Staatliche Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH (SBG) die Verwandlung von Schloss Colditz investiert.

Museologin und Kuratorin Regina Thiede zeigt die Funktionsweise des Tablet-Guide „HistoPad“ in den neu zugänglichen Schlossräumen. Foto: Thomas Kube
Museologin und Kuratorin Regina Thiede zeigt die Funktionsweise des Tablet-Guide „HistoPad“ in den neu zugänglichen Schlossräumen. Foto: Thomas Kube

Die Eröffnung des neuen Rundgangs ist das wichtigste Projekt in diesem Jahr. „Schlösser und Burgen haben nicht nur eine glanzvolle Vergangenheit als Wohnorte sächsischer Könige und Fürsten. Es gibt auch düstere Kapitel in der Nutzungsgeschichte der Gebäude. Das wollen wir hier zeigen: Schloss Colditz war Kriegsgefangenenlager, Irrenanstalt und auch Krankenhaus. Die bewegenden Geschichten aus diesen Kapiteln werden jetzt mit Augmented Reality wieder lebendig“, erklärt Christian Striefler, Geschäftsführer der SBG, das neue Konzept.

Geschichte zum Anfassen

Zentral für die neue Vermittlung des Schlosses ist einmal mehr die Kooperation mit dem französischen Startup Histovery. Nach der Albrechtsburg Meißen und dem Barockschloss Moritzburg wird Schloss Colditz als drittes und letztes Schloss der SBG mit einem interaktiven Tablet-Guide zum Erlebnis. Die Zeitreise durch das Schloss mit dem „HistoPad“ bietet Augmented Reality, 3D-Animationen, einen 360-Grad-Rundumblick und hochaufgelöste Fotos. Per Touch gibt es Zusatzinformationen, Animationen und Filme.

Acht immersive Erlebnisstationen eröffnen faszinierende Einblicke in die Vergangenheit. Histovery-Gründer und Geschäftsführer Bruno de Sa Moreira: „Wir laden die Gäste im Schloss Colditz zu einem neuen Erlebnisrundgang ein, der dank HistoPad lehrreich, fesselnd und unterhaltsam zugleich ist. Unser Ziel bei dem Projekt war es, die Grenzen von Immersion und Interaktivität noch weiter aufzubrechen. Der Gast kann sich komplett in die packenden Ausbruchsversuche und persönlichen Geschichten hineinversetzen, die diesen einmaligen Ort so besonders geprägt haben.“

Interaktive Zeitsprünge

Der Rundgang konzentriert sich auf zwei besonders prägende Epochen: So reist man zurück in die Renaissance ins Jahr 1520. Kurfürst Friedrich der Weise nutzte Colditz damals als Jagdschloss. Inzwischen erinnern nur einige aufwändig bemalten Kassettendecken an diese Zeit. Mit dem „HistoPad“ erwachen Alltagsszenen des Kurfürsten zum Leben, die prachtvolle Raumgestaltung wird erfahrbar.

Nicht neu für Schlossbesucher, aber immer wieder reizvoll: die Kirche im Schloss mit ihrer Schlosskapelle. Foto: Thomas Kube
Nicht neu für Schlossbesucher, aber immer wieder reizvoll: die Kirche im Schloss mit ihrer Schlosskapelle.
Foto: Thomas Kube

Ein Schwerpunkt der Vermittlung liegt auf der Zeit des Zweiten Weltkriegs. Schloss Colditz war ab 1940 Kriegsgefangenenlager für hochrangige Offiziere der Westalliierten. Unter den prominenten Inhaftierten befanden sich unter anderem die Neffen Winston Churchills und des damaligen britischen Königs George VI. Die zahlreichen, beeindruckenden Ausbruchsversuche der Inhaftierten gelten besonders in Großbritannien bis heute als legendär und sind durch eine TV-Serie und das Buch „The Colditz Story“ bekannt.

Symbol des Freiheitswillens

Schloss Colditz wurde durch diese Geschichten zum Symbol des Freiheitswillens. Zehn der über 300 Fluchtgeschichten werden im Rundgang aufgegriffen und durch Animation auf einzigartige Weise erlebbar. Mit dabei sind die wohl bekanntesten Ausbruchsversuche durch den sogenannten französischen Tunnel unter der Schlosskapelle und durch den Theatersaal.

Hier geht es zur Website von Schloss Colditz

An einer Erlebnisstation können Gäste testen, ob ihnen die Flucht aus Schloss Colditz mit dem von den Kriegsgefangenen selbstgebauten Segelflugzeug, dem „Colditz Glider“ gelungen wäre. „Endlich werden diese Geschichten erzählt. Endlich können die Gäste von Schloss Colditz die Wohnquartiere des Schlosses betreten“, schwärmt Regina Thiede, die Museologin von Schloss Colditz. Zusammen mit dem Team von Histovery, der Gestalterfirma Whitebox und dem Projektteam der SBG hat sie in den vergangenen Monaten an jedem Details der neuen Ausstellung gefeilt.

Schloss Colditz bleibt unsaniert

Gäste finden in Colditz auch nach der Neueröffnung kein fertig saniertes Schloss vor. Alleinstellungsmerkmal bei SBG: Der besondere Charakter des Schlosses bleibt erhalten. Die unterschiedlichen Epochen und Nutzungen werden so vor Ort erfahrbar. Im Zuge des Umbaus wurden neue elektrische Leitungen verlegt, die Fußböden mit beleuchteten Laufstegen trittsicher gemacht, Vitrinen aufgestellt und abgeblätterte DDR Tapete angeklebt.

Geöffnet ist das neue Erlebnis in dieser Saison bis 3. November von Dienstag bis Sonntag sowie an Feiertagen. Führungen können auch außerhalb der Öffnungszeiten gebucht und mit dem „HistoPad“-Rundgang kombiniert werden. Der normale Eintrittspreis liegt bei 10 Euro. Gäste können zudem freiwillig einen Euro für die Restaurierung der Colditzer Orgel spenden.

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