Seine Augen strahlen, die Worte sprudeln aus ihm heraus und sind dennoch wohl durchdacht. Ronny Maik Leder ist ein leidenschaftlicher Mensch – das zu erkennen, braucht es nicht lange. Der gebürtige Ilmenauer ist seit 2016 genau da, wo er sich schon vor vielen Jahren sah: an der Spitze des Leipziger Naturkundemuseums. „2001 habe ich zum ersten Mal vor Kommilitonen und Kollegen geäußert: Ich würde gerne mal das Leipziger Naturkundemuseum leiten und was verändern“, sagt der 46-Jährige. Und dieses Ziel hat er unnachgiebig angestrebt. Mit Erfolg.
Kleiner Naturforscher und laute Proteste
Dass Leders berufliche Zukunft etwas mit Naturkunde zu tun haben würde – darüber gab es nie einen Zweifel. „Ich werde Naturforscher“, äußerte er bereits mit sechs Jahren. „Das hat mich die ganze Zeit begleitet“, sagt er. Und so legte der Thüringer die meisten seiner Aktivitäten genau darauf aus. Aus innerem Antrieb, aus früh erwachter Leidenschaft.
Aufgewachsen im Thüringer Wald zog es ihn schon als kleines Kind in jeder freien Minute in die Natur. „Mir war immer wichtig, mich mit dem auseinanderzusetzen, was mich umgibt“, erzählt er. Mit seinen Eltern – sein Vater war damals Fußballer bei Motor Suhl in der DDR-Liga, seine Mutter betreute Künstler für die Konzert- und Gastspieldirektion Suhl – war er oft in der Natur, sammelte Beeren und Pilze, stöberte in den Naturlexika seines Großvaters. „Darin gab es wundervolle Abbildungen. Die habe ich gerne angeschaut und Spezies auswendig gelernt“, erinnert er sich. „Mein Vater hätte mich bestimmt gerne als Fußballer, meine Mutter als Musiker gesehen, beides kam für mich aber nicht infrage. Ich wollte mich immer alleine beweisen.“
Als Schüler initiierte er die Renaturierung eines Molchteichs als Lebensraum für Amphibien, Insekten und Fische. Er verfolgte diese Idee so energisch, dass letztlich Projektwochen in der Schule daraus erwuchsen und in jedem Unterrichtsfach darauf Bezug genommen wurde. Als Student organisierte er Proteste gegen die Beschneidung des Studiengangs Geowissenschaften. „Ich habe immer versucht, Projekte durchzuziehen, ich wollte immer gewinnen.“
Sportler mit Siegeswillen und Sammelleidenschaft
Eine Einstellung, mit der er sich auch im Sport erfolgreich durchsetzen konnte. Als Skilangläufer gehörten tägliches Training und Wettkämpfe an den Wochenenden zu seinem Alltag. Bis heute zählt Skilanglauf zu seinen liebsten Sportarten. Noch 2009 holte er den Titel als Thüringer Landesmeister, 2017 nahm er bei der Senioren-WM teil. „Sobald Schnee in der Heimat liegt, bin ich dort. Da wird jede freie Minute genutzt, sagt er. „Ich trippele hier freitags schon mit den Füßen, wenn meine Eltern anrufen und sagen, es hat geschneit im Thüringer Wald.“
Neben dem Skifahren widmet sich Ronny Maik Leder aber noch weiteren Leidenschaften. Bergsteigen etwa. Und Musik – genauer gesagt: „Ich liebe herausragenden Sound.“ Als Jugendlicher „im Hip-Hop-Umkreis großgeworden“ hat sein Blick sich inzwischen geweitet. „Musik ist wunderbar faszinierend, in jedem Genre gibt es gute Musik“, findet er. Allerdings: „Das steht und fällt mit der Qualität der Anlage.“ Und damit gewährt der Museumschef einen vorsichtigen ersten Einblick in sein Heim. „Jede Etage hat eine Soundanlage, aber eher so aus den Siebziger- oder Achtzigerjahren. Die Qualität damals war überragend.“
Qualität – etwas, worauf der 46-Jährige Wert legt. So hat er sich neben einer Uhrensammlung – „Ihre Mechanik fasziniert mich“ – auch eine eigene Bibliothek angelegt. Hier steht unter anderem die Komplettausgabe des Neuen Jahrbuchs für Geologie und Paläontologie von 1832 bis heute. An manchen Tagen stöbert er, gemütlich auf einem englischen Ledersessel sitzend, darin oder schlägt etwas nach. „Alles, womit ich mich umgebe, muss seinen Wert halten, wenn nicht gar steigern. Und das hat nachhaltigen Wert“, ist er überzeugt. So wie seine Fahrräder.
Sammlung besteht aus 30 Fahrrädern
Mehr als 30 Räder nennt er sein Eigen. Räder, die von persönlichem Wert sind, aber auch von historischem. Zum Beispiel solche von Gary Klein, einem Pionier, der Oversized-Aluminiumrahmen gebaut hat. „Das sind legendäre, seltene und hochpreisige Räder, die auch sehr ästhetisch sind.“ Hinzu kommen seine eigenen Wettkampfräder, von denen er nie eines verkauft hat. „Allerdings wurden einige geklaut. Allein siebenmal wurde in unseren Keller eingebrochen“, erzählt er.
Viele Jahre hat der Thüringer an Radrennen teilgenommen. „Ich fahre heute immer noch, aber keine Wettkämpfe, darauf habe ich auch keine Lust mehr.“ Stattdessen fährt er täglich mit dem Rad zur Arbeit – immerhin knapp 30 Kilometer – sowie an den Wochenenden und auch im Urlaub ist das Rad immer dabei. Seine Frau, die er einst über den Radsport kennenlernte, und die drei Kinder sind ebenso begeisterte Radfahrer.
In Deutschland ist Ronny Maik Leder 2014 die letzten Rennen mit dem Mountainbike gefahren, in Florida mit Cross- und Rennrad bis 2016. Bis man ihm die Stelle als Direktor des Leipziger Naturkundemuseums anbot.
Umzug in die USA und eine Absage mit Folgen
Ronny Maik Leder studierte von 2000 bis 2005 Geologie und Paläontologie an der Universität Leipzig und war dort bis 2014 wissenschaftlicher Mitarbeiter der Geologisch-Paläontologischen Sammlung. Im Zuge seiner Doktorarbeit zog es ihn an das weltgrößte Naturkundemuseum – das Smithsonian in Washington. Er kehrte kurzzeitig zurück, bewarb sich für den ausgeschriebenen Posten als Museumsdirektor – und wurde wie alle anderen Bewerber abgelehnt. „Ich bin dann erst mal beleidigt zurück in die USA gegangen, um mir den letzten Puzzlestein zu holen“, blickt er zurück. Die Idee war, dass man möglichst nicht mehr an ihm vorbeikommt, wenn die Stelle ein paar Jahre später erneut ausgeschrieben wird. Ein Pokerspiel, das aufging.
Als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Post Doc am Florida Museum of Natural History sammelte er weitere Erfahrungen. „Die großartige Forschungsinfrastruktur dort hat mich intensiv geprägt“, sagt er. Dort zu bleiben, war jedoch nie eine Option. „Mir war immer wichtiger, Neues zu schaffen, als mich auf was Bestehendes draufzusetzen.“ Ob es ihm wichtig sei, etwas zu schaffen, das mit seinem Namen verbunden sei? „Da bin ich narzisstisch genug zu sagen: Ja!“
An den Tag, als die Stadtverwaltung Leipzig sich für ihn als neuen Museumsdirektor entschied, erinnert sich der Paläobiologe und Geologe noch ganz genau. „Ich war auf der weltgrößten Geologiekonferenz in Denver/Colorado. Als ich morgens mein Handy einschalte, erreicht mich eine Nachricht nach der anderen. Mir gratulierten plötzlich Menschen, die ich seit Mitte der Neunzigerjahre nicht mehr gesehen hatte zu meinem neuen Posten, von dem ich bis dato noch gar nichts wusste. Das war der schönste Tag meines Lebens bezogen auf meine berufliche Karriere, weil sich alles fügte.“
Statt zur Konferenz zu fahren, verbrachte Leder den restlichen Tag mit Mountainbiken. „Da bin ich dann auch Dinge gesprungen, die ich sonst nicht gemacht hätte“, erinnert er sich an den Tag, an dem ihm noch dazu ein Puma begegnete. „Als ich das Bike abgegeben habe, war dort ein böhmisches Restaurant und es war Oktoberfest, total abgefahren. Da gab es Rouladen und echte Klöße und bayrisches Bier. Es war für mich der perfekte Tag!“
Bowlingtreff: Ein Museum zieht um
Seit 2016 leitet Ronny Maik Leder das Leipziger Naturkundemuseum, das spätestens 2029 in den ehemaligen Bowlingtreff am Leipziger Ring umziehen wird. Blickt er auf den Beginn seines Studiums zurück, erinnert er sich daran, oft am damals noch geöffneten Bowlingtreff vorbeigefahren zu sein. „Dann wurde er jedoch geschlossen, ohne dass ich genau wusste, was das ist. Erst Jahre später habe ich mich mit dem Gebäude auseinandergesetzt und festgestellt, was für eine herausragende Immobilie das ist.“ Während einer Vortragsreise auf Zwischenstopp in Leipzig – damals lebte Leder in den USA – sah er den Film „Bowlingtreff“ der Filmemacher Thomas Beyer und Adrian Dorschner. „Da war es so richtig um mich geschehen, ein Gänsehautmoment!“
Der Gedanke, das neue Naturkundemuseum dort aufzubauen, nahm zunehmend Gestalt an. Inzwischen ist die Entscheidung für genau jenen Ort – seinen Favoriten – längst gefallen. Die ersten Vorarbeiten laufen und Leder ist optimistisch, dass die zeitliche Planung aufgeht: „Wir können wahrscheinlich sogar schon früher öffnen“, sagt er und seine Augen strahlen. Patricia Liebling
Erste Einblicke in den Bowlingtreff als neue Heimstatt des Naturkundemuseums gewährt die neue Staffel des Podcasts „School‘s out“, die sich wesentlich mit dem Neubau beschäftigt: www. naturkundemuseum.leipzig.de
Patricia Liebling