„Shine on you crazy diamond”, schmettert Mario Rostenbeck ins Mikrofon. Das Schlagzeug wummert, die elektrischen Gitarren schrammeln. Die Band legt im Tonellis eine astreine Show hin. Das Publikum jubelt. Auch wenn das Original durch musikalische Perfektion und eine fulminante Bühnenshow auffiel – die sächsische Adaption sorgt für gute Stimmung und zollt der Kultband Tribut. Denn mal ehrlich: Pink Floyd zu covern – ist das nicht unfassbar schwer? Die Legenden schleppten in den 70er-Jahren Tonnen an Technik auf die Bühne, nutzten Beamer und Laser für ihren extrem aufwendigen Bühnenauftritt. Kommt da eine „Saxonian Pink Floyd Show” heran?
Mario Rostenbeck und Mirko Neumann – beide Gitarristen und Sänger der Cover-Band – ist klar, dass sie den musikalischen Vorbildern nicht das Wasser reichen können. Aber eine gute Performance auf der Bühne, das ist ihnen durchaus wichtig. „Wir müssen uns nicht hinter anderen Pink-Floyd-Cover-Bands verstecken”, sagt Neumann selbstbewusst. Im Tonellis in der Leipziger City legte die Band kürzlich ihren ersten Auftritt hin.
Premiere im Tonellis ist ausverkauft
Die Premiere lief bestens: „Geile Stimmung, super Publikum, ausverkauft”, fasst Mirko Neumann den Abend zusammen. Hinterher riefen noch Leute bei ihm an, die ihm zuriefen, wie toll sie das Konzert fanden, erzählt der 56-Jährige. „Sowas hab ich noch nie erlebt.“ Die Musiker sind stolz, dass ihr erstes Konzert so einen Zuspruch hatte. „Wir sind keine Partyband. Das ist Kunst”, betont Neumann.
Auch Mario Rostenbeck – der Frontmann der Band – ist zufrieden mit dem Auftritt. „Ich denke, uns ist da eine gute Melange gelungen zwischen dem, was wir reinbringen können und dem, was Pink Floyd uns liefert”, fasst er zusammen und steckt sich eine Zigarette an. „Wir setzen hier und da bewusst eine eigene Marke.”
So wird auf der Bühne gern mal ein bisschen gesächselt. Immerhin stammt die siebenköpfige Band – bis auf den Keyboarder, der in Gera wohnt – aus dem Umkreis von Leipzig. Mirko Neumann sagt: „Ein bisschen Improvisation gehört dazu. Es soll ja schön locker rüberkommen.” Doch der Anspruch der Truppe ist klar definiert: Die Musik soll „so nah wie möglich am Original bleiben”.
Selbstverständlich sind Rostenbeck und Neumann echte Pink-Floyd-Fans. „Gefühlt seit meinem zehnten Lebensjahr höre ich die Musik sehr, sehr gerne”, sagt Rostenbeck. „Was die Kapelle in den 50 Jahren ihres Bestehens geschafft hat, ist schon obergenial”, findet er. „Jeder Ton ist überlegt und nicht einfach reingerotzt.” Rostenbeck hat die britische Kultband selbst einige Male erlebt. Anfang der 90er war er in Berlin zum Konzert – mit 300 000 weiteren Fans. Eines Tages keimte in ihm die Idee auf, „die Musik regional am Leben zu erhalten”.
Erstes Pink-Floyd-Projekt scheiterte
2018 versuchte Rostenbeck schon einmal, ein Pink-Floyd-Projekt aus dem Boden zu stampfen, aber „das verlief sich dann im Sande”. Was er unterschätzte: „die musikalische Darbietung, ganz zu schweigen von den Showeffekten.” Versuch Nummer zwei führte zum Erfolg. Und das, obwohl es im wörtlichen Sinne eine „Schnapsidee” war.
„Ich denke, uns ist da eine gute Melange gelungen zwischen dem, was wir reinbringen können und dem, was Pink Floyd uns liefert”
Rückblick auf den 21. April 2022. Der Bruder des heutigen Schlagzeugers feiert seinen 50. Geburtstag. „Es war nachts halb zwei”, erzählt Rostenbeck und fängt scherzhaft an zu lallen. Auf der Fete kommt plötzlich die Idee auf, eine „Bink-Floyd-Coverband” aus der Taufe zu heben. Gesagt, getan. Ein Bassist, ein Keyboarder, ein Schlagzeuger und ein Saxofonist sind schnell gefunden – etwas später auch eine Background-Sängerin. Man trifft sich einmal pro Woche im Probenraum von Mario Ostenbeck im kleinen Ort Waldsteinberg bei Brandis.
Auch wenn die Band für alle Beteiligten ein Hobby ist, nehmen sie das Projekt sehr ernst. „Die Musik steht schon im Vordergrund”, sagt Mirko Neumann. Alle Musiker bereiten sich zu Hause vor. Vor Ort wird so lange gespielt, bis alle zufrieden sind. Rostenbeck sagt über die Stimmung im Probenraum, sie sei „von heiter bis lustig, aber auch ernst”. Neumann ergänzt: „Wichtig ist auch, dass jemand dabei ist, der das von außen hört.” Ein befreundeter Toningenieur begleitet die Band regelmäßig bei der Probe.
Mirko Neumann, der in Großpösna lebt, betont, dass die Band „ein reines Herzensprojekt” ist. Alle Mitglieder haben noch einen Beruf. „Wir haben beide schon in Bands gespielt, wo es Leute gab, die davon leben mussten. Das ist problematisch”, findet er. Der Druck, aufzutreten und erfolgreich zu sein, sei dann um ein Vielfaches höher. Bei dem Projekt stehe vor allem der Spaß an der Musik im Vordergrund.
Mit 14 Jahren die erste eigene Gitarre
Die Liebe dazu entdeckt der gebürtige Leipziger, als er 14 Jahre alt ist. Sein Vater spielt Gitarre in einer Tanzband. Neumann versuchte schon als Kind, auf der Jazzgitarre des Vaters zu spielen, allerdings erfolglos. Als Jugendlicher ergattert er schließlich eine Wandergitarre und fängt an, in Schülerbands zu spielen und im Singeclub. Das meiste bringt Neumann sich selbst bei. Gitarrenlehrer zeigen ihm den Rest. Nur aufs Spielen nach Noten hat er keine Lust. Neumann hört die Songs lieber und versucht dann, die Titel nachzuspielen. „Es gab damals ja keine Videoaufnahmen.”
Nach der Wiedervereinigung schläft sein Interesse an der Musik ein. Er studiert Bauingenieurwesen, schreibt seine Doktorarbeit, gründet eine Familie. Heute ist Neumann Geschäftsführer einer Softwarefirma für die Bauindustrie und damit Chef von 30 Mitarbeitern. Er sitzt viel im Büro oder arbeitet vom heimischen Schreibtisch aus. „Die Musik ist ein Ausgleich”, sagt er ganz klar.
„Die Musik ist ein Ausgleich”
Vor 15 Jahren entdeckte er die Leidenschaft dafür wieder – und war seitdem Mitglied in diversen Coverbands. Er spielte Songs von „ZZ Top”, „Status Quo”, Ostrock und Schlager. „Jetzt wird es mal Zeit für Kunst”, sagt Neumann und grinst. Seine beiden erwachsenen Kinder haben das musikalische Talent des Vaters offenbar geerbt. Neumanns Tochter spielt Querflöte, der 20-jährige Sohn studiert Toningenieurwesen und spielt Gitarre – und zwar „um Längen besser als ich”.
Neben der Leidenschaft für die Musik ist da noch die Liebe zur Gartenarbeit – ein Interesse, das er mit Mario Rostenbeck teilt. Beide kennen sich schon seit 15 Jahren, von der Ostrock-Band P70, in der sie nacheinander spielten. Seit einem Jahr ist der Kontakt nun enger. Dabei hätten sich die Männer schon als Jugendliche über den Weg laufen können.
Erste Gitarre für 110 Ostmark
Mario Rostenbeck, der nur drei Jahre älter ist als Neumann, wächst in Leipzig-Connewitz auf, sein Bandkollege in der benachbarten Südvorstadt. Mit 15 fängt Rostenbeck an, Musik zu machen. „Ich bin ein Spätzünder”, sagt er über sich selbst. Seine Eltern kaufen ihm auf seinen Wunsch hin eine Gitarre für damals 110 Ostmark, eine statt- liche Summe. Auch Rostenbeck ist Mitglied in einem Singeclub, irgendwann leitet er den sogar und singt dort „Stairway to Heaven” von Led Zeppelin.
Er spielt in verschiedenen Bands, gründet zu DDR-Zeiten unter anderem „Amor and the kids”, in der auch Prinzensänger Tobias Künzel eine Zeit lang als Sänger und Schlagzeuger aktiv ist. Nach der Wende zerfällt das Projekt und Rostenbeck ist zehn Jahre lang Teil der Ostrockband P70. Mit der Pink-Floyd-Coverband verwirklicht er sich – mit 59 Jahren – einen „Jugendtraum”, sagt er. Beruflich ist er Spezialist in einem Versicherungsunternehmen und deshalb viel unterwegs. Umso mehr freut sich Rostenbeck dann auf die Treffen in seinem Probenraum.
Und der wird in nächster Zeit ausgiebig genutzt. Die Mitglieder der „Saxonian Pink Floyd Show“ üben intensiv. „Wir wollen das Niveau immer weiter nach oben schrauben”, so Mirko Neumann. Eine Lasershow ist als Erweiterung geplant. Derzeit sucht die Gruppe nach weiteren Auftrittsmöglichkeiten. Spontan könnten die sieben in diesem Jahr noch in kleinen Musikerkneipen oder auf privaten Geburtstagen auftreten.
Nächstes Jahr wollen sie dann auf größeren Events – etwa auf Stadtfesten – auf der Bühne stehen. Und dann gibt es da noch diesen einen Wunsch, den sie sich zu gern erfüllen würden – dann, wenn sich die berühmte Montagsdemo am 9. Oktober 1989 in Leipzig zum 40. Mal jährt. „Unser geheimes Ziel ist es, an diesem Tag „The Wall“ in seiner komplexen Form auf dem Augustusplatz aufzuführen”, sagt Mario Rostenbeck. Er weiß: aus einer Schnapsidee kann schnell ernst werden. Gina Apitz
Mehr Infos zur Band findet man im Internet unter: www.pinkfloydshow.de