Albrecht Voss ist Perfektionist: Aus dutzenden Motiven extrahiert er meistens drei bis neun gute Bilder, die ihm gefallen. Foto: André Kempner

Leipzig. Es ist kurz vor 6 Uhr morgens, als Albrecht Voss die Drohne im neuen Säulengarten der Sächsischen Aufbaubank (SAB) aufsteigen lässt. Die Sonne geht langsam auf. Zwischen den riesigen Stelen wechseln sich Licht und Schatten ab. Der perfekte Moment für ein Foto. Jedenfalls fast. Voss will noch Menschen auf dem Motiv haben, um die Dimension der Säulen zu verdeutlichen. Am Ende sind er selbst und der Security-Mann der Bank auf dem Foto klein zu sehen. Mit der Aufnahme gewinnt der Leipziger Fotograf einen internationalen Drohnenfotowettbewerb in der Kategorie Architektur. Ein großer Erfolg, der auch Voss Hartnäckigkeit geschuldet ist.

Im Vorfeld musste man viele Klinken putzen

Denn um dieses Bild schießen zu dürfen, musste er im Vorfeld Klinken putzen. „Ich hab die SAB über Jahre hinweg belagert, als sie dieses neue Gebäude in Leipzig gebaut haben”, sagt der professionelle Werbefotograf. „Es war für mich eines der faszinierendsten Gebäude in Leipzig.” Er bekam schließlich den Zuschlag und durfte das Haus als Auftrag vom Keller bis zum Dach abfotografieren. Dabei entstand auch das Motiv für den Wettbewerb.

Warten auf das optimale Licht: Albrecht Voss unterwegs in den Alpen. Foto: Albrecht Voss

Wie er ein Gebäude gut in Szene setzt, hat sich der Leipziger über die Jahre autodidaktisch erarbeitet. „Ich bin Generation Youtube”, sagt der 32-Jährige. Voss lernte das meiste in Videoseminaren und probierte vieles aus. Ein gutes Foto vereint für ihn ein spannendes Objekt mit gutem Licht und einer passenden Komposition. „Man braucht alle drei, um ein herausragendes Bild zu erstellen.” Und: „Glück spielt eine große Rolle.” Gerade die Lichtverhältnisse seien oft schwer kalkulierbar. Albrecht Voss nutzt die Technik, um das perfekte Motiv abzulichten. Eine spezielle Wetter-App sagt ihm, wann die Sonne rot glühend untergeht, eine andere wann sie die Fassade eines Gebäudes optimal trifft – und sich ein Foto lohnt.

Genaue Organisation

Seine Shootings organisiert Albrecht Voss im Vorfeld möglichst genau. „Die Vorplanung ist die Hälfte der Miete.” Doch auch die Nachbearbeitung der Bilder am Computer spiele eine große Rolle. Voss ist Perfektionist. „Ich bin sehr selbstkritisch und sehe immer das Optimierungspotenzial des Bildes.” Pro Jahr gelängen ihm etwa drei bis fünf richtig starke Bilder. Solche, die durch Motiv, Perspektive und Lichtverhältnisse hervorstechen. Die reicht er dann bei Wettbewerben ein – mit zuletzt großem Erfolg. Bei den Hasselblad Masters, einem Wettbewerb eines renommierten Kameraherstellers, erreichte er den ersten Platz in der Kategorie Architektur. Gewürdigt wurde hier seine Serie über moderne Gebäude in den Alpen. Man muss wissen: Albrecht Voss ist Hobby-Bergsteiger und klettert gern. In den Alpen gab es eine ganze Reihe interessanter Objekte, die er unbedingt vor die Kamera bekommen wollte. Mit Beginn der Corona-Pandemie setzte er dieses Outdoor-Projekt in die Tat um – er und sein Team nahmen dafür so einige Strapazen auf sich.

Die Monte-Rosa-Hütte in den Walliser Alpen gehört zu Albrecht Voss neuesten Arbeiten. Foto: Albrecht Voss

Mit dabei: Sein 20 Kilo schwerer Rucksack, der neben Schlafsack und Verpflegung eben auch die Fotoausrüstung enthält. „Wir sind über Gletscher gestiegen und über Bergspitzen geklettert”, erzählt er. „Bei Minusgraden im Schlafsack neben der Kamera übernachten, gehört dazu.” Alles für das perfekte Motiv. Ein Kamerateam filmte Voss auf seiner Tour. „Die haben ganz schön geächzt manchmal”, gibt er zu. „Für diese Aufnahmen bin ich ans Limit gegangen.” Entstanden ist eine Fotoserie mit zehn Locations, in besonderem Licht eingefangen – inmitten einer spektakulären Kulisse. „Ich liebe diese schroffe Natur”, sagt der Fotograf. „Wenn man an der Felskante hängt, das ist eine pure Erfahrung. Da fühle ich mich lebendig.”

Schon als Kind in den Alpen unterwegs

Die Liebe zu den Bergen vermitteln Albrecht Voss die eigenen Eltern. Im Urlaub geht es als Kind oft in die Alpen. Und auch das Interesse an der Architektur kommt bei ihm auch nicht von ungefähr, erklärt er weiterhin: „Ich bin in einem Haushalt aufgewachsen, wo es immer eine große Liebe für Design gab.” Beruflich soll Albrecht Voss ursprünglich in die Fußstapfen seiner Mutter treten – und Arzt werden. Seinen Zivildienst absolviert der Leipziger in der örtlichen Uniklinik. Danach geht es für ein Semester nach England. Dort hat sich Voss für Fotografie eingeschrieben. Doch das Tempo ist ihm zu langsam, die Grundlagen kennt er bereits. „Ich hab gemerkt, dass ich eher der Autodidakt bin.”

Er bricht das Studium ab und macht stattdessen eine Ausbildung zum Bankkaufmann. Die Eltern verlangen: „Lern was Ordentliches.” Parallel arbeitet er als Fotograf für die Bildzeitung in Leipzig, studiert im Anschluss Wirtschaftspsychologie in Halle. „Ich hab mir meine Universität wegen der Architektur des Audimax ausgesucht”, sagt er rückblickend – und meint das ernst. Nach dem Bachelorabschluss macht Voss sich 2012 als Werbefotograf selbstständig. An Models in Leipzig heranzukommen, fällt ihm schwer, aber: „Gebäude waren frei zugänglich.” So konzentriert er sich auf Architektur als Motiv und baut sein Portfolio aus. „Ähnlich wie manche Menschen hübsche Frauen als Models fotografieren, fotografiere ich hübsche Gebäude.”

Voss bietet Architekten Fotostrecken an

Inzwischen buchen ihn internationale Hotelketten und Architekten, weil sie unbedingt ihre Fotos in seinem Stil haben wollen. Außerdem arbeitet er mit Kameraherstellern zusammen, kreiert Werbestrecken für neue Produkte. Doch Voss ist nach wie vor sehr proaktiv unterwegs. Kürzlich machte er Fotos vom neuen Umweltforschungszentrum, das gerade in Leipzig gebaut wird. Frischer Frost, die Gebäude waren in Schnee gehüllt. Die Serie hat er dem Architekten zum Kauf angeboten. Auf diese Weise akquiriert er neue Kunden.

Ein Autodidakt in Sachen Architektur-Fotografie: Albrecht Voss. Foto: André Kempner

Als Selbstständiger muss der Fotograf ständig neue Aufträge ergattern. „Ich habe zwei Kinder und eine Frau, die von meinem Einkommen abhängig sind”, sagt er. Generell lasse sich sein Job recht gut mit seiner Familie vereinbaren. Manchmal sei er zwar wegen eines Shootings mal eine Woche weg. Im Gegenzug biete die Selbstständigkeit nun einmal ganz viel Flexibilität. „Klar kann ich auch mal 13 Uhr meine Tochter aus der Schule abholen. Sie sitzt dann bei mir im Büro und macht noch Hausaufgaben.”

Beruf und Privatleben lassen sich nur schwer trennen

Beim Fotografieren lassen sich Beruf und Privatleben allerdings nur schwer trennen, gibt Albrecht Voss zu. „Ich weiß oft nicht, ob ich gerade arbeite oder hobbymäßig unterwegs bin.” In dieser Hinsicht will er sich in Zukunft mehr disziplinieren – und den Laptop am Wochenende auch mal ausgeschaltet lassen. Yoga, Meditation und Achtsamkeitsübungen nutzt Voss außerdem als Ausgleich zum oft stressigen Alltag. Nach der Arbeit nimmt er sich meistens eine halbe Stunde Zeit, „um runterzufahren”.

Beruflich sucht der Fotograf derzeit noch nach neuen Projekten, die er demnächst angehen will. Vielleicht mal weg von den Bergen, in wärmere Gefilde, vielleicht Fotos von Architektur in Spanien. „Eine Wüstenlandschaft in der prallen Sonne würde mich auch reizen.” Und dann ist da noch seine Ideenliste, die er auf Google Maps angelegt hat. 100 Gebäude weltweit sind schon darauf, die er gern mal vor der Linse hätte. Er hat noch viel zu tun. Gina Apitz

Arbeiten von Albrecht Voss sind im Spätsommer in einer gemeinsamen Ausstellung mit den Fotografen Martin Neuhof und Eric Kemnitz in der Leipziger City zu sehen. Dort zeigt Voss Alpenfotos und Bilder aus seiner Drohnenserie „Leipzig von oben.” Mehr Informationen über den Fotografen findet man im Internet unter: www.albrechtvoss.com

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here