Neun Jahrzehnte Kleingarten-Geschichte: Lothar Böer und seine Pächter begingen das Sparten-Jubiläum in diesem Sommer mit einer großen Party. Foto: Thomas Kube

REGION. Die Kleingartensparten gehören im Landkreis Leipzig zu den ältesten Vereinen. Im Jahr 1928 begann mit 23 Kleingärten die Geschichte des Naunhofer Kleingartenvereins „Sonnenschein“ unter dem Namen „Schreberverein Naunhof“.

90 Jahre später besteht die sich auf 78.693 Quadratmetern über das gesamte Stadtgebiet erstreckende und sieben Teile umfassende Anlage, die 1934 in „Parthenaue“ und 1949 noch einmal in „Kleingartenhilfe Naunhof“ umbenannt wurde, aus 259 Parzellen, die von rund 250 Mitgliedern bewirtschaftet werden. Neben einem mit Gastronomie versehenen Vereinshaus verfügt der Verein über diverse Gemeinschaftsflächen, die sich nach Einschätzung des Regionalverbandes Muldental der Kleingärtner allesamt „in einem ausgezeichneten Zustand“ befinden. Maßgeblich profitiert der Verein von der fast 50-jährigen Vorstandserfahrung seines Vorsitzenden Lothar Böer. Der Naunhofer, Jahrgang 1937, leitet die Geschicke des Vereins seit 1986 und ist damit der am längsten amtierende Vereinsvorsitzende in der Geschichte des Naunhofer Vereins. „Seit vielen Jahren ist der Verein ein verlässlicher Ansprechpartner für uns, weshalb wir ihn in diesem Jahr mit der Ehrenschleife des Regionalverbandes Muldental ausgezeichnet haben“, so dessen Präsident Frank Lichtenberger.
Die erste, am Vorabend von Hitlers Machtergreifung angelegte „Sonnenschein“-Anlage befand sich an der Alten Beuchaer Straße. Im Dritten Reich und nach dem Zweiten Weltkrieg kamen weitere hinzu, verteilt über das gesamte Stadtgebiet. In Hochzeiten waren es insgesamt rund 350 Gärten. „Als Not herrschte, versorgten sich die Leute in ihnen mit Lebensmitteln“, blickt Lothar Böer auf die Anfänge seines Vereins zurück. Dieser musste seine Gründungsanlage 1970 im Zusammenhang mit der Erweiterung des Sachsenpelz-Betriebsgeländes zurückbauen.

Als Ausgleich bot die Stadt der im DDR-weiten Verband der Kleingärtner, Siedler und Kleintierzüchter organisierten Sparte eine Fläche auf einem ehemaligen LPG-Gelände an der Thomas-Müntzer-Straße an. „Es war unser großes Glück, dass wir umsiedeln konnten“, urteilt der 81-jährige Vereinsvorsitzende, der unmittelbar danach den Baubeginn des Spartenheims miterlebte. Tausende Arbeitsstunden hätten manche Mitglieder eingebracht, als Partnerbetriebe Sachsenpelz, das Betonwerk und die Spinnerei mit Material und Transporten unterstützend gewirkt. „Auch die eine oder andere Portion Vitamin B, sprich Beziehungen, waren für den Bau vonnöten“, erinnert sich Lothar Böer und betont die „große Gemeinschaft, in der alle kameradschaftlich miteinander umgingen, jeder zum anderen stand.“

Mit der Wiedervereinigung wurde auch die Naunhofer Sparte ein eingetragener Verein, zugleich verlor der „Schrebergarten“ an Bedeutung hinsichtlich der Selbstversorgung mit vitaminreicher Kost. Während jedoch vielen anderen Kleingartenvereinen die Pächter davonliefen, hatte der Naunhofer nie mit großen Leerständen zu kämpfen. „Uns kam es immer auf die Wirtschaftlichkeit an“, begründet Böer. So habe man nach dem Inkrafttreten neuer gesetzlicher Grundlagen, denen zufolge ein Drittel des Gartens dem Obst-, Gemüse- und Blumenanbau vorbehalten sein muss, diese mit Augenmaß umgesetzt. Sprich unter Rücksichtnahme auf ältere Mitglieder ebenso wie auf junge Leute, die ihren Garten zur Regenerationszwecken betreiben. Mit der für den Verein negativen Folge, dass einer großen, 100 Gärten umfassenden und hauptsächlich von Leipzigern genutzten Anlage an der Großsteinberger Straße wegen der Nichteinhaltung des Ein-Drittel-Prinzips der Status der Gemeinnützigkeit verwehrt wurde und diese in der Konsequenz vom Verein abgegeben werden musste.
Die ältesten Kleingartenvereine im Regionalverband Muldental und dem Regionalverband der Kleingärtner der Gebiete Borna, Geithain, Rochlitz und Umgebungen sind die Sparten „Prießnitz“ in Wurzen mit 131 und „Naturfreunde 1907″ in Groitzsch mit 111 Jahren. Roger Dietze

 

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