Leipzig. „Das ganze Leben ist ein Quiz!“ Na klar, dieser Hape-Kerkeling-Klassiker muss einfach gebracht werden, und sei es beinahe zum Abschied. Aber er trifft den Nagel so wunderbar auf den Kopf: Ja, (fast) das ganze Leben ist ein Quiz für die Leipzigerin Annegret Schenkel: „Ich war schon immer neugierig und habe viel gefragt. Außerdem kann ich mir Dinge gut merken – und so bin ich reingewachsen in diese semiprofessionelle Quizszene.“ Inzwischen hat sie es sogar zur Jägerin in der Kult-Quizsendung „Gefragt – gejagt“ im ARD-Fernsehen gebracht.
Ein wenig ist es die Erfüllung eines Lebenstraums – da ist sie schon ganz schön ehrlich, wenn sie auf ihre Premierensendung zurückblickt, die übrigens am 6. Oktober letzten Jahres über die Bildschirme flimmerte. Auf dieses Gefühl, das in diesen Momenten so präsent war. „Ja, da habe ich gedacht: Endlich bin ich dort, wo ich immer hinwollte“, und dies eigentlich schon seit dem Jahr 2014. Dem Jahr, an dem alles begann mit dem Leben in der organisierten Quizszene …
„Ich habe nun mal Bock auf Wissen“
Wie schon gesagt: Mit Wissen an sich hat sich Annegret Schenkel schon seit Kindheitstagen in Dresden beschäftigt. Die Neugier war stets vorhanden, das Aufnahmevermögen ebenfalls. „Ich habe nun mal Bock auf Wissen“, überlegt sie und erzählt: „Zum Beispiel war die deutsche Sprache für mich immer unglaublich interessant. Was wohl auch wenig vom Vater kommt, der eine große Vorliebe für deutsche Balladen hat. Und eine Begeisterung für Sprachspiele und Wortwitze, die er definitiv an mich weitergegeben hat. Außerdem fand ich diese Wortungetüme, die man in der deutschen Sprache so schön bilden kann, stets richtig faszinierend.“ Folgerichtig führte sie der Weg nicht nur zum Quizzen, sondern auch zur Germanistik – wobei sie in Leipzig und im schottischen Edinburgh auch Kunstgeschichte und Soziologie studierte.
Damit war eine solide Basis gelegt für Frage-Antwort-Spiele der gehobenen Art. Schon 2005 flammte die Quizbegeisterung auf, ordentlich Holz nachgelegt wurde neun Jahre später. Das Jahr 2014 war schon ein bemerkenswertes Jahr, erzählt sie: Die Premiere bei „Gefragt – gejagt“ als Kandidatin, zuvor war sie schon beim „Quizduell“ und beim „Quiz-Champion“ dabei. Ein echter Fernseh-Marathon, der jenen erwähnten Traum zum Leben erweckte. „Ich war sofort angefixt“, erzählt sie und davon, umgehend in den Deutschen Quiz-Verein eingetreten zu sein. Ran an die semiprofessionelle Quizszene des Landes.
Quizzen im Café Westen
Ja, die gibt es wirklich – und auch in Leipzig: Im Café Westen finden regelmäßig Quiz-Wettbewerbe statt, bei denen auch Annegret Schenkel am Start ist. Ein besseres Training und dies noch unter Wettkampfbedingungen gebe es nun mal nicht, sagt sie. Ja, Quizzen muss man trainieren. Diesen Stress und diesen Druck, den es mit der nötigen Lockerheit zu meistern gilt. Mit Händen greifen kann man dies bei den „Gefragt – gejagt“-Schnellraterunden, „der höchste Kick beim Quizzen: Diese pure Konzentration verbunden mit der Fähigkeit, sich nicht aus dem Tritt bringen zu lassen, muss man schon echt üben“.
Und zum anderen ist aber auch der Deutschland-Cup vom Deutschen Quiz-Verein schon echt knackig: Schriftlich unter Klausurbedingungen müssen 100 Fragen in 60 Minuten beantwortet werden – und zwar ohne A, B, C oder D. Andererseits war diese Herausforderung für Annegret Schenkel auch schon wieder ein Aha-Erlebnis, einst im so wichtigen Jahr 2014: „Nach den Fernsehauftritten bin ich nach Halle zu meinem ersten Wettbewerb gefahren – und habe auf Anhieb gut abgeschnitten.“ Nur ein Jahr später erreichte sie bei den Deutschen Quizmeisterschaften einen Top-Ten-Platz bei den Frauen. Wie gesagt, die Leidenschaft war nachhaltig entfacht.
Weil das Quizzen eben so vielschichtig ist. „Klar, die beste Antwort ist jene, die man sicher weiß“, plaudert Annegret Schenkel ein wenig aus dem Rate-Nähkästchen: „Aber manchmal muss die Frage auch lesen können und die Verknüpfungen und Hinweise finden, die zur Antwort führen. Gut, dabei habe ich einen ganz großen Vorteil, dass ich selbst schon so lange Quizfragen schreibe. Und da gibt es schon gewisse Mechanismen, die man durchschaut.“ Und mit einem Lächeln ergänzt sie: „Das ist allerdings ein zweischneidiges Schwert: Wenn man immer nach den Mechanismen sucht, kann man auch das Naheliegende schnell übersehen.“
Wie schreibt man eigentlich Quizfragen?
Fragen schreiben fürs Quizzen – auch schon wieder ein spannendes Thema. Weil Quizzen nicht gleich Quizzen ist: Das lockere Kneipenquiz mit gehobenem Unterhaltungswert verlangt ganz andere Fragen als ein knallharter Deutschland-Cup. „Man muss sich schon ganz genau überlegen, was man erreichen will – und die Zielgruppe im Auge behalten“, erzählt sie. Ganz schwierig werde es bei den „offenen“ Fragen, also jenen ohne vorgegebene Antworten: Da müsse man schon ganz genau recherchieren und sich „vorher sehr genau überlegen, was alles eine richtige Antwort wäre“. Eines gilt aber immer: „Eine gute Frage ist jene, die einen Aha-Effekt hat und bei der man zudem noch etwas lernt.“
Recherche ist ein wunderbares Stichwort – gerade, wenn das ganze Leben ein Quiz ist. Also ist auch das ganze Leben eine Recherche. Was passiert, wird im besten Fall aufgesogen. „Da muss man nur die aktuelle Geschichte mit dem Song ’Running Up That Hill’ nehmen: Ein klassisches Beispiel, wie man eine Quizfrage formt – man kann nach der Künstlerin Kate Bush fragen oder nach der Serie ’Stranger Things’, die den Song 37 Jahre nach dem Erscheinen wieder in die Charts gespült hat.“ Und mit einem Lächeln ergänzt Annegret Schenkel: „Man achtet permanent auf Themen – und sei es für die Show ’Riskier Dein Bier!’.“ Von ebendieser dürften sie wohl auch die meisten Leipzigerinnen und Leipziger kennen …
Nicht ganz ungelegen kommt da auch die Tatsache, dass sie in jedem Jahr rund 100 Bücher liest. Nein, nicht zum Spaß, sondern ganz beruflich als Korrekturleserin und Lektorin. Belletristik, Kinderbücher, Kochbücher – alles, was der Buchmarkt hergibt. Und weil sie dies schon seit vielen Jahren macht, kennt sie ebendiesen Buchmarkt inzwischen ganz gut. „Es gab die Vampirroman-Welle und die Game-Of-Thrones-Sexbuch-Welle, die Zauberer und so weiter und so fort. Ich finde faszinierend, wie viele dann doch aufspringen, wenn ein Buch Erfolg hat.“ Hier findet sich dann auch der Hang zur Genauigkeit wieder – verbunden mit dem ebenfalls schon erwähnten Aufnahmevermögen. „Gerade bei historischen Romanen schaue ich doch mal nach, ob das auch alles so stimmt“, erzählt sie: „Und ja, ich habe diesen speziellen Blick: Wenn auf Seite 3 das Kleid rot ist und 100 Seiten später grün, ohne dass sich die Protagonistin umgezogen hat, fällt mir dies umgehend auf.“
Manchmal gab es echte Jubelszenen
Qualitäten, die sich herumgesprochen haben – inzwischen gibt es (renommierte) Verlage, die unbedingt mit Annegret Schenkel arbeiten wollen. Was manchmal zu echten Jubelszenen führen kann – wie etwa, als die Berlinale anklopfte und nachfragte, ob sie nicht als Lektorin und Korrekturleserin einsteigen wolle ins Festivalboot für 2023 (geht übrigens am 16. Februar los). Und ob die bekennende Film-Freundin wollte! Was manchmal für ein wenig Staunen sorgt beim Blick in den Rückspiegel, „wenn ich sehe, dass sich so viele Träume erfüllt haben“.
Frauenpower – inzwischen auch in der Quizszene
Bleibt eigentlich noch eine Frage: Gibt es beim Quizzen einen Geschlechterunterschied? Nun ja, eines habe sich deutlich verändert seit 2014, meint die Leipzigerin: „Damals gab es nur ganz wenig Frauen in dieser Quizszene – inzwischen machen sie ein Drittel der 1200 Mitglieder im Quiz-Verein aus.“ Und über den Daumen gepeilt lasse sich schon ein Unterschied gerade bei den Interessen ausmachen: „Männer wissen oft bei technischen Dingen tatsächlich mehr – mein Hauptinteresse hingegen gilt dem Trash in seiner popkulturellen Ausrichtung. Deshalb ist es für mich auch schwieriger, mir einen Physiknobelpreisträger zu merken als all die Dinge, die Miley Cyrus so getan hat.“ Was dann hilft? Dinge verknüpfen, Eselsbrücken bauen, „wobei ich mich mal ernsthaft damit beschäftigen müsste, da noch besser zu werden“.
Wie schon gesagt: Ohne Training geht es eben nicht. Ebenso wenig wie ohne Wettkämpfe – was sich bei der Premiere von Annegret Schenkel als „Gefragt – gejagt“-Mitstreiterin zeigen sollte. „Man kennt sich“, erzählt sie mit einem Lächeln und dem Blick auf die Jagd-Kolleginnen und -Kollegen. Diese traf sie ja dann beim großen Jubiläumsspecial 2022, aber eben nicht zum ersten Mal: „In der deutschen Quizszene hat man sich immer schon mal bei einem Wettbewerb getroffen: Das gab dem Special ’Allein gegen Alle’ im Oktober diesen schönen Charakter einer Klassenfahrt. Endlich waren mal alle Jäger für ein gemeinsames Foto im Studio.“ Nächster wichtiger Effekt: Nur mit Wettkämpfen macht man sich seinen Namen – denn als Jägerin kann man sich nicht bewerben, erzählt die Leipzigerin: „Man wird natürlich gefragt. Und ich habe gehört, dass ich von einem Jäger vorgeschlagen wurde.“ Jens Wagner