Informiert über die Entwicklung der fußballerischen Talente bei RasenBallsport Leipzig: Sebastian Kegel, Leiter des Nachwuchsleistungszentrums. Foto: RB Leipzig

Leipzig. Es läuft einfach nicht so richtig in dieser Saison bei RB Leipzig – und das nicht nur bei den Bundesliga-Profis. Auch im Nachwuchs laufen die „Roten Bullen“ ihren eigenen Ansprüchen aktuell deutlich hinterher. Sebastian Kegel, der Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, spricht im Interview über die Gründe, die Entwicklung des Nachwuchsleistungszentrums und die aktuellen Folgen der Corona-Pandemie.

Wie bei den Profis lief es auch im RB-Nachwuchs in den letzten Wochen nicht optimal, wenn man auf die Ergebnisse der U19 und 17 schaut. Ist das nur eine Ergebnis-Krise oder muss man sich ernsthaft Sorgen um die Aushängeschilder des RB-Nachwuchses machen?

Sebastian Kegel: Ich kann alle beruhigen, grundsätzliche Sorgen muss man sich nicht machen. Natürlich sind wir mit den Ergebnissen nicht zufrieden. Jedoch ist das reine Ergebnis nur ein Aspekt von vielen in der Ausbildung – auch wenn es natürlich ein wichtiger ist. Wir analysieren ständig die Entwicklung unseres Nachwuchsleistungszentrums und hinterfragen dementsprechend unser Handeln, egal ob die Ergebnisse stimmen oder nicht. Bei der U19 und U17 gibt es allerdings auch sehr unterschiedliche Gründe für ihre Ergebnis-Dellen. Grundsätzlich fehlten in der Zeit seit März 2020 kontinuierliche Wettkämpfe auf höchstem Niveau. Diese kann man nicht durch Training oder Testspiele ersetzen. Ich bin mir sicher, dass wir nachhaltig bessere Ergebnisse liefern werden.

Mit Daniel Meyer übernahm zu Saisonbeginn ein neuer Trainer das U19-Team. Sind Trainer und Mannschaft noch in der Findungsphase?

Nein, absolut nicht! Natürlich braucht es immer eine gewisse Zeit, bis ein neuer Trainer und seine Mannschaft zu 100% abgestimmt sind. Jedoch haben mittlerweile zahlreiche Gespräche und Trainingseinheiten stattgefunden, die das gegenseitige Verständnis gestärkt und das Team eine gemeinsame fußballerische Sprache sprechen lassen.

Vor allem in der Youth League wurde mit sechs Niederlagen in sechs Spielen deutlich, dass die U19 international noch weit weg ist von den Besten. Hat Sie das in dieser Deutlichkeit überrascht?

Man muss festhalten, dass man mit Paris, Manchester und Brügge die europäische Spitze in der Gruppe hatte. ManCity und der FC Brügge spielen mit ihren Teams in einer U23-Liga, Brügge spielt mit annähernd diesem Kader in der 2. Belgischen Liga. Es ist demzufolge nicht überraschend, dass Brügge die Gruppe gewonnen hat. Denn Erfahrungen im Männerbereich sind durch nichts zu ersetzen. Außerdem ist unsere Struktur nicht unbedingt für die Youth League gemacht. Beispielsweise kann Benfica Lissabon aus rund 80 Spielern wählen, die in der Youth League spielberechtigt sind, denn sie haben eine B-Mannschaft, eine U23-Mannschaft und eine U19. Die Nachwuchsspieler von Benfica bleiben dementsprechend länger im Klub. Unser Weg ist bewusst ein anderer. Über die Implementierung unseres Career Centers setzen wir auf Leihen unserer Top-Talente, die bestenfalls auf viel Spielpraxis im Profi-Bereich kommen und die nächsten Entwicklungsschritte nehmen. Bestes Beispiel ist sicherlich Tom Krauß beim 1. FC Nürnberg. Er liefert in jedem Spiel ab, ist inzwischen U21-Nationalspieler. Aber, die Besten zu verleihen, hat natürlich direkten Einfluss auf die Ergebnisse, zum Beispiel in der Youth League. Aber natürlich bleibt unser Ziel, auch auf internationaler Ebene besser abzuschneiden.

Die U17 ist in der B-Jugend-Bundesliga derzeit nur Zehnter. Auch hier waren die Ambitionen größer. Woran liegt‘s?

Die U17 hat in der Vorbereitung tolle Spiele und Ergebnisse abgeliefert, zum Beispiel Siege gegen Hertha BSC, Union Berlin, ein Unentschieden gegen Hoffenheim, bei einer Niederlage gegen den VfB Stuttgart, trotz starker Leistung. Dies hat natürlich zu großen Erwartungen geführt. Leider konnte die Mannschaft diese Leistungen nicht konstant in die Pflichtspielphase übernehmen und nach ausbleibenden Erfolgen fehlte in manchen Situationen einfach die Lockerheit und das Selbstverständnis, Spiele souverän zu bestreiten. Ich habe aber auch sehr gute Spiele der U17 gesehen, wie gegen Dynamo Dresden, Hannover 96 und Erzgebirge Aue. Wir müssen bei der U17 schauen, dass wir die Effektivität im Umschalten und im Spiel mit dem Ball erhöhen, um uns für viele gute Leistungen auch mit Ergebnissen zu belohnen.

Wie sehen Sie insgesamt die Entwicklung des Nachwuchsleistungszentrums in den vergangenen Monaten?

Da bin ich ein wenig zwiegespalten. Das Ziel, die Spieler in den Mittelpunkt zu stellen, zu individualisieren und die Jungs zu Akteuren werden zu lassen, gelingt immer besser. So haben sich viele Talente auch persönlich sehr gut weiterentwickelt. Auf fußballerischer Ebene würde ich mir für die Arbeit der Jungs und der Kollegen einen größeren Ertrag, im Sinne von guten Ergebnissen, wünschen. Denn auch im Nachwuchs-Bereich sind Siege ungemein wichtig fürs Selbstvertrauen und gleichzeitig Bestätigung der eigenen Arbeit. Sehr zufrieden bin ich über die Durchlässigkeit in den Profi-Bereich, denn dort haben wir mit Solomon Bonnah, Sidney Raebiger, Joscha Wosz und Hugo Novoa gleich vier Akteure, die fester Bestandteil des Profi-Kaders sind.

In den vergangenen Jahren haben gleich mehrere RB-Nachwuchstrainer erfolgreich den Sprung zu anderen Profivereinen geschafft – unter anderem Robert Klauß, Jens Härtel oder Matthias Jaissle. Was macht die Arbeit im RB-Nachwuchszentrum aus?

Wir haben und hatten schon immer eine exzellente interne Trainerausbildung. Diese Struktur hat federführend Ralf Rangnick bei seiner Ankunft 2012 implementiert. Das ist das Fundament, auf dem wir auch in Zukunft den Bereich der internen Personalentwicklung aufbauen wollen. Wir haben als zentraler Bestandteil unserer Akademie ein sehr gutes Konzept für die Trainerentwicklung, dies ist wird auch weiterhin ein Schwerpunkt sein. Außerdem definiert sich unsere Struktur über Experten für die verschiedensten Bereiche wie Ernährung, Athletik, Fußball-/Trainingswissenschaft, Medizin und Pädagogik. Das reibungslose Zusammenspiel dieser Schnittstellenbereiche sehen wir als förderliches Klima für die Entwicklung der Spieler, Trainer und des gesamten Personals.

Aktuell sammeln gleich sieben RB-Talente als Leihspieler in anderen Vereinen Erfahrungen im Männerbereich. Wie sehen Sie die aktuelle Entwicklung der Leihspieler?

Unter der Leitung von Per Nilsson haben wir das sogenannte Career Center implementiert, das die individuelle Entwicklung und Förderung der Top-Talente steuert und koordiniert, beispielsweise über Leihen, um die notwendigen Entwicklungsschritte im Profi-Bereich zu gehen. Ich persönlich finde die Entwicklung von Tom Krauß (1. FC Nürnberg), Eric Martel (Austria Wien) und Frederik Jäkel (KV Oostende) herausragend gut. Alle drei sind im Kreis der U21-Nationalmannschaft und haben wichtige Entwicklungs- und Karriereschritte gemacht. Aber auch Dennis Borkowski (Nürnberg), Tim Schreiber (Hallescher FC) und Fabrice Hartmann (SC Paderborn) sammeln wichtige Erfahrungen.

Unterhalb der B-Jugend wurden inzwischen wieder alle Spiele wegen der Corona-Pandemie abgesetzt. Wie ist die Stimmung bei den Jungen und Mädchen? Sind bereits Auswirkungen aus den letzten beiden Lockdowns zu spüren?

Für alle, Spieler wie Trainer, ist das natürlich eine sehr herausfordernde Zeit. Die Auswirkungen sind nach meinen Beobachtungen sehr stark zu spüren. Im Bereich Wettbewerbsdruck, das heißt wie gehen wir mit Rückstanden um, wie spielen wir gegen tiefstehende Gegner etc. gibt es sicherlich Lücken, die wir nach und nach füllen müssen. Aber vor dieser Herausforderung stehen ja alle NLZs und jeder muss seinen Weg finden, diese Lücken zu kompensieren. Darüberhinaus sind auch durchaus körperliche Überlastungen bei einzelnen Spielern zu erkennen, da sich ein Körper aufgrund von Trainings- und Wettkampfpausen situativ neu anpassen muss und teilweise überreizt wird. Auch deshalb ist es uns zum Beispiel in der U19 nicht gelungen, durch Verletzungen und Erkrankungen als Folge der Pandemie und ihren Auswirkungen, kontinuierlich mit dem vollen Kader zu trainieren. Zum Beispiel fehlten alleine in der Youth League gegen den FC Brügge sieben Spieler. Andreas Neustadt

HINTERLASSEN SIE EINE ANTWORT

Please enter your comment!
Please enter your name here