Die Leipziger Schülerin Bianca Prüfer hat mit ihrem Entwurf beim Wissenschaftswettbewerb des Bundesbildungsministeriums in den MINT-Fächern gewonnen. Foto: Christian Modla

Leipzig. Für manche Dinge war der Corona-Lockdown hilfreich: Schülerin Bianca Prüfer setzte sich nachmittags an ihren Computer, fuchste sich in ein Programm hinein, mit dem man technische Zeichnungen erstellen kann – und gewann mit ihrem dort konstruierten 3-D-Modell sogar einen Wettbewerb, den das Bundesbildungsministeriums initiiert hatte. „Das war schon überraschend”, sagt die Leipziger Schülerin und lächelt. Ziel dieses Wettbewerbs ist es, Jugendliche für die so genannten MINT-Fächer – Mathe, Informatik, Naturwissenschaften und Technik – zu begeistern. In diesen Bereichen werden in naher Zukunft zunehmend Fachkräfte fehlen. Bianca muss man davon nicht überzeugen. Naturwissenschaft – genau da liegt das Interessenfeld der 15-Jährigen. Bianca – braune Haare, Brille, Jeansjacke – scheint genau zu wissen, wo ihre Stärken liegen.

Im April dieses Jahres nahm sie an dem fünftägigen Online-Kurs „Easter Coding“ teil, lernte dort virtuell den Umgang mit dem CAD-Programm Onshape. Das Tool nutzen Ingenieure, Designer und Architekten, um technische Zeichnungen anzufertigen. Bianca modellierte am Rechner ein Zepter, eine Krone und einen Reichsapfel. Auf die Idee kam sie, als sie auf Instagram einen Post eines Mädchens sah, das eine Krone auf dem Kopf trug. „Die runde Form und die geometrische Form der Edelsteine eigneten sich für das Projekt”, erklärt die Zehntklässlerin. 26 Stunden lang tüftelte sie während des Lockdowns an ihrem Modell. „Ich hatte ja viel Zeit. Freunde treffen ging nicht wegen der Beschränkungen.” Jetzt wartet sie gespannt darauf, wie ihre Konstruktion aus dem 3-D-Drucker in „echt” aussieht. Zusammen mit einigen Technikpreisen gehört das Modell zu ihrem Gewinn dazu.

Der Online-Kurs ist Teil der Junior Ingenieur Akademie, an der Bianca angenommen wurde. Der Verband ist an drei Leipziger Schulen aktiv: am Immanuel-Kant-Gymnasium, an der Neuen Nikolaischule und am Werner Heisenberg-Gymnasium, Biancas Schule. Bewerben können sich interessierte Schülerinnen und Schüler dafür in der 8. Klasse. 16 von ihnen werden aus den drei Schulen ausgewählt und haben das Glück, in der 9. und 10. Klasse Naturwissenschaft mal anders zu erleben. Neben Bianca sind noch drei weitere Mädchen ihres Gymnasiums dabei. Normalerweise besuchen die Jugendlichen in den zwei Schuljahren Labore und Werkstätten und bekommen „alles hautnah mit”, wie Bianca sagt. Vieles wurde durch die Corona-Pandemie erschwert, einige Kurse fanden digital statt. Und dennoch: „Es gibt die Möglichkeit, praktischer zu arbeiten”, sagt die Schülerin.

Das Interesse für Naturwissenschaften begleitet Bianca schon seit der Grundschule. Ihrem Mathelehrer hörte sie aufmerksamer zu als dem Deutschlehrer. „Ich rede lieber in Mathe über Zahlenfolgen als in Deutsch Gedichte zu analysieren”, sagt Bianca klipp und klar. Die junge Frau liebt Mathe und Physik, „findet auch Chemie super” und Biologie immerhin noch „interessant”. Woran das liegt? Bianca überlegt eine Weile. „Ich liebe es, Rätsel zu lösen”, sagt sie dann. „In den naturwissenschaftlichen Fächern ist es ja meistens so, dass man ein Problem hat und versucht, das zu lösen.” Hinzu kommt: „Künstlerisch bin ich wenig talentiert”, schätzt Bianca ein.

Dafür hat sie eine sportliche Ader: Seit acht Jahren spielt die Schülerin Handball im Verein, zwei Mal pro Woche rennt sie beim Leipziger Handballverein Nord über den Platz. Sie freut sich schon auf den Saisonstart, dann finden am Wochenende wieder Spiele statt. „Wenn du den ganzen Tag in der Schule sitzt, willst du dich danach auch mal bewegen”, erklärt sie, warum der Sport einen wichtigen Ausgleich zum Schulstress bedeutet. „Beim Training schalte ich den Kopf aus, dann sind die Schulprobleme weg.” Ihr zweiter Ausgleich zur Schule ist das Lesen. Mit einem Krimi oder Thriller in der Hand, kann die junge Frau abschalten. Abgeschaltet ist dann übrigens auch das Handy, und zwar ganz bewusst.

Bald kann die Gymnasiastin während eines Praktikums zwei Wochen lang in verschiedene Betriebe hineinschnuppern. Einen Platz hat sie schon sicher, und zwar am Arbeitsplatz ihrer Mutter bei Porsche, die dort am Band arbeitet. Dort kann sie den Ingenieuren in der Analyse über die Schulter schauen und erleben, wie neue Fahrzeug-Modelle auf Herz und Nieren getestet werden, bevor sie über die Straßen rollen. „Ich hoffe, ich bekomme einen guten Einblick, wie der Alltag dort so aussieht”, sagt Bianca, die sehr froh ist über die Zusage für das Praktikum. Viele Unternehmen verschicken derzeit Absagen, weil sie pandemiebedingt keine externen Praktikanten aufnehmen. Für die zweite Woche hat Bianca bei diversen Ingenieurbüros in Leipzig angefragt, und hofft, dass sie eine positive Rückmeldung bekommt.

Das Interesse an technischen Vorgängen könnte sie von ihrem Vater übernommen haben. Der gelernte Klempner ist handwerklich sehr begabt, erzählt sie. „Wenn in unserem Haus der Boiler kaputt ist, kümmert er sich darum”, sagt und sie fügt brav hinzu: „Ich denke, ich kann noch viel von ihm lernen.” Bianca ist Einzelkind. Sie wohnt gemeinsam mit den Eltern und der Oma in einem Haus in Gohlis. Am liebsten würde sie für immer in ihrer Heimatstadt bleiben, sagt sie. Ihr konkreter Berufswunsch ist noch offen, aber „ich werde auf jeden Fall etwas in Richtung Ingenieurwesen in Betracht ziehen”. Bianca will gern studieren. Dafür würde sie vielleicht in eine andere Stadt ziehen. Aber irgendwann, ist sie sich sicher, geht es wieder zurück in die Heimat, nach Leipzig. Bis zum Abitur hat sie noch ein bisschen Zeit, über zwei Jahre kann sie darüber nachdenken, welches Fach sie studieren will.

Aktuell beschäftigt sich die Zehntklässlerin in der Junior Ingenieur Akademie mit einem Roboter, mit dem man Schaltkreise bauen kann. Am Ende soll wieder ein eigenes Projekt entstehen. Bianca freut sich schon darauf.

Einer, der mit ihr an eben jenen Schaltkreisen tüftelt, ist Jamie Meinel. Der Zehntklässler besucht das Immanuel-Kant-Gymnasium in der Südvorstadt, hat sich ebenfalls erfolgreich für die Junior Ingenieur Akademie beworben – und gehört neben Bianca zu den Gewinnern des MINT-Wettbewerbs. Anders als Bianca wirkt Jamie im Gespräch nicht ganz so selbstbewusst. Er sagt über sich, dass er „eher der ruhige Typ” sei. Doch das Interesse für Naturwissenschaft und Technik teilen die beiden. Der 15-Jährige gestaltete mit Hilfe des CAD-Programms ein Ufo. Wie Bianca setzte sich auch Jamie nachmittags stundenlang an den Rechner, um Skizzen zu erstellen. Wenn das Modell aus dem 3-D-Drucker bei ihm eintrifft, will er sich aufs Fensterbrett stellen.

Jamie kann gar nicht genau sagen, was ihn an technischen Prozessen so fasziniert. Die Fächer seien einfach „cool”, antwortet er salopp. Und: Sie liegen ihm. „In der 6. und 7. Klasse auf dem Gymnasium hat sich in meinen Noten schon widergespiegelt, dass ich in den naturwissenschaftlichen Fächern sehr gut bin.” Am meisten interessieren den Schüler Physik und Elektrotechnik. In dem Bereich will er seine komplexe Leistung schreiben, eine Facharbeit, die am Ende der 10. Klasse ansteht. In Physik steht bei Jamie eine glatte 1 auf dem Zeugnis, ebenso in Mathe. Selbst in Englisch hat er eine 2, in einem Fach, das ihn weniger interessiert. Sein Notendurchschnitt liegt bei 1,4. „Ich bin ein sehr guter Schüler”, sagt Jamie achselzuckend und würde sich sofort als Streber bezeichnen. Ein sehr guter Notendurchschnitt ist ihm wichtig.

Dabei lernt der 15-Jährige nicht ununterbrochen. „Einen Tag vor der Klassenarbeit fange ich erst an damit”, sagt er und grinst ein bisschen. Es falle ihm vielmehr leicht, die Inhalte zu verstehen. Und: „Ich höre im Unterricht gut zu. Dadurch muss ich zu Hause nicht so viel machen.”

Als großer Bruder hilft er auch seiner 13-järhigen Schwester öfter bei den Hausaufgaben, „vor allem bei Mathe”, sagt Jamie. Die Geschwister besuchen dasselbe Gymnasium. Nachmittags spielt er zweimal pro Woche Fußball bei Roter Stern Leipzig. Am Wochenende geht es auf den Fußballplatz zu eigenen Spielen – und ins Stadion. Die ganze Familie ist Fan von RB Leipzig. Gemeinsam jubeln sie den Fußballern vom Fanblock aus zu. „Das Wochenende ist immer voll ausgeplant.”.

Neben der Schule spielt der Jamie Klarinette im Nachwuchsblasorchester der Musikschule Johann Sebastian Bach und geht einmal pro Woche zur Tanzstunde. Dann wirbelt er inzwischen im Fortgeschrittenenkurs übers Parkett, am liebsten tanzt er Discofox und Langsamer Walzer. „Das macht wirklich viel Spaß.” Wegen seiner Zahnspange muss er außerdem regelmäßig zum Kieferorthopäden. Da ist die Woche oft vollgepackt mit Aktivitäten und Terminen. „Manchmal bin ich schon gestresst”, gibt Jamie zu, „vor allem, wenn ich abends noch Hausaufgaben machen muss”. Dass er mal faul auf der Couch liegt und am Handy daddelt, komme selten vor.

Auch Jamie ist sich über seinen Berufswunsch noch nicht im Klaren. Sein Vater ist Reiseleiter, seine Mutter Büroassistentin in einem Autohaus. Nicht unbedingt Berufsfelder, die er sich vorstellen kann. „Ich will auf alle Fälle studieren, aber ich weiß noch nicht genau, was”, sagt er.

Eines kann er aber schon ausschließen: dass er Lehrer wird. Ein Praktikum an seiner alten Grundschule hat ihn nachhaltig geprägt. „Da war es sehr laut, die Kinder haben herumgebrüllt, das war schon abgefahren”, berichtete er von dieser Erfahrung, die ihn abschreckt, irgendwann auf Lehramt zu studieren.

Sein nächstes Praktikum soll in einem Ingenieurbüro stattfinden. Vielleicht trifft er da wieder auf Bianca.

Der Zehntklässler Jamie Meinel gehört ebenfalls zu den Preisträgern des MINT- Wissenschaftswettbewerb. Er gestaltete mit der
CAD-Software Onshape am Rechner ein Ufo.
Foto: Christian Modla

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