Das Indoor-Klettern erfreut sich auch in Sachsen steigender Beliebtheit. Foto: Pixabay

Sachsen. Mit spannenden Wettkämpfen und spektakulären Bildern hat das Klettern in Tokio eine erfolgreiche Premiere als Olympische Sportart gefeiert. Auch der Vorsitzender des Landesverbandes Sachsen des Deutschen Alpenvereins e.V. (DAV), der die Interessen der sächsischen Kletterer vertritt, Torsten Schulze, hat die Wettkämpfe in Tokio natürlich am Fernseher verfolgt. Im Interview spricht der 51-Jährige über die gelungene Premiere, die aktuellen Leistungsstrukturen in Sachsen und einen Wunsch für die Zukunft.

Wie hat Ihnen die Olympische Premiere Ihrer Sportart gefallen?

Torsten Schulze: Es waren sehr beeindruckende Bilder. Die Begeisterung aller Beteiligten war von Beginn an zu spüren. Der Wettkampf wurde sehr gut umgesetzt und gut präsentiert. So konnten die Organisatoren auch ein jüngeres Publikum für die Olympischen Spiele gewinnen. Richtig toll fand ich, dass die Sportlerinnen und Sportler nicht nur gegeneinander gekämpft, sondern auch gemeinsam mitgefiebert und sich auch gemeinsam über Erfolge gefreut haben. Das hat den familiären Geist gezeigt, der unter den Kletterern herrscht.

Reinhold Messner hat den Kombinationswettbewerb aus Schwierigkeitsklettern, Speedklettern und Bouldern als „lächerlich“ bezeichnet. Was macht aus Ihrer Sicht die Faszination dieses Wettbewerbs aus?

Das ist gerade in der älteren Generation eine weit verbreitete Meinung, auch in Sachsen. Aus Sicht der Älteren, die wirklich am Berg groß geworden sind, kann ich diese Position durchaus nachvollziehen. Es ist auch in Sachsen ein längerer Prozess gewesen, Akzeptanz für das Klettern in der Halle zu gewinnen. In den vergangenen 30 Jahren hat sich hier aber einiges getan. Das Klettern in der Halle ist keine Konkurrenz zum Felsklettern, es ist eine Ergänzung. Wichtig ist, dass man offen für Neues bleibt. Ähnliche Entwicklungen, Sportarten mit verschiedenen Neuerungen öffentlichkeitswirksamer zu gestalten, hat es in den vergangenen Jahrzehnten ja auch in anderen Sportarten gegeben.

Was ist Ihnen persönlich lieber: Das traditionelle Klettern am Berg oder das Klettern in der Halle?

Persönlich habe ich meine Kletterwurzeln seit 35 Jahren in der Sächsischen Schweiz. Deshalb habe auch ich mich mit den Kletterhallen lange Zeit schwergetan. Erst in den letzten acht Jahren habe ich Schritt für Schritt einen Zugang gefunden. Am Fels zu klettern ist tatsächlich etwas ganz anders als in der Halle. Wenn man sich auf dem Gipfel in das Gipfelbuch eintragen und den Ausblick genießen kann, ist das unbezahlbar.

Hat sich der Status als Olympische Sportart bereits auf die Mitgliederzahlen des Verbandes und die Begeisterung für das Klettern im Freistaat ausgewirkt?

Das ist schwer zu sagen. Die Gründe, warum Leute in unseren Verband eintreten, lassen sich nur schwer beurteilen. Die Entwicklung seit der Aufnahme des Kletterns ins Olympische Programm lief in den Verbänden abwartend. Da hat man sich mit dem Aufbau einer Struktur schwergetan. Klettern gilt wie auch andere neue Olympia-Sportarten bei vielen jungen Menschen nach wie vor als Lifestyle, der sich schwer in eine Verbandsstruktur pressen lässt. Die weitere Entwicklung wird weitestgehend davon abhängen, wie das Klettern als olympische Sportart in den kommenden Jahren gefördert wird.

Wie sind aktuell die leistungssportlichen Strukturen in Sachsen aufgebaut?

Obwohl wir uns frühzeitig Gedanken darüber gemacht haben, befinden wir uns nach wie vor im Prozess des Suchens. Wir haben dabei noch viel Luft nach oben. 2016 hatten wir mit Johanna Hohlfeld eine Kletterin aus Dresden, die national und international gut dabei war. Leider konnte sie nach einer Oberarmverletzung nicht mehr an ihre Leistungen anknüpfen. Mit Lucia Dörffel aus Chemnitz haben wir aktuell nur einen Bundeskader und insgesamt 15 Landeskader in Sachsen. Das ist im Vergleich zu anderen Landesverbänden ein kleines Team. Das wollen wir in den kommenden Jahren schrittweise ausbauen. Dafür haben Anfang des Jahres ein Leistungssportkonzept vorgestellt. Nachdem Marvin Weinhold seinen Wohnort von Dresden nach Potsdam verlegt hat, haben wir aktuell leider keinen Landestrainer. Hinzu kommt, dass wir in ganz Sachsen nur zwei Kletterhallen in Vereinsregie haben, die stehen in Dresden und in Zittau. Alle anderen Hallen werden privat betrieben. Hier sind wir ständig in Gesprächen. Ein weiteres wichtiges Thema ist die Trainer-Ausbildung. Aktuell läuft die C-Trainer-Ausbildung, perspektivisch sollen die Trainer ihre B-Lizenz machen können. Es gibt also noch eine Menge zu tun.

Welches sind die Hochburgen des Kletterns in Sachsen?

Insgesamt besteht der Landesverband aus neun Sektionen. Die mit Abstand größte Sektion ist Dresden mit fast 20.000 Mitgliedern gefolgt von der Sektion Leipzig mit etwa 5.000 Mitgliedern. Unser Hausgebirge ist nach wie vor die Sächsische Schweiz mit ihren vielen freistehenden Gipfeln. Aber auch Klettern in Steinbrüchen und an Steilwänden wird immer beliebter. Natürlich spielt auch die Frage des Naturschutzes immer eine wichtige Rolle. Es ist immer ein schmaler Grad zwischen dem Schutz der Naturgüter und den Bedürfnissen der Kletterer zu vermitteln.

Wie groß sind die Chancen, irgendwann einen Olympiateilnehmer aus Sachsen zu erleben?

Wie gesagt, hängt die weitere leistungssportliche Entwicklung auch maßgeblich von der Sportförderung ab. Bis zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris ist es eher unwahrscheinlich, das sächsische Kletterer dabei sind. Mein Wunsch ist es, dass 2028 in Los Angeles jemand von uns dabei ist. Das ist aus meiner Sicht auch eine reelle Zielsetzung. Andreas Neustadt

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