Sie liebt die Vielfalt der Musik und die Herausforderung der unterschiedlichen Möglichkeiten: Die Singer/Songwriterin Lena Hauptmann. Foto: Dan Baron
Sie liebt die Vielfalt der Musik und die Herausforderung der unterschiedlichen Möglichkeiten: Die Singer/Songwriterin Lena Hauptmann. Foto: Dan Baron

Leipzig. „Darüber denkt man eigentlich ständig nach“, überlegt Lena Hauptmann und ergänzt: „Dieses Nachdenken über das ’Was will ich’ begleitet mich permanent.“ Das Spannende dabei: Für die Sängerin und Songwriterin aus Cottbus, die inzwischen ihre künstlerische Heimat in Leipzig gefunden hat, gibt es da eigentlich keine klar definierten Antworten. Sie fühlt sich in intimer Jazz-Atmosphäre ebenso wohl wie im Big-Band-Kontext, liebt brasilianische Rhythmen ebenso wie die sorbische Sprache und die Zuneigung zum Musical ist auch nicht zu verleugnen …

„Vielleicht ist diese Vielfalt gerade das Richtige für mich: Diese Chance, mir möglichst viele Optionen offen zu lassen“, sagt sie mit einem Lächeln und schwärmt gleich vom Studium an der Leipziger Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“. Weil da eben neben der Übung am Gesang, der Arbeit am Songwriting auch mal der Tanz und das Schauspiel auf dem Stundenplan zu finden ist. Was wiederum den Schritt auf die Musical-Bühne möglich macht, weil es der Singer/Songwriterin Lena Hauptmann eben auch großen Spaß macht, mal in schauspielende Rollen zu schlüpfen und weil – na klar – Vielfalt eben genau das Richtige ist für die junge Frau aus Cottbus.

Die Bühne ist ihre Welt: Dann wird aus der zurückhaltenden Lena Hauptmann die Sängerin, die den Menschen auch im Konzert gern in Augen sieht. Foto: Marek Szymczak
Die Bühne ist ihre Welt: Dann wird aus der zurückhaltenden Lena Hauptmann die Sängerin, die den Menschen auch im Konzert gern in Augen sieht. Foto: Marek Szymczak

Erster Platz beim Deutschen Rock & Pop Preis 2020

Wobei sie in diesen Monaten eher mit einer anderen Facette deutschlandweit in den Fokus gerückt ist: Lena Hauptmann als berührende Sängerin, die mit dem Jazz-Pop-Song „Tysac Cowanjow“ beim Deutschen Rock & Pop Preis 2020 richtig abräumt. Erster Platz in der Kategorie „Singer/Songwriter“, Respekt – wobei überraschenderweise die Euphorie ein wenig gebremst ist. „Ach, man darf solche Wettbewerbe nicht überbewerten“, sagt eine sehr geerdete Lena Hauptmann, die nachdenkt über den Ansatz eines Leistungsgedankens, der eigentlich überhaupt nicht zur Idee des Musikmachens passen würde. Und außerdem schlug Corona zu, all jene Dinge, auf die sie sich so gefreut hatte, mussten ausfallen – und da geht es nicht nur um die Absage des großen Siegerkonzertes. „Für mich macht es der künstlerische Austausch aus, den man bei solchen Gelegenheiten pflegen kann: Dieses miteinander ins Gespräch kommen, aber auch das ganz bewusste Zuhören bei anderen Konzerten – das liebe ich einfach“, erzählt sie. Und lässt damit ein wenig aufblitzen, wie sehr diese Situationen fehlten und fehlen …

Ach Corona. Könnte man sagen. Weil im Gespräch mit Lena Hauptmann ebenso deutlich wird, was diese Pandemie gemacht hat. Mit Menschen wie ihr, die von der Bühne und einfach auch für die Bühne leben. „Das war eine komische Situation, die Sache mit der Preisvergabe online“, erzählt sie nachdenklich: „Klar finde ich es toll, wenn mein Song gefällt, aber ich konnte die Reaktionen bei einem Auftritt eben nicht live erleben.“ Plötzlich gewinnt dieses (scheinbare) Klischee von den Brettern, die die Welt bedeuten, diese wahrhaftige Dimension bekommt, diese lebenserfüllende Komponente. „Ich möchte beim Konzert den Menschen in die Augen sehen und das kann bei einem Streaming-Auftritt nicht passieren“, erklärt Lena Hauptmann: „Diese Magie, die im Raum entstehen kann. Auch das Unerwartete, das auf einmal geschieht.“ Und nach einer kleinen Pause ergänzt sie: „Genau diese Dinge machen den Musikerberuf doch so spannend.“

Entzündet wurde diese Leidenschaft schon frühzeitig – das Stichwort Kindermusical deutete es schon an. „Schon als Kind habe ich gemerkt, dass mich Musik glücklich macht“, erzählt sie. Und davon, dass da schon mit 14, 15 Jahren die erste Band aus der Taufe gehoben wurde, auch die ersten eigenen Songs wurden bereits geschrieben, weil „es doch eine ganz andere Ebene hat, wenn man selbst etwas kreiert“. Eben auch, weil da etwas ist, das raus muss. Die nächsten Schritte lagen auf der Hand, die Entscheidung für das Musikstudium schnell getroffen. „Für mich war relativ schnell klar, dass ich richtig unglücklich werde, wenn ich es nicht wenigstens versuchen würde“, sagte Lena Hauptmann mit tiefer Ernsthaftigkeit: „Dann würde ich einen wichtigen Teil von mir selbst einfach verleugnen. Ich stehe seit meinem zehnten Lebensjahr auf der Bühne und ja, es ist ein Verlust von persönlicher Identität, wenn man nicht mehr auftreten kann. Zugegeben – man muss schon richtig aufpassen, in einer solchen Situation nicht zu verbittern.“ Dabei gibt es aber da noch eine wichtige Erkenntnis – ein Mensch hat eben viele Seiten. Eigentlich, sagt sie, sei sie doch ein zurückhaltender Typ, „aber auf der Bühne kommt eine andere Lena Hauptmann zum Vorschein – deshalb sind die Proben und auch die Streaming-Konzerte dann doch etwas ganz anderes. Auf der Bühne wird auf einmal eine Energie frei, die man nicht simulieren kann. Da muss ich dann an meinen ersten Auftritt nach einem dreiviertel Jahr Konzertpause denken: Da habe ich mich so glücklich gefühlt wie ich es viele Monate nicht mehr erlebt hatte. Und wieder die Gewissheit gehabt, dass die Musik ein fester Bestandteil meiner Identität ist“. Auch ein Grund dafür, dass sie sich diese vielen künstlerischen Optionen offenhalten will – das Jazz-Pop-Duo LeDazzo mit dem Gitarristen Dan Baron ebenso wie das Trio Die Lenas mit Lena Neumann und Anna-Lena Panten; die Zusammenarbeit mit der Dresden Big Band ebenso wie das Abtauchen in die Welt der brasilianischen Liebeslieder mit Brazilian Lovers. Oder die Beschäftigung mit sorbischem Jazz, was den Bogen zu „Tysac Cowanjow“ schlägt, dem so erfolgreichen Song aus der eigenen Feder.

Preisgekrönt: Für den sorbischen Song "Tysac Cowanjow" erhielt die Wahl-Leipzigerin den ersten Preis in der Kategorie Singer/Songwriter beim Deutschen Rock & Pop Preis 2020. Foto: Dan Baron
Preisgekrönt: Für den sorbischen Song „Tysac Cowanjow“ erhielt die Wahl-Leipzigerin den ersten Preis in der Kategorie Singer/Songwriter beim Deutschen Rock & Pop Preis 2020. Foto: Dan Baron

Sorbische Sprache als Kulturgut

Die sorbische Sprache im Allgemeinen und die niedersorbische Sprache im Besonderen ist ein einzigartiges kulturelles Gut und es wäre so schade, wenn sie aussterben würde“, überlegt die Sängerin, die ihre Bindung zu diesem Kulturgut einst in Cottbus knüpfte, auf dem sorbischen Gymnasium. Und die daraus auch eine gewisse Verpflichtung, eine wichtige Aufgabe gezogen hat – die Idee, „diese Sprache ein bisschen mehr in die moderne Popkultur zu bringen“. Mit all ihren Facetten, Möglichkeiten und Vielschichtigkeiten, „so wie man Deutsch hart singen kann, kann man es auch weich singen – dies ist beim Sorbischen nicht anders. Es ist nur die Frage, wie man es anpackt.“ Und weil es da noch die Musik gibt, die auch einen ganz anderen, emotionaleren Zugang zu einer Sprache eröffnet, möchte Lena Hauptmann auch weitere Songs auf sorbisch schreiben. Weil die Erfolge der Vergangenheit auch Mut machen: „Mit einem sorbischen Stück mal in einem Publikumsvoting ganz vorn zu sein, war schon bemerkenswert“, erzählt sie von einem starken Auftritt in Köln. Ach ja – an einem Album mit Songs auf englischer und sorbischer Sprache wird gemeinsam mit Dan Baron gearbeitet, so viel sei verraten.

Eines steht aber fest: „Ich bin zu begeisterungsfähig, um mich auf eine Stilrichtung festlegen zu können.“ Musik begeistert Lena Hauptmann über Genregrenzen hinweg, von Ella Fitzgerald bis Sting. Und die verschiedenen Konstellationen sorgen dafür, dass es immer spannend bleibt: „Heute gibt es vielleicht ein Konzert mit kleinem Besteck im intimen Rahmen, dann kommt ein Auftritt mit brasilianischen Standards und tags darauf der Galaabend mit der Big Band“, zählt sie jene Möglichkeiten auf, die (hoffentlich) bald mal wieder offenstehen könnten.

Und Lena Hauptmann spricht von der positiven Wirkung des Erfahrung-Sammelns: „Ich habe eines gelernt: Wenn ich mich in einer Richtung kreativ ausleben kann, dann entwickeln sich auch andere Dinge weiter.“ Was für ein schöner positiver Gedanke. Jens Wagner

Mehr Infos unter: www.lenahauptmann.de