Diese Wiederbegegnung mit seiner Heimatstadt Altenburg, die hat sich Bernd Zeißler wahrlich anders vorgestellt. Wobei es sich genauer gesagt um eine Neu-Begegnung mit eben diesem Ort seiner Kindheit und Jugend handelt, denn er kehrte hierher nun nicht mehr nur als Privatperson auf Familienbesuch heim, sondern als Künstler, der das Licht der Öffentlichkeit sucht und den Betrachtern eine Auswahl aus seinem umfangreichen Schaffen als Maler zur Diskussion stellt.
Doch just jener beabsichtigte Disput mit den Rezipienten seiner Arbeiten fand ein schnelles und jähes Ende, als seine erste Kunstausstellung im östlichsten Zipfel Ostthüringens durch die neuerlichen Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie nur kurze Zeit nach der Eröffnung wieder schließen musste.
Denn nicht nur das Theater, Konzertveranstalter und die (großen) Museen der Stadt und des Landkreises als Orte der künstlerischen Auseinandersetzung, Anregung und Erbauung sind betroffen – auch die Galerie des Kulturbundes, die seit 2015 in unmittelbarer Nähe zum weltberühmten Skatbrunnen am Brühl 2 im vermutlich ältesten Bürgerhaus Altenburgs ihre Heimstatt gefunden hat.
Und so hoffen der 67-jährige Künstler und seine derzeitigen „Gastgeber“ vom Kulturbund Altenburger Land e. V. darauf, dass die weitgehende Stilllegung des Freizeitbereichs des öffentlichen Lebens tatsächlich „nur“ vier Wochen aufrechterhalten werden muss und im letzten Monat dieses Jahres Lockerungen in Kraft gesetzt werden können. Ganz so, wie es in diesen Zeiten Tausende von Kunst- und Kulturschaffenden unterschiedlichster Couleur herbeisehnen, die darauf warten, endlich wieder vor ihrem Publikum auftreten zu dürfen – wobei es bei wahrlich nicht wenigen der Betroffenen um die nackte Existenz, um das (auch) wirtschaftliche Überleben geht.
Auch für solch einen vergleichsweise kleinen Verein wie den Kulturbund Altenburger Land mit seinem überschaubaren Haushaltsbudget sind solch harsche Einschnitte und die damit einhergehenden Konsequenzen, die unplanbare Folgen mit sich bringen, schwer zu verkraften. Gerade eben erst hatte man nach einer coronabedingt fast halbjährigen Pause seine Veranstaltungstätigkeit wieder aufgenommen: mit der Präsentation eben jener Sonderschau unter dem Titel „Sowohl als auch!“, die mitsamt ihrem Kunstschöpfer hier an dieser Stelle im Mittelpunkt stehen soll. Dabei handelt es sich um die bereits 147. Ausstellung im Rahmen der langjährig erfolgreich präsentierten Galerie-Reihe des Kulturbundes Altenburger Land.
Diesmal also ist es Bernd Zeißler, der an diesem Ort mit einigen seiner Werke Einblicke in sein künstlerisches Schaffen gewährt. Malerei, Mischtechniken und Collagen sind es vornehmlich, die der Künstler hierfür ausgewählt hat, allesamt Arbeiten aus der jüngsten Vergangenheit, entstanden in der Zeit zwischen 2018 und diesem Jahr.
Bernd Zeißler lebt heute in Meisenheim in der Nähe von Bad Kreuznach in Rheinland-Pfalz, wohin er 1992 verzog. Doch geboren, aufgewachsen und zur Schule gegangen ist der heute 67-Jährige in Altenburg, wohin es ihn bis in diese Tage mehrfach im Jahr immer wieder zieht, vor allem auch, weil er hier noch Familie hat und er seinen Vater besucht.
Zwischen 1975 und 1979 studierte der 1953 Geborene in Erfurt Kunstpädagogik und auch Germanistik, arbeitete aber nach dem erfolgreichen Abschluss der entsprechenden Exerzitien nie im Lehrerberuf, sondern übte bis in die Wendezeit verschiedene Tätigkeiten im Kulturbetrieb in Gotha und Erfurt aus. „So um die Jahre 1983/84 habe ich wieder angefangen, mich selbst künstlerisch zu betätigen und bin diesen Weg dann all die Jahre bis in die Gegenwart kontinuierlich weitergegangen“, erzählt Bernd Zeißler. Die entsprechende Motivation, nun verstärkt wieder auf diesem Gebiet zu arbeiten, habe ihm seine damalige Arbeit in der Erfurter Galerie „Erph“ vermittelt.
Kurz nach der Wende nimmt Bernd Zeißler noch einmal ein Studium der Sozialpädagogik auf und arbeitet nach dem Abschluss bei der Kreuznacher Diakonie mit Behinderten, bis zum Eintritt ins Rentenalter. Diese neue berufliche Haupttätigkeit habe durchaus auch Einfluss auf sein künstlerisches Schaffen und seine Arbeiten gehabt, erklärt der Künstler auf die Frage nach seinen Sujets und bevorzugten Themen. „Die Themenfelder stammen teils durchaus aus meinen Erfahrungen im Umgang mit behinderten Menschen.“ Man könnte sie vage mit dem Oberbegriff „Schutzsucher“ bezeichnen, auch mit einem „Beobachten aus dem Hintergrund“. Doch auch wenn diese und jene Alltagserfahrungen und -erlebnisse ebenso in sein Werk einfließen wie Denkergebnisse und emotionale Reaktionen im Zuge einer beständigen Auseinandersetzung mit politisch-gesellschaftlichen Fragen, so lässt sich Bernd Zeißler im Arbeitsprozess zumeist stark von Spontaneität und momentaner Intuition leiten.
„Meine Arbeiten entstehen prozesshaft, ich lasse mich durch das inspirieren, was auf der Malfläche passiert.“ Zunächst gebe er Farbe auf die Leinwand oder den Karton als Untergrund und entwickle Konturen, „und dann gibt es immer einen Pfad, den ich beackere, das fällt einem dann zu“. Fast immer aber seien es mehrere Schichten auf seinen Bildern, bestehend aus farbigen Tuschen und verschiedenen Kreiden, mit denen er in diesen Mischtechniken seine Inhalte gestaltet. Und keineswegs selten setzt er in seinen Collagen Fundstücke ein, die ihn am Wegesrand faszinierten.
Litfaßsäulen und Plakatwände beispielsweise gelten ihm als ein wahres Eldorado an Materialfülle und fantasieanregenden Inspirationen. „Sie bergen (oft bereits zerronnene) Zeitdokumente, solcherlei Verwittertes finde ich spannend, ebenso Schriftstücke, Handschriften, Zeugnisse von Vorgängen.“
Dementsprechend begegnet dem Betrachter der aktuell in der Kulturbundgalerie ausgestellten Exponate auf vielen seiner Arbeiten dieses oder jenes „Zeugnis“ aus dem realen Leben, das hier – eingebettet in seine Gestaltungsabsicht – eine Symbiose eingeht mit ganz neuen Zusammenhängen, die eine Geschichte erzählen oder eine Stimmung vermitteln.
Auch (verwittertes, von den Zeitläuften geprägtes) Mauerwerk, Flächen, Strukturen, die Bernd Zeißler begegnen, üben auf ihn Faszination aus und werden nicht selten zunächst per Foto festgehalten und dann, je nach Inspiration und Eingebung, in veränderten Variationen in neu Entstehendes eingearbeitet.
Über all das bislang Gesagte hinausgehend verweigert sich Bernd Zeißler jedoch dem Figürlichen nicht, wie ein Rundgang durch die Galerieschau unter Beweis stellt. Dann aber müssten die Figuren durchaus „immer etwas geheimnisvoll sein“, und skurrile Köpfe seien ohnehin seine Favoriten. „Daher habe ich auch immer einen Skizzenblock dabei. Begegnet mir derlei, dann halte ich es sofort fest.“
„Kunst ist für mich ein Lebensmittel“, verweist Bernd Zeißler darauf, dass er das Malen und Gestalten nach wie vor braucht und sich seinen inzwischen erreichten Pensionärsalltag ohne all dies überhaupt nicht vorstellen könnte. „Da ist immer noch ein großer Lustfaktor dabei, und endlich habe ich nun auch ausreichend Zeit dafür, jetzt gebe ich noch mal richtig Gas. Und wenn mir etwas gelingt, dann ist der Tag gerettet.“
Bevor sich Bernd Zeißler entschloss, den Schritt in die Öffentlichkeit seiner Geburtsstadt zu wagen, führten ihn Ausstellungen oder Ausstellungsbeteiligungen während der letzten fast 25 Jahre in unterschiedlichste Regionen Deutschlands. So stellte er Auszüge aus seinem Schaffen seit 1996 unter anderem in Friedberg und Peine vor, im Schlossmuseum Gotha und im westfälischen Münster, in Mühlhausen und Nordhausen, in Erfurt und in Bad Kreuznach, in Bad Homburg und in Wiesbaden sowie in Mainz, um aus der langen Liste, die seine Vita aufführt, nur eine kleine Auswahl herauszugreifen.
Für seine „Premiere“ in Altenburg hatte er sich ursprünglich einmal eine Ausstellung im renommierten Lindenau-Museum erträumt und dafür bereits erste Kontakte, unter anderem zum Förderkreis „Freunde des Lindenau-Museums“ aufgenommen, wie er anmerkt. Doch der Musentempel an der Gabelentzstraße hat bekanntlich seit Jahresbeginn seine Pforten für eine langwierige, mehrjährige grundhafte Sanierung und Modernisierung geschlossen, und das derzeitige Interimsquartier im Altenburger City Center bietet außer einer dort seit Sommer präsentierten Dauerausstellung mit einem Querschnitt aus den Sammlungen des Hauses keine weitergehenden räumlichen Möglichkeiten für andere (wechselnde) Expositionen. Es wäre also ein langes, womöglich sehr langes Warten geworden für ein Gastspiel der Zeißler’schen Werke unter dem Dach des Lindenau-Museums.
Und so also war es dem so sehr nach Arbeit, Schaffen und Diskussion drängenden Künstler überaus recht, dass der Kontakt zur Galerie des Kulturbundes entstand und er dort nun also die Möglichkeiten zur Präsentation fand. Und an diesem Ort dominiert derzeit das große, große Warten darauf, dass der November vorübergehen möge und ab dem 1. Dezember, so wie bislang avisiert, die Galerie ihre Pforten wieder öffnen darf. Dann wäre nach derzeitigem Planungsstand noch bis zum 8. Dezember Zeit, die aktuelle 147. Ausstellung „Sowohl als auch!“ mit ihren Gemälden, Mischtechniken und Collagen zu verlängern, damit Interessierte eintauchen könnten in jene faszinierenden Bilderwelten. Das Haus des Kulturbundes am Brühl 2 erwartet seine Besucher dann montags bis freitags in der Zeit zwischen 10 und 17 Uhr sowie sonnabends von 13 bis 16 Uhr.
Doch auch während der derzeitigen Schließung der Galerie sind die Mitarbeiter des Kulturbundes erreichbar für Nachfragen, Kontaktaufnahmen, Terminabsprachen und Besichtigungswünsche in der Zeit nach der Wiedereröffnung. Ralf Miehle
Kontakt zur Galerie des Kulturbundes Altenburger Land via Telefon: 03447 836012 oder per Mail an: kulturbund-altenburgerlandev@t-online.de