Leipzig. Ein wenig verlegen, fast schüchtern, schaut sie schon noch, während neben ihr der Bücher-Stapel schnell Konturen annimmt. Und dieser Stapel kann sich tatsächlich sehen lassen. Fünf Bücher hat die Leipziger Schriftstellerin Daimon Legion in diesem Jahr veröffentlicht – und hat damit die Corona-Pandemie inklusive Lockdown äußerst produktiv genutzt. Den Anfang machte im März die dreiteilige Romanserie „Mit schwarzen Flügeln“. Wenig später folgten „Die Stunden der Nacht“ und zuletzt „In die grüne Tiefe hinab“. Natürlich hat sie die Bücher nicht erst während der Pandemie geschrieben. „Ich hab die Geschichten schon lange in der Schublade gehabt. Bislang hab ich mich aber nicht getraut, sie zu veröffentlichen, weil ich einfach zu viele Selbstzweifel hatte“, erklärt die 32-Jährige. Doch dann kam Corona und damit die Überzeugung: „Jetzt oder nie“. Ursprünglich wollte die gelernte Mediengestalterin in diesem Jahr eine Umschulung im Medienbereich beginnen. Doch wegen der Corona-Pandemie konnte diese Umschulung wie so vieles andere nicht stattfinden.
Also entschloss sie sich, endlich die fertigen Romane zu veröffentlichen – und das in Eigenregie. „Die Bücher hab ich komplett selbst gestemmt. Ich war also nicht nur Autorin sondern auch Lektorin, Grafikerin, Fotografin und hab mich um den Druck und die Vermarktung gekümmert“, während sie durchaus zufrieden auf ihren Bücher-Stapel schaut: „Wenn ich jetzt die Ergebnisse sehe, macht mich das schon sehr stolz.“ Es geht mysthisch und fantastisch zu in ihren Büchern: Da ist zum Beispiel der gefallene Engel Deacon Head auf der Suche nach Seelen, da muss Engelsfürst Luzifer Morgenstern erkennen, das Hochmut vor dem Fall kommt, da wird ein Wolfsdämon mit grauen Augen gejagt. Trotz der deutlich erkennbaren Liebe „zu allem, was mit Mythen und Sagen zu tun hat“, möchte sich Daimon Legion aber nicht auf einen Schreibstil festlegen. „Ich will mich nicht in ein Korsett zwängen lassen und schreibe nach meinen eigenen Vorstellungen“, betont die junge Schriftstellerin und beschreibt ihre Romane als eine spannende Mischung aus „viel Fantasy mit einem Schuss Crime, Action, Comedy und Romantik“. Dabei mag sie jede ihrer Roman-Figuren. Schließlich haben alle ihre ganz individuellen Macken, die sie liebenswert machen. Schreiben kann Daimon Legion immer und überall. „Wenn es gut läuft, schreibe ich bis nachts um 2 oder um 3. Da darf dann aber auch niemand stören – nicht mal mein Freund. Wenn man mittendrin in der Geschichte ist, ist tatsächlich jede kleine Störung zu viel. Da vergisst man sogar zwischendurch das Essen und Trinken.“ Während des Schreibens ihrer Romane vollzieht die Leipzigerin einen Sprung von der Realität in die Geisterwelt, wie sie selbst sagt.
Die Fantasie und das Schreiben sind bereits seit der Kindheit ein wichtiger Teil ihres Lebens. „Ich habe schon im Kindergarten meine ersten eigenen Geschichten erfunden“, erinnert sich die gebürtige Wurzenerin. Mit dem größer werdenden Wortschatz schrieb sie später in der Schule die ersten Geschichten auf. Und auch vom Kommentar der Lehrerin, „du schreibst zu fantasievoll“, ließ sie sich nicht entmutigen. Im Gegenteil. Schließlich war es ja genau das, was sie damals schon wollte und was sie bis heute am liebsten macht: fantasievoll schreiben. In der sechsten Klasse schlug sich diese Fantasie dann endlich auch in der Deutsch-Note nieder. „Auf dem Halbjahreszeugnis hatte ich damals eine Drei stehen, am Ende des Schuljahres war es eine Eins“, freut sie sich noch heute und dokumentiert das Ganze mit einem zufriedenen Lächeln. Auch das Mystische und Fantastische hat Daimon Legion bereits in der Kindheit gereizt. Schon damals liebte sie die berühmten Märchen der Gebrüder Grimm und von Hans-Christian Andersen. Außerdem hatten es ihr schon in frühester Jugend Fledermäuse angetan.
Der Ausgangspunkt, es tatsächlich als Autorin zu versuchen, war für die gelernte Mediendesignerin allerdings ein dramatisches Erlebnis im Jahr 2006. „Nach einem Unfall mit einer Straßenbahn bin ich im Krankenhaus aufgewacht. Da bin ich mir der Tatsache zum ersten Mal bewusst geworden, dass das Leben endlich ist, und hab darüber nachgedacht, was ich bislang schon erreicht habe und was ich wirklich will. Ich hab mir gesagt, ich möchte etwas Bleibendes schaffen. Das war für mich der Startschuss als Autorin“, erklärt sie: „Bis zu diesem Zeitpunkt habe ich nur für mich selbst im stillen Kämmerlein am heimischen Laptop geschrieben.“ Dass es dann bis zur Veröffentlichung der ersten Bücher noch einmal 14 Jahre gedauert hat, lag vor allem an ihren eigenen Selbstzweifeln. Deswegen habe sie die geplanten Veröffentlichungen immer wieder verschoben. Geschrieben hat sie in den vergangenen Jahren fleißig. Entstanden sind dabei unzählige Geschichten, die ebenfalls darauf warten, veröffentlicht zu werden. Dass ihr in Zukunft einmal langweilig wird, davor hat sie keine Angst – im Gegenteil. „Ich habe noch so viele Geschichten auf Lager, die reichen fürs ganze Leben“, lacht sie. Und die Ideen für neue fantastische Abenteuer gehen ihr einfach nicht aus. „Bei mir in der Wohnung liegen Tausende von Notizen herum. Immer wenn ich eine Idee hab, muss ich die aufschreiben. Deshalb hab ich auch überall Stifte und Zettel liegen. Auch wenn mir unterwegs auf dem Fahrrad etwas einfällt, halte ich an und muss es festhalten. Entweder schreibe ich es auf oder ich nehme es mit dem Handy auf“, erklärt sie. Stichwort Handy: In der Zeit von Smartphone und Co. schwört Daimon Legion ganz auf ihr Klapp-Handy – und das aus gutem Grund. „Ich brauche kein internetfähiges Handy, mir reicht es völlig, wenn ich damit telefonieren oder mal eine Nachricht verschicken kann.“ Auch Internet in den heimischen vier Wänden braucht sie ebenso wenig wie einen Fernseher. Wenn sie dann doch mal im World Wide Web etwas recherchieren möchte oder auf ihrer eigenen Internetseite, die sie erst vor einigen Wochen fertiggestellt hat, ändern möchte, sucht sie sich einen Computer oder fährt zu ihren Eltern. „Ich schreib mir dann immer auf, was ich suchen möchte und mehr mache ich dann im Internet auch nicht. Im Internet gibt es viel zu viel Ablenkung, die ich nicht brauchen kann“, sagt die Wahlleipzigerin: „Ohne diese ganze Informationsflut lebe ich tatsächlich wesentlich ruhiger.“
Wenn Daimon Legion nicht gerade schreibt, ist sie am liebsten anderweitig künstlerisch tätig – sie malt und fotografiert. Diese Fähigkeiten kommen ihr bei der Illustration ihrer Bücher sehr zugute. Und sie liest sehr viel, hat selbst Unmengen an Büchern in der eigenen Wohnung. „Andere Frauen haben Klamotten, ich habe Bücher“, sagt sie lachend über sich selbst. Ein weiteres Hobby ist das Nähen von Stoffdrachen.
Auch am Sonntag kommt Daimon Legion natürlich nicht ohne das Schreiben aus. Es ist schließlich wie eine Art Lebenselexier für die 32-Jährige. „Sonntags ist es ringsum ruhig und niemand will etwas von mir. Das sind für mich optimale Bedingungen zum Schreiben.“ Auch die Familie ist inzwischen sehr stolz auf ihre Bücher. Das sei allerdings ein langer Weg gewesen. Ihre Mutter liest die Geschichten und gibt auch immer mal wieder wertvolle Tipps. Außerdem hat sie für die Titelseiten der dreiteiligen Romanserie „Mit schwarzen Flügeln“ einen wichtigen Teil beigesteuert. „Die Schachfiguren auf dem Cover der drei Bücher sind von meiner Mutter“, verrät Daimon Legion. Und ganz sicher wird auch in den nächsten Büchern noch der eine oder andere Tipp der Mutter einfließen.
Und nachdem sie sich nun getraut hat, die Bücher zu veröffentlichen, arbeitet die junge Autorin nun am nächsten Schritt ihrer Karriere. „Vielleicht werde ich mal eine Lesung veranstalten, um noch ein bisschen mehr Werbung für meine Bücher zu machen – wenn ich mich traue.“ Und natürlich will sie auch noch viele weitere neue Geschichten schreiben bzw. vorhandene weiter verbessern. Schließlich ist sie auch äußerst selbstkritisch. „Solange ich nicht zufrieden bin, geht nix raus. Und mich zufriedenzustellen, ist tatsächlich gar nicht so einfach.“ Andreas Neustadt
Weitere Informationen zur Autorin unter www.daimonlegion.wixsite.com/drachenhort