Sie sind inzwischen gute Freunde geworden: Julia und Alpaka Karl aus der Herde vom Tiertherapeuten Günter Bollbuck. Foto: PICTURE POINT/Kerstin Dölitzsch

Die ganze Welt stand ihr offen. Doch ein Unfall zerstörte die Träume der damals 19-Jährigen. Nach einem Schädelhirntrauma lebt Julia Spangenberg (32) aus Leipzig im Wachkoma. Sie kommuniziert über Gefühle, die sie zaghaft zeigt. Ein tierischer Freund fördert ihre Emotionen: Karl I., ein Therapie-Alpaka.

Sie sind ein ungewöhnliches Duo. Julia sitzt im Rollstuhl, Karl steht neben ihr. Das zwölfjährige erfahrene Alpakamännchen mit dem dichten wuscheligen Fell kennt keine Scheu und nähert sich ganz vorsichtig dem Kopf. Der Vierbeiner strahlt Ruhe aus, beobachtet auf Augenhöhe die Reaktionen. Innerhalb kürzester Zeit sind Julia und Karl ein Herz und eine Seele. Tierpsychologe Günter Bollbuck (68) vom Alpakagarten Altengroitzsch beobachtet die rührende Szene. „Alpakas sind die Delfine der Berge“, vergleicht er. Seit über zehn Jahren ist er mit seinen gutmütigen, sozialen und sehr aufmerksamen Tieren unterwegs, um sie für Therapien zu nutzen. So besucht er auch regelmäßig die Wachkoma-Patientin in der Senioren-Residenz Althen. Julia wurde im Januar 2005 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt.

„Dabei erlitt sie offenes Schädelhirntrauma“, erzählt Ines Spangenberg (53) verbittert. Ihre einzige Tochter wollte am Unfalltag ein paar Freundinnen besuchen und zwei Stunden später wieder pünktlich zum Abendbrot zu Hause sein. Nur zwei Kilometer vom Haus entfernt stieß sie aus ungeklärter Ursache mit ihrem Auto gegen einen Baum. Nach drei Monaten auf der Intensivstation und mehreren Operationen war klar, dass Julia ein Schwerstpflegefall bleibt. Mutter Ines kämpft seitdem täglich aufopferungsvoll um ihre Tochter und versucht, in die so komplizierte Wachkoma-Welt vorzudringen. Seit 13 Jahren! „Julia nimmt ihre Umgebung schon bewusst wahr und zeigt Gefühle“, beschreibt Ines Spangenberg. Sie möchte die Fähigkeiten ihrer Tochter weiter fördern. „Da wiegen ein Lächeln, eine Augenbraue hochziehen, ein Lippenkräuseln schon so schwer“, ist die Mutter überzeugt. Weil ihre Tochter Tiere liebt und einst selbst einen kleinen niedlichen Mischlingshund besaß, setzt die Schulsekretärin auf Therapien, in denen Vierbeiner eine große Rolle spielen. „Eine Reittherapie tat Julia ganz gut“, erinnert sich Ines Spangenberg. Aber ihre Tochter ist häufig von spastischen Anfällen betroffen. Deshalb kommt nun Ruhestifter und Ausgleichstrainer Karl zum tierischen Einsatz. „Leider werden die Kosten nicht von den Krankenkassen übernommen“, bedauert Alpaka-Züchter Günter Bollbuck. Er leistet viel Aufklärungsarbeit, um ein Umdenken bei den Kassen zu bewirken. „Es lässt sich doch nicht alles in Zahlen und Abrechnungen pressen“, meint der engagierte Tiertherapeut. Und wenn Julia auf Alpaka-Karl reagiert und mit ihm kommuniziert, freut sich Günter Bollbuck genauso, wie Julias Mutter.    Thomas Gillmeister

Kontakt: www.alpakagarten.com

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